Stablecoins
Die Risiken der vermeintlichen Finanzrevolution
Stablecoins sollen die Zukunft des digitalen Finanzwesens sein. Doch die Risiken sind groß und letztendlich könnten sie die Dominanz des US-Dollars zementieren. Es gibt Alternativen.
- Stablecoins könnten US-Dollar-Dominanz verstärken.
- Risiken für Banken: weniger Kreditvergabe möglich.
- Tokenisierte Bankeinlagen bieten sicherere Alternativen.
- Report: Platzt die Alles‑Blase?
Stablecoins werden oft als die Lösung für viele Probleme des Finanzsystems gefeiert. Diese digitalen Währungen, die an den US-Dollar oder andere stabile Währungen gebunden sind, sollen den internationalen Zahlungsverkehr beschleunigen, als Zahlungsmittel dienen und eine neue Form von Kapital darstellen. Doch in einer Welt wachsender US-Schulden und geopolitischer Spannungen könnten sie langfristig mehr Schaden als Nutzen anrichten.
Stablecoins werden als Zahlungsmittel für grenzüberschreitende Transaktionen und als Stabilisator für die US-Treasuries gefeiert. Insbesondere die US-Regierung hofft, durch sie die Nachfrage nach US-Staatsanleihen zu steigern und so die Staatsverschuldung besser in den Griff zu bekommen.
Tatsächlich könnten Stablecoins den Finanzmarkt kurzfristig ankurbeln, aber sie bergen geopolitische Risiken, da sie die Dollar-Hegemonie weiter verstärken könnten, warnt der erfahrene Finanzstratege Ed Butchart. In einer Welt, in der viele Länder versuchen, sich von der US-amerikanischen Dominanz zu befreien, würde eine verstärkte Nutzung von Stablecoins durch US-Dollar-Backing die Abhängigkeit von den USA nur weiter zementieren.
Denn derzeit sind 99 Prozent aller Stablecoins an den US-Dollar gekoppelt. Skeptiker der Token weisen vor diesem Hintergrund darauf hin, dass die US-Währung in den letzten Jahren immer wieder als "Waffe" eingesetzt wurde.
Ein weiteres Problem, das auch die Experten von Deutsche Bank Research schon angesprochen haben, ist die mögliche Konkurrenz von Stablecoins zu Bankeinlagen. Wenn Gelder von traditionellen Bankeinlagen in Stablecoins umgewandelt werden, stehen den Banken weniger Mittel zur Kreditvergabe zur Verfügung. Das könnte die Kreditvergabe an Unternehmen und Verbraucher einschränken und das Wachstum bremsen.
Eine Studie der Federal Reserve Bank of Kansas City zeigt, dass jeder Abfluss von 1 US-Dollar in Stablecoins zu einem Rückgang der Kreditvergabe um 50 Cent führen könnte. Stablecoins könnten somit den Bankenmarkt destabilisieren und das wirtschaftliche Wachstum gefährden.
Der Versuch, Stablecoins als Zusatzquelle für die Nachfrage nach US-Treasuries zu verkaufen, bleibt ebenso fraglich. Stablecoin-Emittenten wie Tether und Circle halten derzeit nur etwa 125 Milliarden US-Dollar an Treasuries, was gerade einmal 2 Prozent des Marktes ausmacht. Der Einfluss von Stablecoins auf den US-Schuldenmarkt ist also überschaubar. Auch wenn Stablecoins in Zukunft wachsen sollten, wird ihre Bedeutung für den Treasury-Markt von der US-Regierung überschätzt. Sie können die traditionellen Großinvestoren wie China und Japan nicht ersetzen.
Im Gegensatz zu Stablecoins könnten hingegen tokenisierte Bankeinlagen großes Potenzial haben, sagt Butchart. Diese digitalen Repräsentationen von realen Bankeinlagen könnten die Vorteile von Stablecoins bieten, aber innerhalb der bestehenden Bankinfrastruktur bleiben, auf zentralisierten Konten gespeichert werden und den Austausch von Zahlungen zwischen Banken ermöglichen. Sie liefern also mehr Sicherheit und mehr Diversifikation, während sie gleichzeitig weniger geopolitische Risiken mit sich bringen.
Derzeit gibt es keine offensichtlichen börsennotierten Vehikel, um das Potenzial tokenisierter Bankeinlagen zu nutzen. Eine Fraktionierung realer Vermögenswerte (wodurch Anleger Anteile großer oder illiquider Vermögenswerte kaufen könnten) könnte jedoch interessante Investment-Möglichkeiten bieten, sagte Butchart kürzlich im Interview mit MarketWatch. Denkbar wäre beispielsweise ein tokenisiertes Wertpapierportfolio, das Zugang zu realen Vermögenswerten – wie einem Windpark oder einem Kunstwerk – bietet, die für Anleger zuvor außer Reichweite lagen.
Obwohl Stablecoins als Finanzrevolution gefeiert werden, zeigen die Risiken, dass ihre Vorteile unter Umständen überschätzt werden. Ihre Auswirkungen auf die geopolitische Stabilität, die Kreditvergabe und die US-Schuldenfinanzierung könnten langfristig schädlich für die Finanzmärkte sein. Sie könnten auch die Dominanz des US-Dollars zementieren, von der viele Länder eigentlich gerne loskommen würden.
Autor: Ingo Kolf, wallstreetONLINE Redaktion

