Auf Höhenflug
Polens Zloty ist deutlich überbewertet – wie lange geht das noch gut?
Die historische Überbewertung des Zloty wirft Fragen zur Nachhaltigkeit der Kursstärke auf – und zur Strategie der Zentralbank.
- Zloty überbewertet, Fragen zur Kursstärke bleiben.
- Hohe Zinsen machen Anleihen attraktiv, aber riskant.
- Exportdruck wächst, Zinsentscheidungen stehen bevor.
- Report: Zeitenwende! 3 Uranaktien vor der Neubewertung

Der Wechselkurs des Zloty hat in den letzten Monaten spürbar zum US-Dollar zugelegt. Seit Jahresbeginn verteuerte sich die Devise bereits um 8,6 Prozent, sodass 1 US-Dollar aktuell nur noch etwa 3,77 Zloty kostet, verglichen mit rund 4,13 Zloty Anfang Januar. In Relation zum Euro hält sich die Währung des Nachbarlandes sehr stabil und hat sich in den letzten 12 Monaten kaum bewegt. Zwar hatte sie Anfang des Jahres kräftig zugelegt, mit der Ankündigung umfasender Zölle durch die USA Anfang April schmolzen die Gewinne jedoch wieder ab.
Gemessen an einem gleitenden Zehnjahresdurchschnitt notiert der Zloty deutlich über seinem langfristigen Mittel, wie aus einer neuen Bloomberg-Analyse hervorgeht. Von den 19 untersuchten Währungen weist der Zloty noch vor dem rumänischen Leu die höchste Überbewertung überhaupt auf. Das wirft Fragen zur Fundamentallage auf: Ist der Zloty tatsächlich zu teuer? Und wie nachhaltig ist die aktuelle Stärke?
Treiber dieser Entwicklung sind eine Kombination aus konjunkturellem Rückenwind, steigenden Kapitalzuflüssen und einer geldpolitischen Linie, die internationalen Investoren als vergleichsweise berechenbar gilt.
Tatsächlich ist die polnische Wirtschaft gemessen am realen Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2024 um rund 2,8 Prozent gewachsen. Für das laufende Jahr wird laut Statista ein BIP-Wachstum von 3,2 Prozent prognostiziert. Die Inflation, die 2023 noch zweistellig war, liegt mittlerweile unter fünf Prozent. Damit steht Polen im regionalen Vergleich gut da.









Die Nationalbank (NBP) hat ihren Leitzins von Oktober 2023 bis Anfang des Monats stabil bei 5,75 Prozent gehalten und ihn jetzt auf 5,25 Prozent gesenkt. Die Inflation verlangsamte sich im April auf 4,2 Prozent von 4,9 Prozent im März, liegt damit aber immer noch deutlich über dem Inflationsziel der NBP von 2,5 Prozent. Viel Spielraum für weitere Senkungen hat die Notenbank somit nicht. Die vergleichsweise hohen Zinsen machen polnische Anleihen und Spareinlagen attraktiv – gerade gegenüber dem Euroraum, wo die Leitzinsen aktuell 2,25 Prozent betragen.
Doch mit Blick auf die realwirtschaftliche Kaufkraftparität (PPP) könnte der Zloty bereits in überteuertes Terrain vorgestoßen sein. Laut aktuellen Schätzungen der OECD liegt die faire Bewertung des Zloty gegenüber dem Euro bei etwa 4,50, also deutlich über dem aktuellen Kursniveau. Diese Diskrepanz deutet darauf hin, dass der aktuelle Wechselkurs nicht durch langfristige Preisrelationen gedeckt ist, sondern eher durch spekulative Kapitalströme und ein hohes Vertrauen in das makroökonomische Management des Landes.
Auch der Internationale Währungsfonds und mehrere osteuropäische Analystenhäuser warnen inzwischen vor einem "Overshooting" des Zloty. Hintergrund ist unter anderem der kräftige Kapitalzufluss aus internationalen Fonds, die Polen als stabilen Renditeanker im östlichen Europa betrachten. Doch diese Ströme können sich bei geopolitischen oder wirtschaftlichen Schocks schnell umkehren.
Ein weiterer Risikofaktor ist der zunehmende Druck auf die Exportwirtschaft. Die starke Landeswährung erschwert es polnischen Herstellern, auf Auslandsmärkten konkurrenzfähig zu bleiben. Erste Klagen aus der Industrie mehren sich, insbesondere in der Automobilzulieferung und der Maschinenbaubranche. Sollte der Zloty seinen Höhenflug fortsetzen, könnte das mittelfristig auch auf das Wachstum durchschlagen.
Für die NBP stellt sich damit ein Dilemma: Eine weitere Leitzinssenkung, wie sie angesichts der zurückgehenden Inflation diskutiert wird, könnte den Zloty wieder abwerten – was der Exportwirtschaft helfen würde. Gleichzeitig würde das aber auch die Gefahr einer neuen Inflationswelle erhöhen und die Attraktivität Polens für Investoren schmälern.
Der polnische Zloty bleibt damit in einem Balanceakt zwischen optimistischer Spekulation und fundamentaler Realität. Dass er sich aktuell auf historisch hohem Niveau bewegt, mag auf den ersten Blick wie ein Vertrauensbeweis wirken – doch langfristig entscheidet sich die Kursentwicklung nicht nur nach Kapitalströmen, sondern vor dem Hintergrund der realen Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft.
Die nächsten Zinsentscheidungen der NBP wie auch der EZB stehen Anfang Juni an. Dann könnte sich zeigen, ob die Stärke des Zloty tragfähig ist oder ob die Währung bald wieder auf ein fundamentaleres Niveau zurückkehrt.
Autor: Ingo Kolf, wallstreetONLINE Redaktion

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