Krisenherd Krim
Abspaltung der Krim - Auswirkungen auf die Börse?
Eine mögliche Abspaltung der Krim von der Ukraine sowie die internationalen politischen Muskelspiele auf der Schwarzmeer-Halbinsel, speziell die Aktivitäten
Russlands, wecken weltweit Sorgen. Inwieweit bedroht die aktuelle Lage die Entwicklung an den Börsen? Stellt die Kriegsgefahr zurzeit das einzige Risiko für Dax und Co dar bzw. worin besteht
weiteres Rückschlagpotenzial? In welchem Maße sind Gold- und Ölpreis von der Situation im Osten betroffen? Und wie soll sich der Anleger zurzeit verhalten?
Vermögensverwalter und Anlageexperten geben Antworten.
"Für Anleger mit einem breit gestreuten Portfolio besteht kein Anlass zur Panik." - Anja Welz, Vorstand der Laureus AG Privat
Finanz:
Bisher hat die Börse auf diese Krise recht moderat reagiert und mit der Aussage Putins, dass es vorerst keine Militäroperation gegen die Ukraine geben wird, haben Dax & Co. sogar wieder
deutlich an Fahrt gewonnen. Die Gefahr für die Kapitalmärkte ist unserer Meinung nach aber damit nicht vorüber, denn durch die Aussage Putins alleine ist die Krise noch lange nicht ausgestanden,
zumal die Ost-West-Beziehungen dadurch weiter stark belastet sind. Diplomatische Verschärfungen etwa in Form von Handelsboykotten, sind nicht auszuschließen.
Wenn die Krise sich zuspitzt, könnte es bei Unternehmen mit hohen Geschäftsanteilen in Osteuropa zu heftigen Kursverlusten kommen.
Ähnliche Auswirkungen dürften bei osteuropäischen Anleihen, insbesondere auch bei russischen Anleiheemittenten wie z.B. Gazprom, erwartet werden. Eine erneute Zuspitzung würde aber auch die
Aktienmärkte im Allgemeinen stark belasten. Gerade auf dem aktuell hohen Kursniveau ist das Risiko von Kursschwankungen erheblich. Im Gegenzug dürften dafür bei einer Zuspitzung der Krise westliche
Staatsanleihen als "Save-Haven-Anlagen" profitieren. Genauso wie die Krisenwährung Gold. Darüber hinaus sind bei einer Verschärfung der Krimkrise deutliche Preissteigerungen bei Energierohstoffen
zu erwarten sein, da Russland ein großer Energielieferant ist und Pipelines zum Teil auch durch die Ukraine führen. Ähnliches gilt auch für Agrarrohstoffe, da sowohl Russland als auch die Ukraine
große Getreideproduzenten sind.
Wie sollten Anleger nun reagieren? In einem über verschiedene Anlageklassen und -regionen breit gestreuten Portfolio mit gemäßigtem Aktienanteil besteht für den langfristig orientierten Anleger
kein Anlass zur Panik. Depots mit starkem Engagement in Osteuropa oder allgemein hohem Aktienanteil sollten auf mögliche Auswirkungen überprüft werden und gegebenenfalls Risiken reduziert werden.
Da die Aussichten für Aktien langfristig gesehen grundsätzlich gut sind, können Rückschläge zur Aufstockung oder Re-Investition genutzt werden.
„Anleger dürften sich in Anleihen mit bester Qualität flüchten – US-Staatsanleihen und US-Dollar würden am stärksten profitieren.“ - Allan Valentiner, Vorstand und Leiter Portfolio Management bei der AMF Capital AG:
Angesichts ständig neuer Gerüchte über ein Eingreifen Russlands in der Ukraine und möglicher Maßnahmen des Westens gegen diese Bedrohung stellt sich natürlich die Frage, wie die Finanzmärkte auf
diese Eskalation reagieren.
Wie schon im Jahr 2006, als der Streit zwischen dem russischen Gaslieferant Gazprom und der Ukraine über die Höhe des Gaspreises zu Engpässen bei der Gaslieferung nach Europa führte, ist auch
dieses mal mit Lieferverzögerungen zu rechnen. Diese könnten die sowieso schon schwache konjunkturelle Erholung in der Eurozone und somit die Aktienmärkte belasten.
Es ist damit zu rechnen, dass Anleger sich in die Sicherheit von Anleihen mit bester Qualität flüchten werden.
Am stärksten würden der Markt für US-Staatsanleihen und der US-Dollar profitieren. Während auch Bundesanleihen von dieser Flucht profitieren könnten, würden die Risikoaufschläge von Anlagen mit
geringerer Bonität kräftig steigen. Dazu gehören neben Anleihen aus den Schwellenländern und aus Südeuropa auch Anleihen von Banken sowie Unternehmensanleihen mit geringer Bonität.
„Anleger sollten nicht in Hektik verfallen. Die latente Kriegsgefahr ist jedoch nicht das einzige Risiko für DAX & Co.“ - Arndt
Kussmann, Leiter Finanzanalyse der quirin bank AG:
Unsicherheit, speziell die Ungewissheit, ob eine geopolitische Krise eskaliert, ist grundsätzlich Gift für die Aktienmärkte und führt in aller Regel zu höheren Kursschwankungen. Die aktuelle
Krim-Krise strahlt aufgrund der starken wirtschaftlichen Verflechtung mit Russland vor allem auf den deutschen Aktienmarkt negativ aus. Im Umkehrschluss: Je näher eine diplomatische Lösung rückt,
desto befreiender wirkt dies auf die Börse.
Die latente Kriegsgefahr stellt freilich nicht das einzige Risiko für DAX & Co dar. In diesem Aktienjahr dürfte der Gewinnentwicklung der Unternehmen eine erhöhte Bedeutung zukommen, da der
jüngsten – stark liquiditätsgetriebenen – Hausse vor allem eine Bewertungsexpansion zugrunde liegt und nicht stark gestiegene Unternehmensgewinne. Werden die Gewinnerwartungen nicht erfüllt, drohen
Kursrücksetzer.
Gold ist in der Regel ein klassischer Profiteur von erhöhter Unsicherheit der Börsianer. Die jüngsten russischen Drohgebärden mündeten allerdings nur in leicht anziehende Goldnotierungen, was auf
den ersten Blick überrascht. Die Schlussfolgerung: Die Marktteilnehmer gehen derzeit offenbar von einer diplomatischen Lösung aus, was im Übrigen auch die mittlerweile stabilisierte
Aktienmarktentwicklung widerspiegelt. Das ist beachtenswert, denn nicht selten bewahrheitet sich das Bonmot „Der Markt hat immer recht“.
Der Ölpreis ist von der Krim-Krise bis dato weniger betroffen. Zwar gibt es durchaus Sorgen angesichts der hohen Bedeutung Russlands als Ölexporteur – Sanktionen, die die russischen Ölausfuhren
betreffen, sind aber eher unwahrscheinlich, da sich die Abnehmerländer nur schwerlich auf einheitliche Restriktionen einigen dürften.
Unterm Strich sollten die Anleger eine ruhige Hand behalten und nicht in unnötige Hektik verfallen. Auch wenn eine diplomatische Einigung noch vor einigen Hürden steht, so ist doch klar, dass
Russland wie auch der Westen von etwaigen Sanktionen stark betroffen wäre. Daher ist es im Interesse der Konfliktparteien, möglichst schnell eine dauerhafte Entspannung zu erreichen. Das Szenario
der Eskalation hat also nur eine kleine Wahrscheinlichkeit – wenn es auch derzeit niemand ganz ausschließen will. Zudem sind mit dem Niedrigzinsumfeld und der anhaltend üppigen Liquidität zwei
wichtige Stützpfeiler für die Aktienmärkte weiter intakt.
"Anleger sollten sich durch die aktuellen Nachrichten nicht von ihrer langfristigen Anlagestrategie abbringen lassen." - Christoph
Leichtweiß, Finanzplaner bei der YPOS Consulting GmbH, Darmstadt
Die Börse spiegelt menschliche Emotionen in kurzen Zeitabständen mitunter sehr stark. Auch wenn alle logischen Argumente gegen eine Eskalation der Situation in der Ukraine sprachen, übernahm
besonders am Montag zunächst einmal die Angst das Ruder. Aktuell ist es, genau wie am Montag, immer noch unwahrscheinlich, dass sich aus der ohne Zweifel schwierigen Situation in der Ukraine eine
internationale Krise entwickelt, die die globalen Kapitalmärkte dauerhaft schädigt. Natürlich besteht ein Restrisiko, dass die Situation eskaliert, doch die Wahrscheinlichkeit ist gering.
Betrachtet man etwa die Entwicklung des Rubels, wird deutlich, dass die Währungsschwäche nicht durch die aktuelle Krise ausgelöst, sondern lediglich verstärkt wurde. Die Schlagzeilen versperren
häufig den Blick auf die strukturellen Themen.
Anleger sollten sich durch die aktuellen Nachrichten nicht von ihrer langfristigen Anlagestrategie abbringen lassen.
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