Das 4-Billionen-Dollar-Problem
Können die USA ihre Rekordschulden mit Zinssenkungen reduzieren?
Politische Einflussnahme auf die US-Notenbank würde die Inflation potenziell weiter anheizen und die Schuldenkrise verschärfen.
- Politische Einflussnahme könnte Inflation anheizen.
- Zinssenkungen wären ökonomisch riskant und schädlich.
- Druck auf die Fed gefährdet deren Unabhängigkeit.
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Wie erwartet hat US-Präsident Donald Trump zu einem verbalen Rundumschlag gegen die US-Notenbank ausgeholt, nachdem diese gestern die Leitzinsen unverändert beließ. Zwar hatten Experten angesichts der hartnäckigen Inflation damit gerechnet, aber dennoch warf der Präsident Powell öffentlich Inkompetenz vor und witzelte, er könne sich selbst zum Chef der Fed ernennen: "Ich würde es viel besser machen als diese Leute".
Doch so lautstark die Forderung nach Zinssenkungen aus dem Trump-Lager auch kommt, aus ökonomischer Sicht wäre ein Nachgeben der Fed brandgefährlich. Denn obwohl sich Trump seit Wochen für eine Lockerung der Geldpolitik einsetzt, sehen die meisten Ökonomen dafür derzeit keinen hinreichenden makroökonomischen Grund. Vielmehr könnte eine vorgezogene Zinssenkung, die rein politisch motiviert ist, genau das Gegenteil dessen bewirken, was Trump erreichen will.
“Wenn die makroökonomischen Bedingungen dies nicht rechtfertigen, würde eine Zinssenkung zu einer höheren Inflation und letztlich zu höheren Nominalzinsen führen“, warnt Michael Feroli, Chefökonom für die USA bei JPMorgan. Damit würde ein Schritt, der eigentlich die Wirtschaft ankurbeln soll, stattdessen die Inflationserwartungen anheizen. Mit dem Resultat, dass Anleiheinvestoren höhere Renditen fordern.
Vorerst scheint sich Trump jedoch nicht beirren zu lassen, und forderte die Fed auf, die Zinsen um bis zu 2,5 Prozentpunkte zu senken. Er begründete seine Kritik an Powell schlicht und einfach: "Er kostet das Land ein Vermögen".
Tatsächlich muss die US-Regierung bereits jetzt jeden Monat eine Rekordsumme für den Schuldendienst ausgeben. Trump hofft, diese Zahlungen senken zu können, was gewöhnlich bei Zinssenkungen auch passieren würde. Nicht aber in dem von Feroli beschriebenen Fall. Dann würde genau das Gegenteil dessen passieren, was sich Trump erhofft. Und die US-Regierung müsste ihre Rekordschulden noch teurer refinanzieren.
Hätte Powell nachgegeben, wäre dies also kontraproduktiv gewesen und potenziell destabilisierend. Denn die Zinslast ist ohnehin ein wachsendes Problem: Die jährlichen Finanzierungskosten der USA liegen inzwischen bei über 4 Billionen US-Dollar, Tendenz steigend. Das Haushaltsdefizit hat sich auf über sechs Prozent des BIP ausgeweitet. Außerhalb von Kriegs- oder Krisenzeiten ein historischer Höchststand.
Entsprechend scharf fallen die Reaktionen in der Ökonomenschaft aus. Viele warnen davor, die Fed unter politischen Druck zu setzen, vor allem wegen der realen wirtschaftlichen Risiken. Die Abkopplung geldpolitischer Entscheidungen von ökonomischen Fundamentaldaten könne das Vertrauen der Märkte erschüttern und die Glaubwürdigkeit der US-Notenbank langfristig untergraben.
Fed-Chef Powell zeigte sich gestern unbeeindruckt vom politischen Gegenwind. Er bekräftigte, dass künftige Entscheidungen datengetrieben getroffen würden. Eine Lockerung der Geldpolitik sei nur dann gerechtfertigt, wenn Inflation und Arbeitsmarkt dies zuließen und derzeit sei beides nicht klar gegeben. Zwar signalisiert die Fed weiterhin zwei Zinssenkungen bis Jahresende, doch der Zeitpunkt bleibt abhängig von weiteren Inflationsdaten.
Dass Trump und seine Unterstützer trotzdem versuchen, öffentlichen Druck aufzubauen, deutet darauf hin, dass sie auch die Fed zu einem politischen Werkzeug machen wollen, ähnlich wie bei Handelszöllen oder Steuerplänen. Doch dieser Kurs könnte gefährlich eskalieren. Bereits jetzt zeigt sich, dass die Märkte zunehmend nervös auf politische Eingriffe in ökonomische Prozesse reagieren.
Ein Zinsschritt zur Unzeit wäre ein Zeichen, dass die Notenbank nicht mehr unabhängig, sondern manipulierbar ist, und genau das könnte in einer Phase hoher Verschuldung und fragiler Marktstabilität eine gefährliche Spirale auslösen: steigende Inflation, sinkendes Vertrauen, höhere Renditen, teurere Schulden.
Ökonomen wie Feroli sehen darin kein theoretisches Risiko, sondern eine reale Gefahr. Trumps Druck auf die Fed ist deshalb ein Spiel mit dem Feuer. Und die Rechnung dafür könnte das Land noch teuer zu stehen kommen.
Autor: Ingo Kolf, wallstreetONLINE Redaktion
