Kehrtwende
China wirft US-Staatsanleihen auf den Markt
China war im letzten Jahr noch der größte staatliche Gläubiger der USA. Die Chinesen hielten amerikanische Staatstitel im Umfang von knapp 800 Milliarden Dollar. Inzwischen wendet das Reich der
Mitte dem US-Schatzpapieren aber den Rücken zu. Bis Dezember des letzten Jahres hat es bereits US-Anleihen im Wert von 34 Milliarden Dollar verkauft, während andere Staaten wie Japan und
Großbritannien weiter aufgestockt haben. Dies ist noch keine nennenswerte Summe, stellt aber gegenüber der bisherigen Politik eine eindeutige Kehrtwende dar. Es sieht alles danach aus, als wollten
sich die Chinesen Zug um Zug von ihren umfangreichen Engagements in den USA verabschieden.
Am Markt gibt es mehrere Theorien zu dieser Vorgehensweise. Die erste davon begründet Chinas Abkehr vom US-Anleihenmarkt mit den Spannungen zwischen den beiden Ländern, die sich mittlerweile
verschärft haben. Dabei geht es um so vielschichtige Themen wie die amerikanischen Waffenlieferungen nach Taiwan, Googles Protest gegen Chinas Internet-Zensur und den Besuch des Dalai Lama beim
amerikanischen Präsidenten. Daneben werfen die Vereinigten Staaten dem Reich der Mitte vor, ihre Währung zu manipulieren, und sich damit im Export Vorteile gegenüber amerikanischen Konkurrenten zu
verschaffen. Zwar stehen diese Zwistigkeiten zwischen den beiden Großmächten schon lange im Raum, und werden sich auf die Schnelle auch nicht beilegen lassen. Der Ton zwischen den beiden Staaten
ist zuletzt aber in der Tat etwas rauer geworden.
Eine zweite Hypothese besagt, dass China dem US-Anleihenmarkt nicht mehr traut, und hier erhebliche Verluste befürchtet. Falls dies so sein sollte, stünden die chinesischen Entscheidungsträger mit
dieser Meinung nicht alleine da. Es gibt viele Analysten, die für amerikanische Staatstitel in den kommenden Jahren einen regelrechten Kollaps erwarten. Zum einen sind die Staatsfinanzen der USA in
einem so schlechten Zustand wie seit dem zweiten Weltkrieg nicht mehr. Das Haushaltsdefizit wird allein in diesem Jahr auf einem Rekordniveau von 1,56 Billionen Dollar liegen. Dies macht
US-Schatztitel nicht gerade attraktiv, zumal die Rendite für Papiere mit 10jähriger Laufzeit weiterhin deutlich unterhalb von 4 Prozent liegt. Spätestens wenn die Wirtschaft wieder Tritt gefasst
hat, und die alten Inflationsängste wiederkehren, dürfte eine Massenflucht aus diesen Papieren eintreten. Die chinesische Regierung ist deshalb sicherlich gut beraten, bereits jetzt mit dem Abbau
von Positionen zu beginnen.