Entsteht größter Ölkonzern?
BP wird zum Übernahmeziel der Öl-Giganten
Der britische Ölkonzern BP taumelt – und Shell sowie andere Rivalen wittern die Chance auf einen historischen Deal. Die Aktie ist zu günstig, um Nein zu sagen.
- BP steht unter Druck, Übernahmen werden geprüft.
- Shell könnte größte Ölgesellschaft durch Kauf werden.
- Strategiewechsel bei BP: Fokus auf Öl und Gas.
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Die Aktie des angeschlagenen Energieriesen BP ist zuletzt kräftig gestiegen – nachdem bekannt wurde, dass mehrere große Ölkonzerne eine Übernahme des 116 Jahre alten britischen Unternehmens prüfen. Shell, Chevron, ExxonMobil, TotalEnergies und die staatliche Adnoc aus Abu Dhabi haben laut Insiderinformationen jeweils bereits die Zahlen durchgerechnet. Auch der Rohstoffhändler Vitol soll Interesse an einzelnen Geschäftsbereichen haben.
Was die Branche elektrisiert: Der Marktwert von BP beträgt derzeit nur rund 57 Milliarden Pfund, während eine Sum-of-the-Parts-Bewertung der Financial Times die Vermögenswerte auf über 120 Milliarden Pfund taxiert – mehr als das Doppelte!
Allein das Öl- und Gasgeschäft in den USA und im Golf von Mexiko hat laut UBS-Analyst Joshua Stone einen Wert von rund 82 Milliarden US-Dollar. Die Kehrseite: 77 Milliarden US-Dollar an Schulden und Altlasten – vor allem aus der Deepwater-Horizon-Katastrophe von 2010 – lasten auf der Bilanz.
Shell könnte durch einen Kauf von BP zur größten börsennotierten Öl- und Gasfirma der Welt aufsteigen – mit fast fünf Millionen Barrel Tagesproduktion, einem Viertel des LNG-Weltmarktes und erheblichem Gewicht in den USA. Doch es wäre ein Kraftakt.









Analysten wie Biraj Borkhataria von RBC Capital Markets zweifeln an der Logik eines Deals: "Wir haben Probleme mit der Mathematik", sagte er. Eine Übernahmeprämie von etwa 20 Prozent wäre nötig, dazu kämen kulturelle Reibungen, regulatorische Hürden und wohl zehntausende Jobs, die gestrichen werden müssten. Auch das britische Finanzministerium dürfte ein Wörtchen mitreden.
Gleichzeitig brodelt es intern bei BP. Der Druck von Aktionären, allen voran vom aktivistischen Hedgefonds Elliott Management, wächst. Elliott hat über fünf Prozent an BP aufgebaut und fordert einen radikalen Strategiewechsel zurück zu fossilen Kernkompetenzen, verbunden mit massiven Kostensenkungen und dem Ausstieg aus dem Erneuerbare-Energien-Geschäft.
Die Antwort der BP-Führung kam prompt: Im Februar kündigte CEO Murray Auchincloss einen Strategiewechsel an. Das grüne "Beyond Petroleum"-Mantra ist Geschichte – stattdessen investiert BP nun wieder bis zu 10 Milliarden US-Dollar jährlich in Öl und Gas, während die Mittel für grüne Projekte um rund 70 Prozent gekürzt wurden.
Ein vollständiger Konzernumbau ist bereits eingeleitet: Der langjährige Aufsichtsratschef Helge Lund geht, ebenso wie Strategiechefin Giulia Chierchia. Beide hatten die frühere Netto-Null-Strategie mitverantwortet. Doch nicht alle Investoren begrüßen den neuen Kurs: Der Vermögensverwalter Legal & General zeigte sich zuletzt "zutiefst besorgt" über die Abkehr von den Klimazielen.
Inmitten dieses Chaos wirkt BP wie ein Übernahmekandidat – entweder als Ganzes oder in Einzelteilen. TotalEnergies könnte bei den LNG-Assets zugreifen, Adnoc sieht Synergien entlang der gesamten Ölwertschöpfungskette. ExxonMobil und Chevron halten sich bislang zurück, beschäftigen sich derzeit jedoch mit ihrer eigenen milliardenschweren Übernahmeschlacht um Hess und die begehrten Ölfelder in Guyana. Ein Scheitern dieser Deals könnte ihre Blickrichtung verändern.
BP steht am Scheideweg. Entweder gelingt es, sich unter dem Druck von Investoren und politischen Akteuren neu zu positionieren – oder der einstige britische Energiechampion wird selbst zum Objekt globaler Konsolidierung.
Autor: Ingo Kolf, wallstreetONLINE Redaktion

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