Interview - Prokon

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    Rechtsanwalt Kaltmeyer: "Prokon hat seine Glaubwürdigkeit verspielt"

    Interview - Prokon - Rechtsanwalt Kaltmeyer: "Prokon hat seine Glaubwürdigkeit verspielt"

    Beim Windkraftunternehmen PROKON ist die Frist abgelaufen. Bis zum 20. Januar 2014 sollten sich die rund 75.000 Anleger, die mehr als 1,4 Milliarden Euro in das Unternehmen aus Itzehoe investiert haben, zu ihren Investitionsabsichten erklären. Halten sie an ihren Kündigungen fest oder nehmen diese zurück? Belassen die Prokon-Anleger ihr Geld im Unternehmen oder stocken das Kapital gar auf? Vor kurzem erklärte Prokon-Chef Carsten Rodbertus noch in einem heftig kritisierten Schreiben an die Anleger: Werde mehr als 95 Prozent des Genussrechtskapitals gekündigt, drohe die Planinsolvenz.

    Dieses selbst gesteckte Ziel hat Prokon verfehlt: Nach aktuellen Zahlen, die das Unternehmen am 21. Januar 2014 um 11.00 Uhr auf der Homepage veröffentlichte, haben von sich von 75.329 Genussrechtinhabern 46.534 bei Prokon gemeldet. Davon stimmten 39.848 Anleger einer verlängerten Kündigungsfrist zu, die 735.6 Millionen Euro Kapital vertreten. Insgesamt 6.686 Anleger haben ihre Genussrechte mit einer Gesamtsumme von 103 Millionen Euro gekündigt.

    Ob das Unternehmen, das derzeit weder Zinsen noch gekündigtes Kapital auszahlen kann, Insolvenz anmelden muss bzw. überhaupt kann, wird ein Rechtsgutachten klären. Aufgrund der nahezu ausschließlichen Finanzierung über Genussrechte, könnten offene Forderungen gegebenenfalls nicht als offene Forderungen gegenüber dem Unternehmen zu werten sein.

    wallstreet:online berichtet seit Längerem kritisch über das Windkraftunternehmen. Seitdem erreichen uns Anfragen besorgter Prokon-Anleger, die  wir im Interview mit Rechtsanwalt Christoph Kaltmeyer von der Kanzlei FEIL KALTMEYER aus Berlin angesprochen haben. Eine aktuelle Einschätzung der rechtlichen Situation zum Windkraftunternehmen Prokon:

     

    wallstreet:online: Viele Medien titeln, dass Prokon nach dem Druck auf die Anleger der Prokon-Genussscheine zurückrudern würde, insbesondere da nach Ablauf der Frist am 20. Januar nur knapp die Hälfte der Anleger einer verlängerten Kündigungsfrist zugestimmt haben. Wie schätzen Sie die Ankündigung auf der Internetseite von Prokon ein?

    Christoph Kaltmeyer: Das Prokon Management dürfte mit dieser erneuten Kehrtwende bei den meisten unserer Anleger nun vollends seine Glaubwürdigkeit verspielt haben. Erst wird mit einer drohenden Insolvenz Angst gemacht, um die Anleger von einer Kündigung abzuhalten, jetzt heißt es, eine Insolvenz sei quasi ausgeschlossen, da möglicherweise gekündigte Genussrechte gar keine fälligen Forderungen darstellen und es auch sonst keine fälligen Forderungen gibt. Fakt ist, es besteht unabhängig von den Rechtsfragen die Gefahr einer Insolvenz, da Prokon auch „freiwillig“ schon bei einer drohenden Zahlungsunfähigkeit Insolvenzantrag stellen kann. Da eine ordentliche Kündigung allerdings unwirksam ist, wenn es bereits innerhalb der Kündigungsfrist zu einer Insolvenz kommt, sollten die Prokon-Anleger ihre Genussrechte neben der ordentlichen Kündigung auch kurzfristig außerordentlich durch einen Anwalt mit einer fundierten rechtlichen Begründung kündigen. Anleger, die ihre Genussrechte noch rechtzeitig vor einer Insolvenz anwaltlich außerordentlich kündigen, haben den Vorteil, dass sie von nachrangigen Genussrechtlern zu vorrangigen Insolvenzgläubigern werden, die vor allen anderen Genussrechten zu befriedigen sind und damit noch gute Chancen auf eine hohe Befriedigung haben.

     

    Damit bringt Prokon-Chef Carsten Rodbertus ja ein neues Szenario ins Spiel: Da es neben den Genussrechteinhabern so gut wie keine weiteren Gläubiger gebe, müsste ein Insolvenzantrag von den Gerichten abgelehnt werden. Wie ist das aus Ihrer Sicht rechtlich zu würdigen?

    Kaltmeyer: Die Kehrtwende die Prokon hier vollzieht, wird wohl kaum noch einen Anleger beeindrucken. Wir gehen weiter davon aus, dass wirksam gekündigte Genussrechte nicht nachrangige Verbindlichkeiten sind, die zu passivieren sind. Dementsprechend hat Prokon auch in den eigenen Bilanzen aus 2011 und dem vorläufigen Konzernabschluss 2013 die gekündigten Genussrechte eindeutig als normale Verbindlichkeiten ausgewiesen. Wir gehen auch weiter davon aus, dass diese Forderungen fällig sind und nicht schon bei fehlender Liquidität von Prokon automatisch als gestundet gelten. Eine derartige Regelung findet sich in den Genussrechtsbedingungen bzw. im Prospekt allenfalls bei den Zinsen, nicht aber bei dem Rückzahlungsanspruch wirksam gekündigter Genussrechte.

     

    Das heißt wir haben es bei Prokon jetzt erst einmal mit einer Hängepartie zu tun, bis die Rechtsfragen geklärt sind?

    Kaltmeyer: Wir glauben, dass es letztlich auf diese Frage ohnehin nicht ankommen wird, da Prokon allein im vergangenen Jahr 478 Millionen Euro an neuem Genussrechtskapital eingenommen hat und auch unter Berücksichtigung der sonstigen geleisteten Zahlungen noch über Liquidität verfügen dürfte. Dementsprechend sind unsere Anleger auch nicht mehr bereit, sich durch die Geschäftsführung von Prokon weiter hinhalten zu lassen und haben sich unserer Urkundsklage angeschlossen, um sich im Rahmen dieses beschleunigten Verfahrens einen Titel zu besorgen und dadurch die Ansprüche mit Nachdruck durchzusetzen.

     

    Sind diese Klagen dann vergebens, wenn Prokon noch vor einem Urteil Insolvenz anmeldet?

    Kaltmeyer: Wenn noch während dieses Urkundsprozesses eine Insolvenz beantragt wird, wird die Klage auf Feststellung zur Insolvenztabelle umgestellt und im Rahmen des Prozesses gegen den Insolvenzverwalter dann festgestellt, dass aufgrund der wirksamen Kündigung eine nicht nachrangige Forderung besteht, die vor den übrigen Genussrechtlern zu bedienen ist. Zudem gehören die Prozesskosten dann zu den sogenannten Masseforderungen, die vor allen anderen Forderungen an erster Stelle zu befriedigen sind. 

    Sollten diese Forderungen bei einer unzureichenden Liquidität nicht fällig sein, hätten wir es darüber hinaus auch mit einem Prospektfehler zu tun, sodass die Klage um die sogenannten Prospekthaftungsansprüche erweitert werden kann. Auch diese Schadensersatzansprüche sind dann weder nachrangig noch gestundet, sondern sofort durchsetzbar und vor den anderen Genussrechten zu bedienen.

     

    Prokon betont, dass derzeit sowohl keine Zinszahlungen als auch keine Rückzahlungen vorgenommen werden können. Auch habe sich nach neuen eigenen Angaben die Möglichkeit des Eintritts des maximalen Risikos konkretisiert. Laut Prokon sei die gerichtliche Durchsetzung von Rückzahlungsansprüchen ein erhebliches Wagnis für den Anleger?

    Kaltmeyer: Prokon scheint im Moment jedes Mittel Recht zu sein, um die Anleger von einer Kündigung und einer Durchsetzung ihrer Ansprüche abzuhalten. Teilweise wurden unsere Anleger nach Kündigung und Klageerhebung unmittelbar von Prokon angerufen, um sie umzustimmen. Unsere Mandanten lassen sich von diesen Methoden nicht beeindrucken und haben ihre Rechte im Rahmen von Urkundsklagen geltend gemacht. Gleichzeitig geht es unseren Mandanten aber auch nicht darum, hier ein Unternehmen zugrundezurichten. Sollte Prokon unseren Anlegern daher beispielsweise eine entsprechende Sicherheit für ihre Federungen anbieten, wären viele unserer Mandanten auch bereit, ihr Geld im Unternehmen zu lassen. Es liegt also bei Prokon, den Anlegern ein vernünftiges Angebot zu machen.

     

    Sollten Prokon Prospektfehler nachgewiesen werden, könnte für bestehende Verträge von Prokon-Anlegern eine Rückabwicklung in Angriff genommen werden? Wie schätzen Sie hier die Situation ein?

    Kaltmeyer: Neben den Ansprüchen aus den Genussrechten können sich für die Anleger natürlich auch Schadensersatzansprüche etwa aufgrund von Prospektfehlern oder eines Schneeballsystems ergeben. Diese Schadensersatzansprüche bestehen dann unabhängig von den Ansprüchen aus den Genussrechten und lassen diese unberührt. Sollten sich etwa die Vorwürfe eines Schneeballsystems als wahr erweisen - also dass die Zinsen nur durch neu eingeworbene Gelder beglichen werden konnten - besteht nicht nur gegen Prokon, sondern auch gegen die Geschäftsführung, die Hintermänner und auch die Wirtschaftsprüfer mögliche Schadensersatzansprüche. Der Vorteil bei diesen Ansprüchen für die Anleger ist dabei, dass diese Ansprüche nicht Teil eines Insolvenzverfahren von Prokon sind, sondern in voller Höher bestehen. Der Nachteil dieser Ansprüche besteht allerdings - wie in dem Fall von Infinus /FuBus, bei dem wir ebenfalls Hunderte von Anlegern vertreten - darin, dass die persönlichen Vermögen der Verantwortlichen nicht zur Befriedigung von 75.000 Anlegern ausreichen werden und folglich das Windhundrennen um diese Vermögensgegenstände beginnt, wobei dann nur die Anleger ihr Geld zurückbekommen werden, die ihre Ansprüche durch eine Arrestpfändung rechtzeitig vor den anderen sichern konnten.

     

    Wie bewerten Sie, dass Prokon bislang keinen geprüften Jahresabschluss 2012 vorweisen kann?

    Kaltmeyer: Die Tatsache, dass Prokon seit dem Jahresabschluss vom 31.12.2011 keine testierten Zahlen mehr veröffentlicht hat, ist ein unhaltbarer Zustand, der ja die jetzige Krise erst verursacht hat. Bei der Nichtoffenlegung des Jahresabschlusses aus 2012 handelt sich dabei nicht nur um einen Verstoß gegen § 325 HGB, der eine Offenlegung zwingend vorschreibt, sondern für eine Emittentin, die öffentlich um Kapitalanlagegelder wirbt, auch um einen eklatanten Vertrauensbruch, der aus unserer Sicht auch zur außerordentlichen Kündigung berechtigt. Die Nichtoffenlegung eines testierten Jahresabschlusses ist insbesondere vor dem Hintergrund erdrückender Anzeichen und Vorwürfe in der Presse hinsichtlich eines „Schneeballsystems“ um so eklatanter, da es für Prokon ja ein Leichtes wäre, mit diesen Zahlen diese Vorwürfe aus der Welt zu schaffen, wenn die Vorwürfe denn nicht zutreffen sollten.

     

    Welche Zukunft hat aus Ihrer Sicht das Unternehmen?

    Kaltmeyer: Sollte sich die „selbsterfüllende Prophezeiung“ der Kündigungswelle mangels Vorlage der Unternehmenszahlen durch Prokon nicht aufhalten lassen, bietet ein Insolvenzplanverfahren für das Management vielfältige Möglichkeiten ein Sanierungskonzept unter bestimmten Voraussetzungen auch gegen den Willen der Anleger durchzusetzen. So wird über den Plan in verschiedenen Gläubigergruppen abgestimmt, in denen die Anleger unterschiedlich befriedigt werden. Auch hier wird es sich für die Anleger auszahlen, wenn sie aufgrund ihrer rechtzeitigen außerordentlichen Kündigung sichergestellt haben, dass sie nicht in der Gruppe der nachrangigen Genussrechtler landen, sondern in der Gruppe, die bevorrechtigt zu befriedigen ist.  

     

    Herr Rechtsanwalt Kaltmeyer, vielen Dank für das Gespräch.


     

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