US-Dollar angezählt
Eine neue Währungsordnung formt sich
Der US-Dollar schwächelt – und Peking greift nach der monetären Vorherrschaft. Europas Rolle ist offen, aber die globale Dominanz der US-Währung wackelt wie lange nicht.
- US-Dollar verliert an Wert, China strebt Dominanz an.
- Peking plant multi-polares Währungssystem mit Yuan.
- Europa sucht Alternativen, Euro könnte global wachsen.
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Der US-Dollar hat im laufenden Jahr deutliche Verluste einstecken müssen – mehr als zehn Prozent gegenüber Euro und Schweizer Franken. Gegenüber allen wichtigen Weltwährungen notiert er schwächer. Die Ursachen liegen weniger bei den eigentlichen Währungshütern, der US-Notenbank, sondern bei Washington selbst: erratische Handelspolitik, massive Steuerpläne, hohe Defizite und der Eindruck, dass die Trump-Regierung eine Schwäche der Landeswährung bewusst duldet oder sogar fördert.
Das hat Folgen. Investoren trennen sich zunehmend von US-Anlagen, Währungsfonds verzeichnen die stärkste Dollar-Untergewichtung seit über zwei Jahrzehnten. Die Situation erinnert an frühere Währungskrisen, nur mit einem Unterschied: Es geht nicht nur um Vertrauen. Es geht um Systemfragen.
Inmitten dieser tektonischen Verschiebung tritt China auf den Plan, mit einer Agenda, die direkt auf die jahrzehntelange Dominanz des US-Dollars zielt. PBoC-Gouverneur Pan Gongsheng spricht offen vom Ende der Ein-Währungs-Ordnung und ruft zu einem multi-polaren internationalen Währungssystem auf, in dem mehrere Währungen gleichberechtigt konkurrieren. In seiner Rede auf Chinas führendem Finanzforum sagte Pan, der US-Dollar habe nach dem Zweiten Weltkrieg "seine Dominanz begründet" und "seinen Status bis heute beibehalten". Er warnte vor einer "übermäßigen Abhängigkeit" von einer einzigen Währung.
In Shanghai kündigte er dazu ein Maßnahmenpaket an, das die Rolle des Yuan, insbesondere in seiner digitalen Form, global stärken soll. Ziel ist eine Infrastruktur, die unabhängig vom Westen funktioniert, resilient gegen Sanktionen ist und politisch schwerer zu beeinflussen.







"In Zukunft könnte sich das globale Währungssystem weiter in Richtung eines Musters entwickeln, in dem einige wenige souveräne Währungen nebeneinander existieren, miteinander konkurrieren und sich gegenseitig kontrollieren und ausgleichen", sagte er und verwies auf eine wachsende Rolle der chinesischen Landeswährung.
Pan geht dabei weit über technische Fragen hinaus. "Wenn es zu geopolitischen Konflikten, nationalen Sicherheitsinteressen oder gar Kriegen kommt, lässt sich die internationale Leitwährung leicht instrumentalisieren und als Waffe einsetzen", warnte er. Seine implizite Kritik an der Rolle des US-Dollars ist unmissverständlich, ebenso wie die politische Botschaft dahinter: Der Yuan soll nicht nur eine regionale Alternative sein, sondern eine echte globale Option.
In Europa wird auch nach Alternativen zur US-Währung gesucht. EZB-Präsidentin Christine Lagarde erklärte kürzlich, die dominante Rolle des US-Dollars sei nicht mehr gewiss. In einem seltenen Besuch in Peking setzte sie sich in der vergangenen Woche für eine stärkere Kooperation Chinas mit der EZB ein – ein Signal, dass auch der Euro seine globale Rolle stärken will.
Tatsächlich bietet sich für Europa eine historische Gelegenheit. Der Euro ist bereits die zweitwichtigste Währung im globalen Zahlungsverkehr und könnte, bei politischem Willen und wirtschaftlicher Stabilität, stärker aus dem Schatten des US-Dollars treten. Doch die Voraussetzungen sind komplex: Europas Kapitalmärkte sind zersplittert, geopolitisch ist der Block nicht geschlossen handlungsfähig, und fiskalisch fehlt die Tiefe, um mit dem Dollar-Universum gleichzuziehen.
Für Peking dagegen scheint der Moment günstig. Die Schwäche des US-Dollars wird als strategisches Fenster begriffen, um den Yuan zu internationalisieren. Zwar bleibt Chinas Kapitalverkehrskontrolle ein Hemmnis, aber der technologische Fortschritt bei digitalen Währungen und die politische Zielstrebigkeit könnten diese Hürde mittelfristig relativieren. Zudem wächst die Bereitschaft vieler Schwellenländer, sich von der Dollar-Logik zu lösen, sei es durch alternative Abrechnungssysteme oder neue bilaterale Handelsmechanismen.
Ob der Greenback deshalb vor dem Ende seiner Dominanz steht, ist offen. Noch gibt es keinen Ersatz, der die gleiche Tiefe, Liquidität und globale Akzeptanz bietet. Aber das Grundvertrauen ist angeschlagen. Und die Debatte über eine multipolare Währungsordnung hat durch den Vorstoß Chinas einen neuen, konkreten Charakter bekommen.
Was vor wenigen Jahren noch geopolitische Theorie war, wird nun zur praktischen Herausforderung für Investoren, Notenbanken und Regierungen. Und während die USA ihre wirtschaftliche Schlagkraft zunehmend instrumentalisieren, wächst das Interesse an Alternativen. Der US-Dollar bleibt stark, ist aber nicht unangreifbar.
Autor: Ingo Kolf, wallstreetONLINE Redaktion
