"Weniger schmutzige Weste"
US-Dollar auf dem Vormarsch – Wird der Greenback wieder zum sicheren Hafen?
Nach einem schwachen ersten Halbjahr ist der US-Dollar auf einem deutlichen Erholungskurs. Hedgefonds wetten, dass der Aufschwung bis zum Jahresende anhalten wird.
- US-Dollar erholt sich stark trotz politischer Unsicherheiten.
- Hedgefonds wetten auf anhaltenden Aufschwung bis Jahresende.
- Starke Dollar könnte globale Märkte und Exporte belasten.
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Der US-Dollar hat sich in den letzten Wochen überraschend stark erholt und befindet sich auf einem zwei-Monats-Hoch, obwohl die politischen Unsicherheiten in den USA – darunter der Regierungsstillstand – weiterhin anhalten. Auf den globalen Devisenmärkten, auf denen täglich knapp 10 Billionen US-Dollar umsetzt werden, war der Greenback bis vor kurzem ein Hauptziel für Pessimisten. Doch inzwischen scheint die Devise zu ihrer Stärke zurückzufinden, und viele Hedgefonds wetten darauf, dass der Aufschwung bis zum Jahresende fortgesetzt wird.
Ein wichtiger Treiber für den jüngsten Anstieg sind ausländische Entwicklungen. Der Euro und der Yen haben sich in den letzten Wochen schwach entwickelt. Die politische und wirtschaftliche Unsicherheit in Frankreich und Japan hat dem US-Dollar zusätzlichen Auftrieb gegeben. Auch die Kommentare von Fed-Vertretern, die mit vorsichtigen Zinssenkungen die US-Wirtschaft ankurbeln wollen, haben das Vertrauen in die Währung gestärkt.
Je länger die Stärke anhält, desto schmerzhafter wird es für diejenigen, die auf einen weiteren Rückgang des Greenback wetten, wie die US-Großbanken Goldman Sachs, JPMorgan und Morgan Stanley. Sollte sich der Aufwärtstrend fortsetzen, könnte dies Auswirkungen auf die gesamte Weltwirtschaft haben. Beispielsweise könnte es für andere Zentralbanken schwerer werden, ihre Geldpolitik zu lockern. Zudem könnten die Rohstoffkosten in die Höhe getrieben werden, da diese häufig in US-Dollar gehandelt werden.
Eine rasche Dollar-Stärkung könnte einige der beliebtesten Trades des Jahres zunichtemachen und die optimistischen Erwartungen für Aktien und Anleihen aus Schwellenländern im letzten Quartal torpedieren. Auch amerikanische Exporteure würden unter der starken Landeswährung leiden.
Die Zahl der Wetten großer Hedgefonds gegen den US-Dollar ist seit den Sommermonaten deutlich gesunken. Gleichzeitig stieg die Nachfrage nach bullishen Dollar-Wetten, insbesondere gegenüber dem Euro und Yen, zeigen die jüngsten Daten US-Regulierungsbehörde für Future- und Optionsmärkte (CFTC).
Ein Schlüsselfaktor bleibt auch die Federal Reserve. Während die Märkte weiterhin Zinssenkungen bis zum Jahresende einpreisen, gibt es zunehmende Hinweise darauf, dass die Leitzinsen möglicherweise gar nicht gesenkt werden können oder nur in geringerem Maße. Einige Fed-Vertreter äußern sich zunehmend zurückhaltend hinsichtlich weiterer Zinssenkungen. "Die Märkte haben zu stark auf deutliche Zinssenkungen durch die Fed gesetzt, aber mit dem relativ stabilen Arbeitsmarkt wird es schwer, diese Erwartung zu erfüllen", sagt Ed Al-Hussainy, Portfoliomanager bei Columbia Threadneedle, gegenüber Bloomberg. Zudem halte sich die Inflation hartnäckig.
Die politischen Unsicherheiten in anderen Ländern lassen den US-Dollar im Vergleich als einen sichereren Hafen erscheinen, was die Nachfrage nach der Währung weiter antreibt. In Frankreich hält sich die politische Krise, die den Euro belastet, und in Japan drükt die Aussicht auf eine mögliche neue Premierministerin und die damit verbundenen inflationsfördernden Maßnahmen den Yen weiter abwärts. Carol Kong, Strategin bei der Commonwealth Bank of Australia, sagt: "Der US-Dollar ist relativ gesehen die 'weniger schmutzige Weste' im Wäschekorb der Weltwährungen."
Trotz der zuletzt positiven Entwicklung für den US-Dollar und der Hedgefonds-Wetten auf weitere Gewinne, ist eine Fortsetzung des Aufwärtstrends keineswegs gesichert. Sollte sich die US-Arbeitsmarktsituation verschlechtern und neue Arbeitsmarktdaten ausbleiben – wie dies aufgrund des Regierungsstillstands der Fall ist – könnte dies den Short-Dollar-Handel erneut anheizen.
Ein weiteres Risiko für den US-Dollar bleibt zudem, dass Investoren aufgrund wachsender fiskalischer Bedenken lieber auf Bitcoin und Edelmetalle setzen als auf den Greenback. Eine zunehmende Besorgnis über die US-Staatsverschuldung und die Zinspolitik könnte Investoren dazu bewegen, ihre Mittel in weniger konventionelle Währungen oder Anlageklassen umzuschichten.
Der Anstieg des US-Dollar wird von einer breiteren Marktstimmung vorangetrieben, wonach die Devise als das "geringste Übel" betrachtet. Während Hedgefonds und Optionstrader zunehmend auf den Greenback setzen, bleibt abzuwarten, ob der Rest der Märkte mitzieht. In jedem Fall könnte die Dollar-Stärke neue Herausforderungen für US-Exporteure, Rohstoffimporteure und aufstrebende Märkte schaffen, die auf die Währung angewiesen sind.
Autor: Ingo Kolf, wallstreetONLINE Redaktion
