Smart Investor Weekly 31/2012
Schäuble und Sinn – Wenn Wollen auf Können trifft
Sinn vs. Unsinn
Wolfgang Schäuble tut, was er gerne tut – er schulmeistert. Diesmal legt sich Schäuble mit einem der bedeutendsten Ökonomen des Landes, dem Präsidenten des Münchner ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn,
an und ist zumindest um seine Hau-drauf-Rethorik nicht verlegen: „Ich finde, Milchmädchen dürfen Milchmädchenrechnungen vorlegen. Bei Professoren sieht das schon anders aus.“ Was Schäuble so
verärgerte war, dass Sinn eine Berechnung vorlegte, bei der herauskam, was nach Meinung der Bettgenossen aus Politik und internationalem Bankwesen auf gar keinen Fall herauskommen durfte – dass ein
Austritt Griechenlands billiger käme, als dessen Verbleib in der Eurozone. Sinn gebührt alleine schon dafür Dank, dass er einmal explizit auch die Kosten des von der EU-Nomenklatura favorisierten
Szenarios „Schrecken ohne Ende“ berechnet hat. Denn die Studien, die ansonsten im Mainstream kursieren, bezifferen lediglich die Kosten eines Austritts („Ende mit Schrecken“) mit dem
politikfreundlichen Fazit: Bloß nicht!
Wenn man allerdings die Prognosen und Einschätzungen des Dr. Wolfgang Schäuble zur Geld- und Staatsschuldenkrise in den letzten Jahren Revue passieren lässt (z.B. „Die Rettungsschirme laufen aus.
Das haben wir klar vereinbart“, 24.7.2010), dürfte schnell klar sein, wer von den beiden das „Milchmädchen“ ist. Im Gegensatz dazu lag Prof. Sinn mit seinen Einschätzungen, insbesondere auch zur
Target2-Malaise, die er frühzeitig – und ebenfalls zum Mißfallen der selbsterkorenen Euro-„Retter“ – auf die Tagesordnung brachte, um Klassen besser.
Und weil Schäubles Argumente so schwach sind, offenbart er im trotzigen Nachsatz eine weitere Facette seines Denkens: „Mit der Autorität von akademischen Titeln und von wissenschaftlichen
Instituten, die mit viel Geld vom deutschen Steuerzahler subventioniert werden ist eine besondere Verantwortung verbunden.“ Offenbar hält Schäuble den alten Duckmäuser-Grundsatz „Wes Brot ich ess,
des Lied ich sing!“ für die ultimative Form von Berufsethos. Gleichzeitig irrt er aber auch hier, denn es ist tatsächlich Prof. Sinn, der genau jene besondere Form der Verantwortung gegenüber dem
deutschen Steuerzahler zeigt, die wir beim deutschen Finanzminister seit Jahren vermissen. Dem mag man seine Sorge um die Steuerzahler ohnehin nicht recht abnehmen. Wäre es Schäuble nämlich ernst
damit, dann würde er nicht hunderte von Milliarden in der EU-Südschiene verbürgen und vers(ch)enken, sondern sich bei Prof. Sinn für vergleichsweise kleines Geld eine fundierte Lagebeurteilung
abholen und diese dann auch beherzigen.