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     3328  0 Kommentare Na bitte!


    Erinnerungen an den großen Crash

    Gerade aus dem Urlaub zurück, schaue ich in die Zeitung. Na bitte – so in etwa habe ich mir das vorgestellt.

    Und jetzt? Ist es das schon? Oder geht es jetzt erst richtig los? Bekommen wir noch einen Crash – oder ist das nur eine normale Korrektur?

    Ich habe bisher zwei Versionen eines Crash durchgemacht. Die eine fängt moderat an – und dann gibt es einen Knall. Die andere fängt ebenfalls moderat an – doch es gibt keinen Knall, sondern es passiert viel Schlimmeres, denn die Kurse gehen über Jahre hinweg Stück für Stück weiter zurück. Der Modellfall für Ersteres ist 1987, für Letzteres 2000. Neulich habe ich geschrieben „Wie im Jahr 2000“, doch das bezog sich ausschließlich auf das tatsächliche Wahrnehmen von vorher nur unterschwellig Wahrgenommen. Das ist jetzt passiert.

    Dass die Entwicklung nun weiter geht wie in den Jahren 2000 ff. halte ich für unwahrscheinlich. Ich denke eher, dass wir noch einen Knall bekommen – oder mehrere – und dann uns erst einmal stabilisieren.

    Irgendwie kommen in diesen Tagen stets die Erinnerungen aus 1987 in mir hoch. Es war ja damals nicht so, dass der Crash aus heiterem Himmel passiert ist. Die Malaisen schimmerten schon seit langer Zeit hindurch – wie heute. Die Zinsen waren schon länger gestiegen, der Dollar hing heftig durch und die Aktien waren ebenfalls angefressen. Ich besaß damals große Mengen amerikanischer Aktien und hatte irgendwie ein dummes Gefühl, war aber noch nicht so weit wie heute, wo ich auf derartige dummen Gefühle sofort reagiere.

    An dem Tag, an dem in New York die Kurse um über 20 Prozent fielen, bin ich nachmittags mit mulmigem Gefühl aus dem Haus gegangen. Ich traf auf einen Freund, der bei einem der damals beliebten „Flugzeugspiele“ mitgemacht hatte und jetzt zu einem Treffen ging, wo er sich die Sicherheit darüber abholen konnte, 1.000 DM verloren zu haben. „Wie dumm man seien kann“, habe ich innerlich gespöttelt, denn es war ja zu klar, dass man bei so einem Spiel verlieren musste.

    Dass ich selbst jedoch ebenfalls einem teuflischen Spiel aufgesessen war, ahnte ich damals noch nicht. Am Ku´damm in Berlin hatte eine Bank einen Reuters-Monitor aufgestellt. Hier trafen sich alle Interessierten. Und was ich dort erlebte, werde ich mein Leben lang nicht vergessen. Dass der Dow an einem Tag über 20 Prozent verlieren konnte, war damals unvorstellbar. Und ist es heute sicherlich auch. Trotzdem ist es passiert. Heute freilich gibt es Wellenbrecher – und ich glaube daher nicht, dass es eine Wiederholung von 1987 geben könnte, die dem Original gleicht.

    Vielleicht läuft es eher ab wie 1998? Beim Russland- und LTCM-Crash, habe ich gerade in Frankreich in einem Schloss gewohnt. Da habe ich per Telefon dick geordert, was sich im Endeffekt auch sehr gut gerechnet hat. Heute würde ich das allerdings wohl nicht mehr so beschwingt und gutgläubig tun.

    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
    Na bitte! Erinnerungen an den großen Crash Gerade aus dem Urlaub zurück, schaue ich in die Zeitung. Na bitte – so in etwa habe ich mir das vorgestellt. Und jetzt? Ist es das schon? Oder geht es jetzt erst richtig los? Bekommen wir noch einen …