Lage wird falsch eingeschätzt
Warum eine Zinssenkung der US-Notenbank ein riesiger Fehler wäre
Die geplante Zinssenkung der Fed könnte sich als schwerwiegender Fehler erweisen. Neue Forschungen zeigen, dass die Arbeitsmarktdaten aktuell von fast allen Experten falsch interpretiert werden.
- Zinssenkung der Fed könnte Fehler sein, Experten warnen.
- Arbeitsmarktdaten werden von vielen falsch interpretiert.
- Inflation bleibt hoch, Zinssenkung könnte schädlich sein.
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In weniger als zwei Wochen wird die US-Notenbank (Fed) die Zinsen aller Voraussicht nach erneut senken. An den Märkten, die von einem Rekordhoch zum nächsten eilen, ist die Hoffnung darauf längst eingepreist. Laut dem CME-FedWatch-Tool wird die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung auf etwa 96 Prozent geschätzt. Dabei übersehen die Experten jedoch einen entscheidenden Faktor.
Neueste Erkenntnisse des Federal Reserve Bank of Dallas werfen ernsthafte Zweifel an der aktuellen Einschätzung der US-Arbeitsmarktlage durch die US-Notenbank und viele Wirtschaftsexperten auf. Wenn die Analyse korrekt ist, könnte eine vorzeitige Zinssenkung die Inflation anheizen und die wirtschaftliche Stabilität der weltgrößten Volkswirtschaft gefährden.
Die Fed hat den Leitzins bereits im letzten Monat um 0,25 Prozentpunkte auf 4 bis 4,25 Prozent gesenkt. Viele Marktteilnehmer, die US-Regierung und sogar einige Fed-Mitglieder erwarten, dass die Zinsen Ende des Monats weiter gesenkt werden. Präsident Donald Trump fordert weiterhin drastische Zinssenkungen, während seine jüngste Fed-Ernennung, Stephen Miran, ebenfalls für eine schnellere Lockerung der Geldpolitik plädiert. Die Begründung: Der US-Arbeitsmarkt schwächelt, und eine Zinssenkung könnte das Wirtschaftswachstum ankurbeln, selbst wenn die Inflation weiterhin über dem Zielwert der Fed liegt.
Doch diese Einschätzung basiert auf einem Fehlschluss, sagt Dallas-Fed-Volkswirt Anton Cheremukhin. Denn dabei werden die Auswirkungen der strengen Einwanderungspolitik der Trump-Regierung ignoriert, die zu einem dramatischen Rückgang der Einwanderung geführt hat. Seit Amtsantritt von Trump sind etwa 300.000 Menschen aus den USA "selbst-deportiert" oder wurden deportiert. Diese massive Veränderung der Migrationsströme hat direkte Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, da weniger neue Arbeitskräfte in die Wirtschaft strömen, also weniger neue Stellen notwendig sind.
Laut Cheremukhin braucht die US-Wirtschaft nun weitaus weniger Arbeitsplätze pro Monat, um die neu eintreffenden Arbeitskräfte zu integrieren und die Arbeitslosigkeit zu stabilisieren. Die Anzahl der Arbeitsplätze, die monatlich geschaffen werden müssen, um mit dem Wachstum der Erwerbsbevölkerung Schritt zu halten, ist seinen Berechnungen zufolge von 250.000 im Jahr 2023 auf etwa 30.000 im Jahr 2025 gesunken. Dies bedeutet, dass moderate Zuwächse bei den Arbeitsplätzen, die 2023 noch als besorgniserregend galten, jetzt ein Zeichen für einen stabilen und ausgewogenen Arbeitsmarkt sind.
Die Arbeitslosenquote, nicht die monatlichen Beschäftigungszahlen, sei nun ein viel besserer Indikator für die Gesundheit des Arbeitsmarkts, so Cheremukhin weiter. Die von der Fed herangezogenen Arbeitsmarktdaten vermittelten also ein verzerrtes Bild der realen Lage. In Wirklichkeit sei die Lage deutlich stabiler. Für die Einschätzung, ob die Zinsen gesenkt werden müssen, sei also deutlich wichtiger, dass die Inflation so hartnäckig bleibt.
Und die zeigt klar, dass eine Zinssenkung unter den derzeitigen Bedingungen falsch wäre. Der Verbraucherpreisindex lag zuletzt bei 2,9 Prozent, was immer noch deutlich über dem angestrebten Ziel der Fed von 2 Prozent liegt. Noch besorgniserregender ist jedoch die jüngste monatliche Inflationsrate: Zwischen Juli und August stiegen die Preise annualisiert um 4,9 Prozent! In normalen Zeiten würde die Fed angesichts solcher Preissteigerungen niemals an eine Zinssenkung denken.
Dass sie es trotzdem tut, liegt zum einen an den falsch eingeschätzten Job-Daten und zum anderen an dem enormen politischen Druck, den US-Präsident Donald Trump auf die Fed ausübt. Trump hat nicht nur öffentlich eine aggressive Zinssenkung gefordert, sondern auch bereits versucht, Fed-Gouverneure zu entlassen, die sich seinen Wünschen widersetzten.
Die Entscheidung der Fed, den Leitzins erneut zu senken, könnte sich als großer Fehler herausstellen. Eine solche Maßnahme würde in einer Zeit überhöhter Inflation und unsicherer wirtschaftlicher Verhältnisse nur die bestehenden Probleme verschärfen. Statt die Zinsen weiter zu senken, sollte die Fed auf eine sorgfältigere Analyse der Arbeitsmarktdaten setzen und sicherstellen, dass die realen Ursachen für die Beschäftigungsentwicklung – wie die Veränderung der Migrationsströme – richtig bewertet werden.
Eine Zinssenkung zum jetzigen Zeitpunkt könnte die Inflation weiter anheizen und das Vertrauen der Investoren in die Stabilität der US-Wirtschaft gefährden.
Autor: Ingo Kolf, wallstreetONLINE Redaktion


