Das Schuldenproblem – eine Polemik
Stellen Sie sich vor, Ihr Nachbar, der bisher Ihr Haus stets wohlwollend beurteilt hat, kommt eines Tages vorbei und erklärt Ihnen, dass es bald abbrennen wird.
- Schuldenwarnungen: Immer wiederkehrende Prophezeiungen.
- Märkte reagieren gelassen auf Schuldenproblematik.
- Risiken nicht ignorieren, aber auch nicht überbewerten.
Das Schuldenproblem – eine Polemik
von Torsten Ewert
Stellen Sie sich vor, Ihr Nachbar, der bisher Ihr Haus stets wohlwollend beurteilt hat, kommt eines Tages vorbei und erklärt Ihnen, dass es bald abbrennen wird. Sie können allerdings keinerlei Anzeichen oder Gefahren dafür erkennen. Also fassen Sie sich – vor Entsetzen – kurz an die Stirn und danken ihm für seine Umsicht.
Die warnenden Nachbarn
Die Zeit vergeht. Natürlich gibt es keinen Brand oder auch nur etwas annähernd Dramatisches. Doch nach 12 Jahren steht ein anderer Nachbar vor der Tür und macht die gleiche Prophezeiung. Und wieder 2 Jahre später kommt der dritte mit demselben Spruch.
Nun, es mag sein, dass Sie oder andere Hausbesitzer durch solche wiederholten Warnungen verunsichert würden. Die US-Regierungen der vergangenen Jahre, denen Standard & Poor’s 2011, Fitch 2023 und Moody’s in der Vorwoche de facto das Gleiche in Bezug auf ihre Staatsfinanzen gesagt haben, waren jedoch nicht beeindruckt.
Die Finanzmärkte, die letztlich das „Haus“ finanziert haben, um das es geht, „zucken“ dagegen jedes Mal, wenn eine solche Meldung über die Ticker läuft - selbst beim dritten Mal noch.
Begeisterung über neue Schulden!?
So haben sich manche Medien genüsslich darüber ausgelassen, dass eine Auktion von US-Staatsanleihen, die unmittelbar nach der Moody’s-Abstufung stattfand, auf „geringe Nachfrage“ stieß, wodurch die Zinsen für die betreffenden Anleihen ungewöhnlich stark stiegen. Dies wurde als Misstrauensbeweis der Investoren gewertet. (Dabei haben aus meiner Sicht die Investoren einfach nur die Gunst der Stunde genutzt, um ein paar Basispünktchen mehr zu ergattern.) Und natürlich machen auch wieder erste Untergangsszenarien die Runde, woraufhin ich prompt eine Leser-Mail erhielt.
Aber mal ehrlich: Wie wahrscheinlich ist eine solche Krise? Zum einen ist auch das zweithöchste Rating immer noch top. Vom Junk-Status, also einer akuten Ausfallgefahr, kann keine Rede sein. Zudem ist das Thema (nicht nur in den USA) nicht neu und immer wieder angesprochen worden, auch von den politisch Verantwortlichen.
Passiert ist in allen Fällen: Nichts. Im Gegenteil, die Schulden stiegen munter weiter. Und wenn nicht zufällig irgendein Ereignis oder irgendeine Krise dieses Thema wieder ins Bewusstsein rückte, hat es auch niemanden gejuckt. Und nicht nur das: Kürzlich hat ein so unscheinbares Land wie Deutschland, der vermeintliche Hort der Sparsamen und Wächter über die Schuldenregeln (anderer), mal eben Billionenpakete für künftige Ausgaben geschnürt - und die Märkte haben es GEFEIERT!