Die Quadratur des Irrsinns
Dass ich von der Charttheorie nichts halte, muss ich an dieser Stelle wohl nicht extra betonen. Das ultimative Experiment dazu habe ich bereits im Jahr 1997 in meinem Buch „Der Crash der Theorien“ vorgelegt und dort gezeigt, dass es in einem gewürfelten Chart haargenau die gleichen Chartformationen gibt wie in einem Aktienkurschart. Entweder ist also die Charttheorie sinnlos – oder aber man kann damit auch die Anzahl der Augen beim Würfeln voraussagen. Und das muss jeder für sich selbst entscheiden.
Ich bin jedoch bereit, einzugestehen, dass viele Chartformationen dennoch eine gewisse Aussagekraft haben, die sie aber ausschließlich im Zuge einer selbsterfüllenden Prophezeiung bekommen. Bei Charts, auf die die Handlungen Einzelner einen signifikanten Einfluss haben, wie bei Aktiencharts, kann es durchaus sein, dass durch das Hineinwirken der Prognose in ihren Gegenstandsbereich sie sich selbst wahr macht oder aber sich selbst verfälscht. Wenn genügend Marktteilnehmer an die Charttheorie glauben, werden sie sich danach richten – und so dieser Theorie zu einem gewissen Wahrheitswert verhelfen.
In der letzten Woche habe ich allerdings Dinge lesen, die mich tatsächlich am Verstand einiger Menschen zweifeln lässt. Dabei ging es um den Itraxx-Index, der ein aggregiertes Bild der Gesamtlage an den Kreditmärkten abbildet und einen Maßstab für die Einschätzung europäischer Unternehmensanleihen abgibt. Und da zitiert die alt ehrwürdige FAZ doch tatsächlich aus einer technischen Einschätzung der DZ Bank: „Charttechnisch hat sich das Bild zuletzt etwas eingetrübt und der Index ist mittlerweile signifikant nach oben aus dem abwärts gerichteten Trendkanal ausgebrochen.“ Und dann schreibt die FAZ: „Die Bank hält eine Fortsetzung dieser Tendenz für gut möglich.“ Ob es jetzt vielleicht auch bald Wettercharts gibt?
Kein Wunder, dass die Finanzmärkte beinahe zum Teufel gegangen sind, bei diesem Humankapital. Ich bin so fassungslos, dass mir nur ein einziges Vergleichsbeispiel einfällt. Es gibt auch heute noch Vertreter der Hohlwelttheorie, die glauben, dass wir in Wirklichkeit im Inneren einer großen Kugel leben. Und als Beweis hierfür führen sie an, dass doch bei allen unseren lange getragenen Schuhen die Sohle stets nach oben gebogen ist. Denn lebten wir tatsächlich auf der Außenseite, müssten sie doch schließlich nach unten gebogen sein. Wären sie etwas smarter, hätten sie vielleicht auch zusätzlich noch charttechnische Gründe nennen können.