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     2834  0 Kommentare Mäusescheiße im Dunkeln



    Die Märkte in Extremsituationen

    „Eine einzige Regel bestimmt mein Handeln: Sei ängstlich, wenn alle gierig sind, und sei gierig, wenn alle ängstlich sind.“ Das meint im Augenblick Warren Buffett, der momentan groß zum Einstieg in die Märkte trommelt. Ich habe das schon lange für mich verinnerlicht, kenne es aber von Jim Rogers. Der sagt, man muss die Panik kaufen und die Euphorie verkaufen.

    Noch interessanter als die Aktienmärkte sind für mich derzeit die Bondmärkte. Überall gibt es momentan noch Kurzläufer deutscher Banken oder Hypothekeninstitute, die noch ein paar Monate laufen und zwischen 95% und 98% des Nominalwertes kosten. Darüber liegt die sichernde Hand des Staates. Besseres und sichereres Geld kann man derzeit gar nicht verdienen.

    Aber auch die Aktien der Versorger bringen Dividendenrenditen zwischen 5 % und 7 % p.a.. Das ist das Doppelte einer Bundesanleihe. Anscheinend haben hier viele die Angst, dass der Börsencrash zum generellen Ausschalten des Stroms führt. Bei uns in der Familie hätte man früher in vergleichbaren Fällen gesagt: Die riechen ja Mäusescheiße im Dunkeln.

    Oder was ist mit der Euro-Anleihe der Ukraine? Sie läuft bis 2015 und hat einen Coupon von 4,95 %. Derzeit kann man sie zu einem Kurswert von unter 50% des Nominalwertes kaufen. Die Rendite liegt bei etwa 19% p.a.. Ob der Westen dieses Land tatsächlich pleite gehen lassen könnte? Ich halte das für vollkommen ausgeschlossen.

    Natürlich weiß ich nicht, was mit all diesen Engagement in den nächsten Tagen und Wochen wird. Vielleicht halbieren sie sich noch einmal. Vielleicht steigen sie auch schnell wieder. Wichtig ist für mich allein, was in einem Jahr oder in zwei oder drei Jahren dabei herausgekommen ist. Dann wird man mir das, was ich jetzt in der Panik aufgenommen habe, zu viel höheren Kursen dankbar wieder abnehmen. Im Grunde genommen bin ich also nichts anderes als ein Lastenträger.

    Wie das geht, wenn man sich plötzlich auf ein neues Niveau anpassen muss, dafür habe ich gestern selbst ein sehr anschauliches Beispiel erlebt. Sie können es gerne einmal nachvollziehen. Nach dem Tanken stelle ich bei meinem Auto den Anzeiger des Durchschnittsverbrauch wieder auf 0. Kurz bevor ich losfahre, springt er plötzlich auf 99,9. Danach geht es 50 Meter weit bis zur nächsten Ampel. Die Anzeige fällt jetzt wie der Dow in der letzten Handelsstunde. Als ich an der Ampel angekommen bin, steht er auf 18,8. Die Ampelphase dauert lange und während des Stehens steigt er langsam bis auf 25,5. Was für ein Irrsinn, denke ich.

    Anschließend kommt er immer weiter herunter – und als ich meinen kleinen Schleichweg am See entlang schließlich hinter mir habe, ist er sogar bei 7,7 angekommen. Das neue Niveau ist erreicht. Und nur das ist wichtig. Oder hätte ich das Auto bei der Augenblicksaufnahme eines Benzinverbrauchs von 99,9 oder 25,5 Litern pro Kilometer voller Frust stehen lassen und schnell verkaufen sollen?

    So – und jetzt mache ich eine kleine Urlaubspause. Mein Portfolio ist gut gefüllt, aber es liegen noch einige Orders auf Idioten-Niveau deutlich unter den gegenwärtigen Kursen. Eigentlich würde ich mich freuen, wenn auch die noch aufgehen. Denn ich schaue ja sowieso nicht hin. Bis dann also – nach dem Krieg um 13 Uhr, wieder an dieser Stelle hier.



    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
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