"Welt verliert das Vertrauen"
US-Treasuries: Der sichere Hafen ist nicht mehr sicher
US-Staatsanleihen, jahrzehntelang als der sichere Hafen schlechthin anerkannt, verlieren zunehmend diesen Status. Der steigende US-Schuldenberg und geopolitische Spannungen setzen den Markt unter Druck.
- US-Treasuries verlieren Status als sicherer Hafen.
- Geopolitische Spannungen und Schulden belasten Markt.
- Anleger suchen alternative sichere Häfen wie Gold.
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Für Jahrzehnte galt der Markt für US-Treasuries als der unerschütterliche sichere Hafen für Anleger, eine zuverlässige Quelle für Stabilität in turbulenten Zeiten. Doch in den letzten Monaten zeigen sich immer mehr Anzeichen dafür, dass dieser Status ins Wanken geraten könnte. Vor allem ausländische Investoren werden immer zurückhaltender.
Die aktuellen geopolitischen Spannungen und die immer weiter steigende US-Verschuldung werfen Fragen über die Zukunft des Marktes auf, der einst als das Rückgrat vieler diversifizierter Portfolios galt. Die Ausgabenpolitik der Regierung in Washington verschärft die Zurückhaltung nur.
Normalerweise würden sich Investoren in Zeiten geopolitischer Unsicherheit und erhöhter Spannungen – wie dem israelisch-iranischen Konflikt – auf US-Treasuries als sicheren Hafen stürzen. Doch am Freitag, nachdem Israel militärische Angriffe gegen Iran startete und die Spannungen weiter eskalierten, reagierten die US-Anleihen nur minimal.
Diese Entwicklung ist ein deutliches Signal, dass Treasuries nicht mehr als der stabilisierende Anker in einer unsicheren Welt wahrgenommen werden. "Die Welt verliert das Vertrauen in den Staatsanleihen-Teil der USA", sagte Mohamed El-Erian, Chefvolkswirt bei der Allianz, kürzlich in einem Interview mit CNBC und fügte hinzu, dass Anleger in dieser Phase keine Sicherheit im Treasury-Markt finden würden.
Und der Marktstratege Charlie Bilello von Creative Planning warnt, dass sich der US-Bondmarkt in einer langanhaltende Talfahrt befindet 58 Monate in Folge Verluste verzeichnet hat. Das ist der längste Rückgang in der Geschichte. In diesem Zeitraum ging es vom Höhepunkt bis zum Tiefstpunkt um mehr als 17 Prozent abwärts. Der US-Bondmarkt befindet sich auf unbekanntem Territorium.
Seit Beginn der Zinserhöhungen durch die Federal Reserve hat sich die Ertragserosion bei Anleihen verstärkt und Anfang April mit der Zollankündigung von US-Präsident Donald Trump weiter an Schwung gewonnen. Das verunsichert die Marktteilnehmer zunehmend. Die Anleger sehen sich nun einem Markt gegenüber, in dem die traditionellen Eigenschaften von US-Anleihen, nämlich Sicherheit und Stabilität zu bieten, nicht mehr zuverlässig vorhanden sind.
Ein weiterer Faktor, der den Markt belastet, ist die steigende US-Schuldenquote, die mittlerweile 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreicht hat. Zum Vergleich: In Deutschland beträgt die Quote 62,5 Prozent. Der US-Fiskalhaushalt ist zunehmend unüberschaubar, was Anleger mit Blick auf die Staatsanleihen verunsichert. Diese Bedenken wurden am Montag durch die Auktion von 20-Jahres-Anleihen verstärkt, bei der die ausländische Nachfrage spürbar rückläufig war.
Diese Situation könnte die Unsicherheit erhöhen, da dadurch die Abhängigkeit von inländischen Käufern verstärkt wird. Und wenn der Pool möglicher Interessenten weiter schrumpft, stellt sich die Frage, wie lange die für die Finanzierung der US-Ausgaben notwendige Nachfrage aufrechterhalten werden kann.
Wenn die Nachfrage nach US-Anleihen nicht mit dem Anstieg der Emissionen Schritt hält, könnte dies die Renditen weiter in die Höhe treiben und das Vertrauen in den US-Fiskalhaushalt beeinträchtigen. Ein Teufelskreis. Dies könnte wiederum die Stabilität der gesamten Finanzmärkte gefährden.
Der Druck auf den Markt wird auch durch die geopolitischen Spannungen und die anhaltenden Handelsstreitigkeiten verschärft. Trotz der historischen Stabilität des US-Treasury-Marktes und seiner Rolle als sicherer Hafen könnten die aktuellen wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen langfristig zu einer Entkopplung des Marktes von dieser stabilen Wahrnehmung führen.
Während vor allem Gold und Währungen wie der Franken und vielleicht auch der Euro als sichere Häfen stärker nachgefragt werden, verlieren Treasuries zunehmend ihre Attraktivität.
Autor: Ingo Kolf, wallstreetONLINE Redaktion
