Wie sieht die Zukunft aus?
Wasserstofftraum geplatzt? – Nel, Plug Power & PowerCell liegen am Boden
Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Bei Wasserstoff ist die Messe zwar noch nicht gelesen, aber das Vertrauen ist kaum noch da. Der einstige Hoffnungsträger für eine saubere Umwelt wird immer mehr zum Sorgenkind!
- Wasserstoffstrategien in Deutschland stagnieren stark.
- Hohe Energiekosten bremsen klimaneutrale Projekte.
- Vertrauen in Wasserstoff-Aktien ist stark gesunken.

Strompreise sind zu hoch!
ArcelorMittal hat seine Pläne zur Umstellung der Werke in Bremen und Eisenhüttenstadt auf klimaneutrale Produktion aufgegeben – trotz zugesagter Subventionen in Höhe von 1,3 Milliarden Euro. Ausschlaggebend seien laut dem Stahlkonzern die hohen und schwer kalkulierbaren Energiekosten in Deutschland. Damit erhält die deutsche Wasserstoffstrategie einen weiteren Dämpfer, zumal die Bundesregierung mit Fördermitteln gezielt den Umbau zur grünen Stahlproduktion fördern wollte.
Das Unternehmen verweist auf bessere Standortbedingungen im Ausland und nennt etwa die kürzlich getätigte Investition in einen Elektrolichtbogenofen in Frankreich, wo Atomstrom günstiger verfügbar ist. Die Unsicherheit über den künftigen Energiemix und die im Vergleich zu Nachbarländern hohen Strompreise erschwerten Investitionen in Deutschland. Zusätzlich setzt die europäische Stahlindustrie unter Druck, dass Kunden zunehmend auf günstigere Importe ausweichen.
Der Wille ist da
Dabei herrscht kein Mangel an Ambitionen: Gerade in Deutschland sollte die Wasserstoffproduktion mithilfe erneuerbarer Energien vorangetrieben werden. Doch Kosten und regulatorische Hürden bremsen den Fortschritt. So liegt der Preis für grünen Wasserstoff in der EU derzeit bei bis zu 223 Euro je Megawattstunde – ein Vielfaches des Preises für Erdgas. Zwar rechnen Experten mittelfristig mit sinkenden Produktionskosten, etwa durch günstigeren Solarstrom in Regionen wie Chile oder China. Doch in Europa dürfte dieser Ausgleich länger auf sich warten lassen, nicht zuletzt wegen gestiegener Rohstoff- und Strompreise.
Hoffnungsbranchen wackeln
Marc-Simon Löffler vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) in Stuttgart beobachtet einen deutlichen Fortschritt bei batteriebetriebenen Antrieben wie er der Süddeutschen Zeitung (SZ) erklärt: "Mittlerweile sind die Kosten und Reichweiten der Batterien so viel besser geworden, dass selbst im Schwerlastverkehr nicht mehr sicher ist, dass ausschließlich Wasserstoff oder dessen Derivate zum Einsatz kommen werden." Noch klarer äußert sich Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin in der SZ: Es sei "nur noch eine Frage der Zeit, bis der Elektro-Lkw wirtschaftlich die Nase vorn hat".
Auch Airbus ist entzaubert
Eigentlich wollte der deutsch-französische Flugzeugbauer 2035 ein erstes Wasserstoff-Flugzeug präsentieren. Allerdings verabschiedete sich der DAX-Konzern schon zu Anfang des Jahres von diesem Plan. Ganz aufgegeben hat ihn Airbus aber nicht, sondern startet einen weiteren Versuch, diesmal mit MTU an seiner Seite. Allerdings hat sich an den bestehenden Problemen bislang nichts geändert.
Dass ein Wasserstoff-Flugzeug technisch machbar ist, steht für Airbus-Chef Guillaume Faury außer Frage. Allerdings bringe es nichts, ein Flugzeug zu entwickeln, das niemand kaufe, weil die Infrastruktur nicht zur Verfügung stehe oder es im Betrieb zu teuer sei, sagte Faury im Frühjahr. Die Wasserstoff-Wirtschaft liege fünf bis zehn Jahre hinter dem zurück, was der Konzern bei Ankündigung seiner Wasserstoff-Strategie im Jahr 2020 angenommen habe, damals waren Pläne, Versprechen und Aussichten auch deutlich besser als jetzt.
Statt Nummer 1 weitere Abhängigkeit von China?
Aus dem einstigen Heilsbringer für eine klimaneutrale Umwelt, ist mittlerweile ein Sorgenkind geworden. Besonders im regulierungswütigen Deutschland steckt Wasserstoff fast immer noch in den Anfängen. Allerdings schläft die Konkurrenz nicht, besonders China. Während in Berlin noch geplant wird, hat Peking den Markt schon in der Hand. Wie die SZ berichtet kontrolliert China bereits 40 bis 60 Prozent des Marktes für Elektrolysetechnik.
Legt das Reich der Mitte diese Geschwindigkeit weiter an den Tag, dann könnte Deutschland in eine weitere Abhängigkeit von China rutschen, da der Traum von der Nummer 1 wohl schon etwas länger ausgeträumt ist.
Den Aktien von Nel, Plug Power, PowerCell und Ballard Power bekommt diese Entwicklung auch nicht. Mal flattert ein Auftrag rein und ein Fünkchen Hoffnung kommt auf. Aber meistens ist dies ein Strohfeuer. Daher eignen sich die Papiere aktuelle nur mal für den ein oder anderen Day-Trade. Ein langfristiges Investment dürfte eher zu Verlusten führen.
Mein Tipp: Die Stars von gestern sind zu heiß!
Der schleppende Fortschritt bei Wasserstoff lässt sich auch an den Kursen der Highflyer von damals ablesen. Die Kurse von Plug Power, Nel & Co. liegen am Boden. Viele Anleger haben sich in den vergangenen zwei Jahren in der Hoffnung an alte Zeiten ordentlich die Finger an den Aktien verbrannt. Das Vertrauen ist gewichen und mittlerweile trauen sich auch fast nur noch Zocker an die Papiere ran. Für nachhaltige Investoren eignen sich die Papiere aktuell auch nicht.
Anleger, die Wasserstoff in ihrem Depot noch spielen möchten, müssen sich auf die Suche nach anderen Playern begeben. Es gibt noch das ein oder andere gallische Wasserstoffdorf, das im Depot für Furore sorgen könnte.
Thyssenkrupp (TK) Nucera greift bei Green Hydrogen Systems zu
Wie hart umkämpft der Markt für Wasserstoff gerade ist, das musste Green Hydrogen aus Dänemark schmerzlich feststellen. Der Wasserstoff-Konzern musste Ende vergangener Woche Insolvenz anmelden. Dabei scheint die Technik der Dänen nicht schlecht zu sein, denn TK Nucera war sofort zur Stelle und hat die Situation für sich ausgenutzt.
Der Dortmunder Elektrolysespezialist erweitert sein Technologieportfolio und übernimmt zentrale Vermögenswerte des angeschlagenen dänischen Unternehmens Green Hydrogen Systems. Konkret geht es um die modulare Hochdruck-Elektrolyse-Technologie der Dänen, mit der Nucera seine Position im wachsenden Markt für grünen Wasserstoff stärken will. Teil des Pakets sind neben dem geistigen Eigentum auch ein Testzentrum und ein Prototyp. Finanzielle Einzelheiten wurden nicht genannt.
Der Deal, dessen Abschluss für den Spätsommer geplant ist, steht noch unter dem Vorbehalt der Zustimmung durch den Insolvenzverwalter, bestimmte Gläubiger sowie die zuständigen Behörden. Green Hydrogen Systems hatte erst tags zuvor offiziell Insolvenz angemeldet, nachdem Restrukturierungsbemühungen ohne Erfolg geblieben waren. Bereits im Vorfeld war der Teilverkauf an Nucera angekündigt worden – ein Schritt, mit dem sich die Dortmunder frühzeitig technologische Schlüsselkompetenz sichern.
Im Vergleich mit PowerCell, Ballard Power & Co ist TK Nucera sicherlich ein weniger riskanter Wasserstoffplay im eigenen Depot, aber wie die vorherigen Ausführungen gezeigt haben, ist es noch ein langer Weg bis Wasserstoff einen großen Platz in der Wirtschaft einnimmt, daher brauchen Anleger, die bei Nucera einsteigen, einen sehr langen Atem, bis das Investment richtig Spaß macht. Seit rund einem Jahr läuft der Kurs zwischen 8 und 11 Euro seitwärts.
Gerade ist er wieder am unteren Ende der Spanne, was eine kleine Position rechtfertigt. Auf dem Weg Richtung 11 Euro kann sie dann immer mal wieder aufgestockt werden. Erst ein Ausbruch über 11 Euro würde dann bedeuten, dass TK Nucera auf dem Weg ist, den Durchbruch zu schaffen.
Bloom Energy: Flexible Technik für die Energiewende
Der US-Konzern mit Sitz im kalifornischen San Jose hat sich als Entwickler robuster Festoxid-Brennstoffzellen einen Namen gemacht. Das Unternehmen bietet modulare "Energy Server" an, die dezentral Strom erzeugen – und das mit bemerkenswerter technologischer Flexibilität: Die Systeme lassen sich nicht nur mit Erdgas oder Biogas betreiben, sondern auch mit Wasserstoff.
Besonders relevant wird diese Dualfähigkeit im Zuge der globalen Wasserstoffstrategien. Bloom setzt auf elektrolytische Umkehrbarkeit: Die gleiche Technik, die heute noch Gas effizient in Strom umwandelt, kann künftig Wasser per Elektrolyse zu grünem Wasserstoff spalten. Damit positioniert sich das Unternehmen als Brückentechnologie zwischen fossiler Energieversorgung und einer CO₂-neutralen Zukunft. Internationale Partner wie SK ecoplant und Equinix setzen zunehmend auf die skalierbaren Lösungen des Unternehmens – nicht zuletzt, weil sie sowohl kurzfristige Versorgungssicherheit als auch langfristige Dekarbonisierungsperspektiven bieten. Besonders für Rechenzentren eine optimale Lösung.
Die Amerikaner sind mit ihrer Zweigleisigkeit sehr gut unterwegs. Solange Wasserstoff zu teuer ist, laufen "Energy Server" mit Gas. Kommt der Zeitpunkt an dem Wasserstoff tatsächlich billiger ist, kann das System schnell umgerüstet werden. Ein klares Plus für Bloom Energy, dass auch schon große Versorger auf den Plan gerufen hat.
Die unentdeckte Perle für Rechenzentren!
Bloom Energy und American Electric Power haben Ende November 2024 einen Liefervertrag über bis zu 1 Gigawatt an Brennstoffzellenprodukten unterzeichnet. Dieser Vertrag ist die bisher größte kommerzielle Beschaffung von Brennstoffzellen von Bloom Energy und soll zur Versorgung von KI-Rechenzentren eingesetzt werden. Die Vereinbarung umfasst zunächst eine Bestellung von 100 Megawatt, mit weiteren Lieferungen ab 2025.
Bloom Energy und Chart Industries schließen Partnerschaft zur CO₂-Abscheidung
Der Brennstoffzellenhersteller Bloom Energy und der Anlagenbauer Chart Industries haben eine Kooperation im Bereich CO₂-Abscheidung angekündigt. Ziel ist es, nahezu emissionsfreien Strom aus Erdgas mithilfe von Brennstoffzellen zu erzeugen – vor allem für energieintensive Branchen wie Rechenzentren und Industrie.
Kern der Partnerschaft ist die Nutzung der CO₂-Abscheidungstechnologie von Chart Industries, die das hochreine Kohlendioxid verarbeitet, das bei den Prozessen von Bloom Energy entsteht. Deren Brennstoffzellensysteme produzieren CO₂ in höherer Konzentration, was die Abscheidung effizienter und kostengünstiger macht.
Die Unternehmen wollen modulare Energielösungen anbieten, die Kunden bei der Erreichung ihrer Klimaziele unterstützen.
Schon ohne Wasserstoff ein Trüffel
Bloom Energy hat seine Gewinnprognose für das Gesamtjahr 2025 bekräftigt. Für diesen Zeitraum erwartet das Unternehmen einen Umsatz zwischen 1,65 und 1,85 Milliarden US-Dollar. Böse Überraschung, wie man sie häufiger bei Nel und Konsorten erlebt, sind bei Bloom eher ausgeschlossen.
Das hohe KGV von 147 für das laufende Jahr mag Anleger zwar abschrecken, aber es soll im kommenden Jahr schon auf 48 fallen, was zeigt, wie gut die Amerikaner gerade unterwegs sind. Die Zweigleisigkeit von Bloom dürfte sich nicht nur für den Konzern, sondern auch für die Anleger auszahlen.
Fazit: Die Zeit ist noch nicht reif!
Wasserstoff steht in einigen Branchen an der Schwelle zur breiten Anwendung. Das erfordert aber immer noch hohe Investitionen in Infrastruktur, Technologieentwicklung und Skalierung. Langfristig könnte er jedoch zu einem Schlüsselrohstoff der klimaneutralen Weltwirtschaft werden – und damit auch für Unternehmen, Investoren und Volkswirtschaften strategisch an Bedeutung gewinnen.
Aktuell sollten Anleger aber genau hinschauen, wenn sie in Wasserstofftitel investieren, denn trotz aller Euphorie, großartiger Versprechen aus der Politik und hochtrabenden Erwartungen hat Wasserstoff den Durchbruch noch immer nicht geschafft. Erst wenn die Produktion wirklich günstig wird, dann können sich Anleger wieder mit dem Thema beschäftigen. Bis dahin gilt: "Ausnahmen bestätigen die Regel" und davon habe ich zwei genannt.
Bei den einstigen Highflyern gilt die Devise: Wenn die Technologie wirklich so gut und ausgereift ist, warum hat dann noch kein großer Konzern zugegriffen? Viel billiger als jetzt kann man sich eine Nel, Plug Power oder PowerCell nicht in den Konzern holen. Doch greift jemand zu? Nein! Deshalb sollten Anleger die Finger von den Aktien lassen.
Markus Weingran, Chefredakteur wallstreetONLINE Börsenlounge
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