Ernte ohne Käufer

    464538 Aufrufe 464538 0 Kommentare 0 Kommentare

    Amerikas Farmer bleiben auf der Ernte sitzen

    Millionen Tonnen US-Sojabohnen finden keinen Abnehmer, weil China die Importe gestoppt hat. Während Brasilien und Argentinien das Geschäft übernehmen, stapeln sich in den USA die Ernteberge.

    Für Sie zusammengefasst
    • China stoppt Sojaimporte, US-Farmer leiden massiv.
    • Brasilien und Argentinien übernehmen Sojaexporte.
    • US-Regierungshilfen verzögert, Frustration wächst.
    • Report: Platzt die Alles‑Blase?
    Ernte ohne Käufer - Amerikas Farmer bleiben auf der Ernte sitzen

    Für Amerikas Farmer ist dieser Herbst ein Albtraum. Die Erntemaschinen laufen auf Hochtouren, es wird voraussichtlich eine Rekordernte geben, doch die Sojabohnen bleiben in den Silos liegen. Zum ersten Mal seit mehr als 20 Jahren hat China, der mit Abstand wichtigste Käufer, keine einzige Tonne der neuen US-Ernte bestellt – ein Schritt, der in Washington als gezielte Machtdemonstration verstanden wird. Peking nutzt die Sojabohnen als Druckmittel im Handelsstreit mit den USA.

    In früheren Jahren kaufte China fast die Hälfte der gesamten US-Sojaexporte, Waren im Wert von etwa 12 Milliarden US-Dollar. Jetzt füllen sich im Mittleren Westen – dem sogenannten "Heartland" der USA, in dem bei den letzten Wahlen mit überwältigender Mehrheit für Donald Trump gestimmt wurde – die Lagerhallen, während die Preise auf ein Fünfjahrestief fallen.

    Doch auch dieser Preiseinbruch ist nicht genug, um chinesische Käufer zurückzugewinnen. Denn auch wenn US-Sojabohnen mittlerweile pro Bushel fast einen US-Dollar weniger kosten als die aus Argentinien oder Brasilien, kommen bei den US-Waren noch Zölle von 2 US-Dollar je Bushel hinzu, sodass sie dann doch wieder deutlich teurer sind.

    Schon jetzt müssen die US-Farmer ihre Ernte zu niedrigeren Preisen verkaufen als die Produktion sie gekostet hat. Noch tiefer können sie mit den Preisen nicht gehen. Caleb Ragland, Präsident der American Soybean Association, spricht von einer "überwältigenden Frustration" unter den Landwirten und warnt, dass die Verlagerung chinesischer Käufe nach Südamerika US-Farmer und ihre Familien empfindlich treffe.

    Brasilien und Argentinien springen als Lieferanten ein. Beide Länder profitieren massiv vom US-China-Konflikt: Nach der vorübergehenden Abschaffung von Exportsteuern hat Buenos Aires binnen Tagen Dutzende Schiffe mit Soja nach China verkauft. Gleichzeitig arbeitet Washington ironischerweise an einem milliardenschweren Hilfspaket für Argentinien – was viele Landwirte in den USA als Schlag ins Gesicht empfinden.

    Auch die jüngsten Entscheidungen in Washington helfen kaum weiter. Wegen des Regierungsstillstands liegen viele Programme des Landwirtschaftsministeriums (USDA) auf Eis: Kredite, Katastrophenhilfen und Zuschüsse werden nicht ausgezahlt. Für viele Betriebe, die ohnehin mit hohen Kosten für Dünger, Diesel und Saatgut kämpfen, ist das fatal. "Es kostet Geld, die Ernte einzufahren – und das fehlt uns jetzt", sagt Agrarökonom Chad Hart von der Iowa State University gegenüber Reuters.

    US-Präsident Trump hat versprochen, Teile der Zolleinnahmen als Hilfen an die Farmer auszuschütten. Rund 10 bis 14 Milliarden US-Dollar sollen in den kommenden Monaten fließen, vor allem an Sojaproduzenten. Doch ob das Geld rechtzeitig kommt, ist ungewiss – die Bürokratie steht ja still. 

    Unterdessen wächst der Frust auf dem Land. Die Farmer, die traditionell konservativ stimmen, fühlen sich von der Trump-Regierung im Stich gelassen. Sie hatten auf Unterstützung gehofft, aber genau das Gegenteil bekommen, bringt es ein Milchbauer auf den Punkt. Sie können nicht nur ihre Ernte nicht verkaufen, sondern vorerst auch nicht auf finanzielle Unterstützung aus Washington hoffen. Und eine Einigung mit China, die die erhofften milliardenschweren Bestellungen bringen könnte, ist nicht in Sicht.

    Tipp aus der RedaktionMit Derivaten lässt sich auch aus fallenden Kursen ein möglicher Gewinn ziehen – gegen größere Crashs hilft immer noch eine breite Streuung über verschiedene Assetklassen. SMARTBROKER+ bietet Ihnen eine breite Produktauswahl zu günstigen Konditionen, um sich in jeder Börsenphase gut zu positionieren.

     

    Die Krise zeigt, wie verletzlich Amerikas Agrarwirtschaft geworden ist. Ohne den chinesischen Markt fehlen Absatz, Liquidität und Perspektive. Denn die groß von der Regierung als "game changer" gefeierten Abkommen mit anderen Staaten, zum Beispiel mit Bangladesch oder Taiwan, sind bei genauerem Hinsehen höchstens ein Tropfen auf den heißen Stein. Taiwan hat unterm Strich zugesichert, über die nächsten vier Jahre im Schnitt ein Drittel weniger US-Soja zu kaufen als im vergangenen Jahr, und die Neubestellungen aus Bangladesch entsprechen etwa 1,5 Prozent des China-Geschäfts.

    Solange sich die beiden größten Volkswirtschaften der Welt gegenseitig belauern und es zu keiner Einigung im Zollstreit kommt, bleibt den Farmern im Mittleren Westen nur eins: abwarten und hoffen, dass ihre Ernte nicht verdirbt.

    Autor: Ingo Kolf, wallstreetONLINE Redaktion


    Reports
    Platzt die Alles‑Blase?



    wallstreetONLINE Redaktion
    0 Follower
    Autor folgen
    Mehr anzeigen

    Melden Sie sich HIER für den Newsletter der wallstreetONLINE Redaktion an - alle Top-Themen der Börsenwoche im Überblick! Verpassen Sie kein wichtiges Anleger-Thema!

    Für Beiträge auf diesem journalistischen Channel ist die Chefredaktion der wallstreetONLINE Redaktion verantwortlich.

    Die Fachjournalisten der wallstreetONLINE Redaktion berichten hier mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus den Partnerredaktionen exklusiv, fundiert, ausgewogen sowie unabhängig für den Anleger.

    Die Zentralredaktion recherchiert intensiv, um Anlegern der Kategorie Selbstentscheider relevante Informationen für ihre Anlageentscheidungen liefern zu können.

    NEU: Podcast "Börse, Baby!"

    Mehr anzeigen

    NEU: Podcast "Börse, Baby!"


    Verfasst vonRedakteurIngo Kolf
    Ernte ohne Käufer Amerikas Farmer bleiben auf der Ernte sitzen Millionen Tonnen US-Sojabohnen finden keinen Abnehmer, weil China die Importe gestoppt hat. Während Brasilien und Argentinien das Geschäft übernehmen, stapeln sich in den USA die Ernteberge.