Smart Investor Weekly 32/2012
Politische Börsen – Wie kurz sind die Beine?
Deutschland: Rezession klopft an die Tür
Gleich mehrere Dämpfer erhielt die deutsche Konjunkturwahrnehmung durch aktuell veröffentlichte Wirtschaftszahlen: Laut Angaben des
Bundeswirtschaftsministeriums sank die Gesamtproduktion der deutschen Unternehmen im Juni um bereinigt 0,9% gegenüber dem Vormonat. Auch die jüngste Veröffentlichung der Auftragseingänge der
deutschen Industrie gibt wenig Anlass zur Freude: Ein Minus von 1,7% schlug hier im Juni gegenüber dem Vormonat zu Buche. Dies sind allerdings nur zwei aktuelle Schlaglichter auf einen Datenkranz,
der nun immer eindeutiger in die gleiche Richtung zeigt – abwärts. Dennoch – und das ist erstaunlich – sind die Börsen geradezu in Festtagslaune. Früher war die Wirkungskette „Schlechte Nachrichten
= Gute Kurse“ einigermaßen fest etabliert und durchaus plausibel: Die oft zutreffende Idee dahinter war, dass Fiskus und Notenbank immer dann „helfend“ eingreifen, wenn der Konjunktur ein allzu
herber Absturz drohte, was die Märkte wiederum beflügelte. Mitunter war das Ergebnis solcher Eingriffe sogar die gewünschte Stabilisierung, was aber eher zufällig geschah und nicht wirklich
reproduzierbar war. Sicher war dagegen, dass nach „erfolgreicher“ Schlacht der Schuldenberg höher war, als zuvor. Vielen Politikern, die sich dabei auf den Ökonomen John Maynard Keynes berufen,
mangelt es jedoch vor allem an der nötigen Disziplin, um seine Theorie umzusetzen. Lord Keynes forderte nämlich, in guten Jahren konsequent Haushaltsüberschüsse anzusammeln. Dies passiert in der
seit Jahrzehnten praktizierten Rosinenpicker-Variante nicht – schließlich kann die Politik mit Überschüssen ja so viel „Gutes“ bewirken ... Der Preis der für die stetig wachsende Verschuldung
bezahlt wird, ist die Einengung des künftigen Handlungsspielraums. Vom Fiskus ist daher heute kaum noch Stimulation zu erwarten. Im Gegenteil: Jede ernsthafte Bemühung um eine
Haushalskonsolidierung wird zu einer Belastung zur Unzeit – zumindest aus keynesianischer Sicht.