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     3112  0 Kommentare Kontraindikator



    Der Zustand der größtmöglichen Verwirrung

    Meine Ausführungen der letzten Woche haben wieder einmal trefflich meine Eignung als Kontraindikator gezeigt: In dem Moment, in dem ich selbst dem Pessimismus verfalle, ist meistens das Schlimmste erst einmal vorbei. Da ich das mittlerweile jedoch weiß, versuche ich zunehmend, absichtlich genau das zu tun, was ich eigentlich nicht glaube, was natürlich nicht immer leicht ist, weil das Nichtglauben des eigenen Glaubens ja selbst wieder ein Glauben ist ...

    In der letzten Woche hat das ganz gut geklappt. So habe ich keine Positionen heraus gegeben und auch keine Puts, sondern Calls gekauft. Doch ich fürchte, an dieser Stelle nichts Substantielles für die nahe Zukunft von mir geben zu können. Aus diesem Grunde hören Sie am besten an dieser Stelle auf, weiter zu lesen. Ab jetzt wird es nämlich nur noch verwirrend.

    Die Rallye an den Märkten wird weitergehen oder nicht. Das ist die einhellige Meinung der Analysten und des Marktes, der ich mich voll und ganz anschließe. Ansonsten gehen mir lauter Dinge durch den Kopf, die allesamt nicht zusammen passen.

    Während die Aktien der US-Banken um 40 % in einer Woche ansteigen, sinken die Indices der Asset Backed Securities (ABS) auf neue dramatische Alltime Lows. Manche ABS Fonds hingegen erreichen simultan neue Höchststände. Die Schweiz verprügelt die eigene Währung und das Gold gerät unter Druck. Vom Allerschlimmsten redet niemand mehr. Die Kreditversicherungen für Banken sind jedoch weiterhin teurer als die für Industrieunternehmen, die sich jetzt billiger finanzieren können als die Banken. Und die Versicherungen für Nationalstaaten befinden sich auf dramatischen Höhen, obwohl ihre Papiere zu historischen Niedrigzinsen nur so aufgesogen werden.

    Die ersten Elliottwellen-Theoretiker fangen an, ihre Charts verkehrt herum zu drehen und sehen bald wieder steigende Kurse, wohingegen die Fundamentalisten rabenschwarz werden. Seitdem wir uns alle nur noch mit Amokläufen beschäftigen, ist der Amoklauf an den Märkten vorerst gestoppt. Vor Nachahmungstätern wird jedoch gewarnt. Und was bedeutet es eigentlich, dass der Dax, der gegenwärtig bei 4.000 Punkten notiert, seit seiner Schaffung im Jahr 1987 beim damaligen Stand bei 1.000 Punkten bis heute nur 1.600 Punkte aufgrund von Kursgewinnen, aber 1.400 Punkte aufgrund von ausgeschütteten Dividenden zugelegt hat?

    Versteht überhaupt irgend jemand wirklich, was wir hier tun und was mit uns passiert? Mir drängt sich immer mehr der Eindruck auf, dass die einen die Dinge richtig und die anderen die Dinge falsch verstehen, aber dass man immer erst im Nachhinein feststellen kann, wer zur einen und wer zur anderen Gruppe gehört hat. Aber vielleicht ist das ja nur ein Reflex der größtmöglichen Verwirrung.

    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
    Kontraindikator Der Zustand der größtmöglichen Verwirrung Meine Ausführungen der letzten Woche haben wieder einmal trefflich meine Eignung als Kontraindikator gezeigt: In dem Moment, in dem ich selbst dem Pessimismus verfalle, ist meistens das …