Egbert Prior: SAP gibt in der Wolke Gas

Die Erfolgsstory der Walldorfer Softwareschmiede setzt sich fort. Das 2. Quartal bescherte neue Rekordmarken und übertraf die Markterwartungen weit. In sämtlichen Regionen der Welt legte SAP zweistellig zu. Innovative Programme für mobile Endgeräte und Mietsoftware im Internet erweisen sich als  Wachstumstreiber. Zwischen Anfang April und Ende Juni kletterte der  Konzernumsatz um 15% auf 7,3 Milliarden Euro. Der operative Gewinn stieg allerdings nur unterproportional um 7% auf rund 1,6 Milliarden. Das hängt mit hohen Investitionen in das Angebot von Software für die sogenannte Cloud zusammen. Bei dieser Technologie befinden sich die Rechenprogramme nicht mehr vor Ort in den einzelnen Unternehmen, sondern werden dezentral, gewissermaßen auf einer Datenwolke, bereitgehalten. Die Mietsoftware im Internet gilt aktuell als der wichtigste IT-Trend. SAP läßt es in der Wolke richtig donnern. Für 4,3 Milliarden Dollar wollen die Walldorfer die amerikanische Firma Ariba, die größte Internethandelsplattform für Unternehmen, schlucken. Im Frühjahr legte SAP bereits 3,4 Milliarden Dollar für den kalifornischen Cloud-Spezialisten SuccessFactors auf den Tresen.

Fachleute gehen davon aus, daß das Geschäft mit Rechenprogrammen aus dem Internet in den kommenden Jahren fünfmal schneller wachsen wird als die Umsätze mit vor Ort installierter Software. SAP will seine Erlöse in der Cloud bis 2015 auf mindestens 2 Milliarden Euro hochfahren. Letztes Jahr betrug dieser Umsatz 18 Millionen. Mit welchen Hoffnungen die Rechenwolke in der IT-Welt verbunden wird, läßt sich an der Tatsache erkennen, daß das Gebot für Ariba, das zu den umsatzstärksten Gesellschaften in der Cloud gehört, dem gut 100fachen des operativen Gewinns entspricht. Auguren sagen dem Cloud-Computing voraus, die IT-Branche zu revolutionieren. Freilich gelingt es bislang erst wenigen Unternehmen, mit solchen Angeboten Geld zu verdienen. Für die nächsten fünf Jahre wird das Marktwachstum auf 40% p.a. geschätzt. Vergleichen Sie: Mit einem jährlichen Zuwachs von nur 2% tritt der IT-Markt insgesamt praktisch auf der Stelle. Einen großen Teil seines Wachstums verspricht sich SAP in den nächsten Jahren von der Wolke. Bis 2015 will das Flaggschiff der deutschen Softwarebranche die Erlöse von 14 Milliarden (2011) auf mehr als 20 Milliarden schrauben. Vergangenes Jahr investierte SAP knapp 2 Milliarden Euro für die Forschung und Entwicklung neuer Produkte, Speicher und Datenbanksysteme. Den größten Wachstumsschub verspricht man sich in China, dort sollen bis 2015 rund 2 Milliarden Euro investiert werden. Beim aktuellen Kurs von 48,79 Euro wird die Aktie mit einem KGV (2012) von etwa 16 bewertet. Angesichts der exzellenten Wachstumsaussichten keinesfalls zu teuer. Nach jahrelanger Seitwärtsbewegung nimmt das Papier langsam, aber sicher Kurs auf ein neues Allzeithoch. Seit Anfang 2000 liegt die Meßlatte bei gut 70 Euro.