Letzte Bastion fällt
US-Bonität abgewertet wegen Rekordschulden – und die steigen weiter
Moody’s zieht die Reißleine: Die letzte große Ratingagentur hat den USA die Bestnote entzogen. Für Anleger und Staaten weltweit ist das ein Weckruf mit weitreichenden Folgen.
- Moody's senkt US-Rating auf Aa1, Aaa verloren.
- Defizit bis 2035 auf 9% der Wirtschaftsleistung.
- Globale Finanzstabilität durch US-Risiken gefährdet.
- Report: Die USA haben fertig! 5 Aktien für den China-Boom

Die Vereinigten Staaten haben ihre letzte makellose Kreditwürdigkeit eingebüßt. Nach S&P und Fitch hat nun auch Moody’s das Spitzenrating Aaa für US-Staatsanleihen kassiert und die Note auf "Aa1" gesenkt.
Der Schritt kam zwar nicht überraschend – Moody’s hatte bereits im vergangenen Jahr den Ausblick auf "negativ" gesenkt – aber die Symbolkraft des letzten Ratingschocks ist nicht zu unterschätzen. Die Bonität der weltgrößten Volkswirtschaft steht damit offiziell nicht mehr über jedem Zweifel.
Die Gründe für die Herabstufung lesen sich wie ein Schulden-Sündenregister: massive Defizite, steigende Zinslast, eine explodierende Schuldenquote und politische Blockaden bei der Haushaltskonsolidierung. Moody’s rechnet damit, dass das US-Defizit bis 2035 fast neun Prozent der Wirtschaftsleistung erreichen wird – aktuell liegt es bei 6,4 Prozent.
Das Verhältnis von Staatsschulden zur Wirtschaftsleistung dürfte laut der Agentur von heute 98 auf 134 Prozent steigen. Besonders besorgniserregend ist, dass dies selbst dann gilt, wenn keine weiteren Steuererleichterungen beschlossen werden. Sollte der Kongress die Steuerreform von 2017 dauerhaft verlängern – wie es die Trump-Regierung plant – drohen dem Staatshaushalt bis 2035 zusätzliche 4 Billionen US-Dollar an Löchern!
Die unmittelbare Marktreaktion fiel deutlich aus: Zehnjährige US-Staatsanleihen rentierten im frühen Montagshandel mit 4,5 Prozent 3 Basispunkte höher. Und ihre 30-jährigen Äquivalente stiegen kurzzeitig um etwa sechs Basispunkte über die psychologisch wichtige Marke von 5,00 Prozent. Gleichzeitig sackten ETFs auf langlaufende US-Bonds wie der iShares 20+ Year Treasury Bond ETF ab. Der US-Dollar verlor an Boden, während Gold als sicherer Hafen um über ein Prozent zulegte. Auch die Aktienfutures gerieten unter Druck.
Die Herabstufung dürfte mittel- bis langfristig die Finanzierungskosten der USA erhöhen, was den Schuldendienst weiter verteuert. Eine Teufelsspirale droht: Höhere Zinsen auf US-Staatsanleihen aufgrund der schlechteren Kreditwürdigkeit führen zu steigenden Zinskosten für den Staat, was das Haushaltsdefizit weiter vergrößert, was wiederum das Vertrauen der Investoren schwächt und zu einer weiteren Herabstufung oder höheren Renditeforderungen führen kann – die Spirale dreht sich weiter.
"Die Herabstufung der US-Staatsanleihen überrascht nicht, weil der Staat immer mehr Geld ausgibt, ohne dafür ausreichend Einnahmen zu haben", sagte Max Gokhman, stellvertretender Investmentchef bei Franklin Templeton, gegenüber Bloomberg. "Die Zinskosten für die Schulden werden weiter steigen, weil große Anleger – darunter Staaten und institutionelle Investoren – anfangen, sich von US-Anleihen zu trennen und ihr Geld lieber in andere sichere Anlagen stecken. Das kann eine gefährliche Abwärtsspirale auslösen: Die Renditen steigen weiter, der US-Dollar gerät unter Druck – und US-Aktien verlieren an Attraktivität."
Und wenn selbst die treuesten Anleger beginnen, einen Risikoaufschlag für US-Staatsanleihen zu verlangen, könnte das Fundament des globalen Finanzsystems ins Wanken geraten. Denn US-Treasuries sind nicht nur das Rückgrat institutioneller Portfolios, sondern auch Referenz für viele Kreditverträge weltweit. US-Finanzminister Scott Bessent versuchte zu beschwichtigen. Die Herabstufung sei politisch motiviert und stütze sich auf "veraltete Zahlen". Moody’s sei ein "nachlaufender Indikator", hieß es.
Doch die Zahlen sprechen für sich: Das Defizit allein im laufenden Haushaltsjahr liegt bereits bei über 1 Billion US-Dollar – 13 Prozent mehr als im Vorjahr. Die politische Unfähigkeit, strukturelle Einsparungen durchzusetzen, wird zur tickenden Zeitbombe. Eine neue, von Trump angestoßene Steuersenkung im Umfang von bis zu 3,8 Billionen US-Dollar hängt zusätzlich wie ein Damoklesschwert über dem Haushalt.
Die Herabstufung ist aber nicht nur ein US-amerikanisches Problem. Europa und der Rest der Welt könnten die Auswirkungen bald spüren – sei es über steigende US-Renditen, einen stärkeren Inflationsdruck durch importierte Zinsen oder Kapitalflüsse, die risikobewusster umgelenkt werden. Zudem verliert der US-Dollar als Weltreservewährung schleichend an Aura. Gold und andere "hard assets" gewinnen an Attraktivität.
Autor: Ingo Kolf, wallstreetONLINE Redaktion

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