Warnung von Powell
Der private Konsum ist weitaus wichtiger als alle KI-Ausgaben zusammen
Amerikas Wirtschaft steht auf wackligen Beinen. Fed-Chef Powell hat nach der jüngsten Zinssenkung eine beunruhigende Wahrheit ausgesprochen: Nicht KI, sondern der Konsum hält die Wirtschaft am Laufen. Und da hapert es.
- Konsum treibt US-Wirtschaft, nicht KI-Investitionen.
- Wohlhabende Haushalte stützen Wachstum, andere sparen.
- Ungleichheit gefährdet Wirtschaft, Warnsignale mehren sich.
- Report: Platzt die Alles‑Blase?
Der Aufschwung der USA steht auf einem dünnen Fundament. Nicht KI-Investitionen oder Produktivität, sondern die Ausgaben der Verbraucher treiben das Wachstum. Und genau diese geraten immer mehr aus dem Gleichgewicht.
Nach der jüngsten Zinssenkung der US-Notenbank Federal Reserve sprach Jerome Powell über die Zukunft der amerikanischen Wirtschaft. Doch zwischen den Zeilen steckte eine Warnung, die viele überhört haben:
"Der Konsum ist eine riesige Stütze der Wirtschaft – weit wichtiger als alle (Produktivitätsgewinne) durch KI zusammengenommen", sagte Powell. Die Verbraucherausgaben seien zwar entgegen einigen Prognosen zuletzt weiter gewachsen, dies dürfte jedoch hauptsächlich auf die wohlhabenderen Verbraucher zurückzuführen sein, warnte er.
Während an der Börse alle Augen nur auf die gewaltigen KI-Investitionen gerichtet sind und auf die erhofften Effizienzsprünge durch weniger Personalaufwand, schnellere Prozesse und neue Geschäftsfelder, rät der Fed-Chef zu Vorsicht. Die KI kann Produktivität, Profitabilität und Marktmacht vieler Konzerne massiv steigern, ist letztendlich aber nur ein Teil der Gesamtwirtschaft. Der wichtigste Faktor aber ist und bleibt der private Konsum.
Die privaten Verbraucherausgaben der Haushalte machen rund 70 Prozent der gesamten US-Wirtschaftsleistung (BIP) aus. Das bedeutet: 7 von 10 US-Dollar, die in den USA erwirtschaftet werden, stammen direkt oder indirekt aus dem Konsum der privaten Haushalte – etwa durch Ausgaben für Wohnen, Lebensmittel, Freizeit, Reisen, Gesundheit oder Dienstleistungen.
Die Investitionen (inklusive KI) belaufen sich offiziellen US-Angaben (U.S. Bureau of Economic Analysis) zufolge aktuell auf knapp 19 Prozent des BIP. Seit Jahrzehnten bewegen sie sich in einer engen Spanne zwischen 17 und 21 Prozent, und auch die gewaltigen Milliardensummen von Nvidia, OpenAI und Microsoft haben daran bislang nichts geändert. Auf Unternehmensinvestitionen in Technologie, inklusive KI, entfällt ein noch einmal deutlich geringerer Anteil am BIP, sie machen schätzungsweise nur etwa 3 bis 5 Prozent davon aus.
Das macht die überwältigende Bedeutung der Verbraucherausgaben für die US-Wirtschaft deutlich – selbst wenn die KI derzeit für enorme Schlagzeilen an den Finanzmärkten sorgt. Was Powell jetzt mit seiner Bemerkung zum Konsum andeutet, ist, dass die obersten Einkommensschichten inzwischen den Löwenanteil der Ausgaben tragen. Während die oberen Zehn Prozent weiter in Luxus reisen, essen gehen und investieren, ziehen sich jüngere und ärmere Haushalte zurück.
Das bestätigt etwa der US-Restaurantkonzern Chipotle, der in der vergangenen Woche seine Zahlen vorlegte. Firmenchef Scott Boatwright berichtete, dass Kunden mit einem Einkommen unter 100.000 US-Dollar ihre Ausgaben deutlich zurückgefahren haben – und gerade diese Kunden sind für die Kette besonders wichtig. Überdurchschnittlich stark betroffen ist die Altersgruppe der 25- bis 35-Jährigen. "Dieses Verhalten sehen wir überall – in unseren Restaurants, aber auch in anderen Konsumbereichen", so Boatwright.
Der Grund sind gestiegene Lebenshaltungskosten, schwächeres Lohnwachstum und hohe Studienkredite, die abgezahlt werden müssen. Hinzu kommt, dass junge Amerikaner häufiger ihren Job verlieren. Laut dem Bureau of Labor Statistics liegt die Arbeitslosenquote bei den 20- bis 24-Jährigen bei 9,2 Prozent, dem höchsten Stand seit Anfang 2021.
Während also die breite Bevölkerung spart, stützen die Reichen die Konjunktur – noch. Laut einer Erhebung von TD Securities zeigen Haushalte mit hohem Einkommen derzeit kaum Sparabsichten, während Mittel- und Geringverdiener zunehmend "wirtschaftliche Angst" empfinden. Auch das Verbrauchervertrauen gibt nach. Der Consumer Confidence Index des Conference Board fiel im Oktober erneut. Die Hauptsorgen: Jobs, Inflation und teure Kredite. Powell räumte ein, dass die Wirtschaft zwar noch stabil wirke, aber "die Stärke ungleich verteilt" sei.
Damit spricht der Fed-Chef ein Problem an, das tief in die US-Wirtschaft hineinreicht. Wenn Konsum und Wachstum fast ausschließlich von den Reichsten abhängen, entsteht eine gefährliche Schieflage. Denn sollten diese "High-End-Consumer" ihre Ausgaben auch nur leicht drosseln – etwa bei sinkenden Aktienkursen oder schwächerer Vermögensentwicklung – könnte der Motor der US-Wirtschaft ins Stottern geraten.
"Wir beobachten sehr, sehr, sehr genau, dass Unternehmen zunehmend Einstellungsstopps und Entlassungen ankündigen", erklärte Powell. Große Arbeitgeber wie Amazon und UPS haben bereits Stellen abgebaut. Noch zeigen die Daten kein breites Jobproblem – doch die Warnsignale mehren sich.
Powells Worte waren mehr als eine Randbemerkung – sie sind eine Mahnung an Politik und Märkte. Wenn der private Konsum, der rund 70 Prozent der US-Wirtschaft ausmacht, nur noch von den Wohlhabenden getragen wird, verliert das amerikanische Wachstumsmodell seine Basis.
Künstliche Intelligenz mag Schlagzeilen machen. Doch ohne eine gesunde, breite Mittelschicht, die konsumiert, kann selbst die beste Technologie die US-Wirtschaft nicht retten.
Autor: Ingo Kolf, wallstreetONLINE Redaktion



