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    Hochfrequenzhandel  4251  0 Kommentare Mensch gegen Maschine – Ist der Kampf überhaupt zu gewinnen?

    Ob Terminator, Matrix, die Borg oder I, Robot – Der Kampf Mensch gegen Maschine sorgt immer wieder für Hollywood-Zündstoff. Doch längst dominieren Computer und Hochfrequenzrechner auch die reale Börsenwelt. Ein Mann will sich den Maschinen nun in den Weg stellen.

    Es ist der dramatische Höhepunkt eines der größten Kultfilme aller Zeiten: Im ersten Film der Stars-Wars-Saga muss der junge Luke Skywalker den Todesstern zerstören, doch ihm bleibt nur ein minimaler Luftschacht. Im wahren Leben heißt Luke Skywalker Michael Lewis und ist kein Jedi-Ritter, sondern ein Anwalt aus Mississippi, der sich aufgemacht hat, den Hochfrequenzmaschinen der Börsenwelt den Gar auszumachen.

    Wie der „Freitag“ berichtet, hat Lewis im Mai eine Sammelklage gegen alle 13 US-Börsen und ihre Filialen eingereicht. Der Vorwurf: Sie sollen eine Gruppe von Händlern, vornehmlich so genannte Hochfrequenzhändler, mit schnelleren Datenleitungen und „Sonderauftrags-Codes“ bevorzugt haben.

    Hochfrequenzmaschinen beherrschen die Börsenwelt

    Der Hochfrequenzhandel an den Börsen boomt. Inzwischen werden mehr als die Hälfte aller Börsengeschäfte im Hochfrequenzbereich getätigt. Mittels spezieller Computersysteme sind Hochgeschwindigkeitshändler in der Lage, in kaum messbarer Zeit Geschäfte zu tätigen und Orders aufzugeben bzw. zu stornieren – getreu dem Motto: „Zeit ist Geld“. Dabei machen sie sich die Trägheit anderer Investoren wie Pensions- und Investmentfonds zunutze. Ihre von speziellen Computern entwickelten Algorithmen beobachten die „Wale“, wie herkömmliche Investmentfonds im Hochfrequenzhandel-Jargon gerne genannt werden, um dann gezielt auf Walfang zu gehen. Erkennt der Computer, dass ein Fonds bestimmte Anleihen kaufen oder verkaufen will, nutzt er seine eigene höhere Geschwindigkeit, um die Preise künstlich rauf- bzw. runter zutreiben. Der gemeine Anleger verliert auf diese Weise viel Geld. Geld, das in den Taschen der superschnellen Hochfrequenzhändler landet und die so Milliarden scheffeln.

    Flash-Crashs spielen Hochfrequenzhändlern in die Karten

    Dass es dadurch mitunter auch zu handfesten Verwerfungen an den Märkten kommen kann, zeigte der so genannte „Flash Crash“ im Jahr 2010, als der Benchmarkindex Dow Jones Industrial Average innerhalb kürzester Zeit um 1000 Punkte einbrach, sich aber genauso schnell wieder erholte. Es war laut dem „Freitag“ die „dramatischste Episode der gesamten Börsenwelt“. Das Verrückte: Sie dauerte nur zehn Minuten.

    Doch was in der normalen Welt wie ein winziger Augenblick anmutet, ist für die Hochgeschwindigkeitsrechner eine halbe Ewigkeit. Und so waren es vor allem die Hochfrequenzhändler, die massiv vom „Flash Crash“ profitierten, indem sie den Zeitvorsprung, den sie gegenüber dem um ein paar Sekunden verzögerten Echtzeit-Kursangaben hatten, in bare Münze verwandelten. Denn während die Börsianer auf dem Börsenparkett den Dow Jones noch im Sturzflug sahen, hatte in Wahrheit schon die Trendwende eingesetzt. Der „Freitag“ fasst das Ergebnis so zusammen: „Wer in diesem Moment verkaufte, verlor alles. Und der Käufer machte ein Vermögen“. Die „Flash Crashs“ machen seither Schule, immer wieder kommt es zu kurzzeitigen „Mini-Flash-Crash“ bei einzelnen Aktienwerten (siehe auch beim DAX). Längst steht dabei der Vorwurf im Raum, sie würden absichtlich herbeigeführt werden, indem die Börsencomputer mit Aufträgen derart vollgestopft werden, dass sie unter der Auftragslast zusammenbrechen bzw. langsamer werden. Das wiederum gibt den Hochfrequenzrechnern den entscheidenden Zeitvorteil, um innerhalb weniger Nanosekunden die so entstandenen Kursdifferenzen auszunutzen.

    Hochfrequenzhandel stellt Grundgedanke der Börse infrage

    Die Auswirkungen sind dramatisch, insbesondere da der Hochfrequenzhandel das gesamte Fundament des Börsensystems infrage stellt. Wie der „Freitag“ treffend beschreibt, besteht der Grundgedanke eines Aktienmarktes darin, das Kapital dahin fließen zu lassen, wo es am nützlichsten ist. So sollten Menschen mit Ideen und Menschen mit dem dafür nötigen Geld zusammengebracht werden. Doch damit haben die Hochgeschwindigkeitsmaschinen nichts mehr gemein, sagen Kritiker. Sie erfüllen keinen anderen Zweck als die Geschwindigkeit an sich, es ist purer Nervenkitzel, das Spiel mit dem Risiko und die Aussicht auf schnellen Gewinn.

    Doch wie kann diesen Supermaschinen Einhalt geboten werden? Die Börsen und ihre Kontrollinstanzen scheinen es jedenfalls nicht zu tun. Im Gegenteil, sie fördern den Hochfrequenzhandel, indem sie den Händlern offenbar so genannte „Sonderauftrags-Codes“ zugesichert haben, die es ihnen erlauben, bei Auftragsbestellungen stets an die Spitze der Warteschlange zu gelangen (wallstreet:online berichtete). Darüber hinaus sollen sie den Händler private, schnellere Datenleitungen eingeräumt haben. Die Hochgeschwindigkeitsmaschinen haben somit einen schnelleren Zugriff auf die Kursdaten als der Rest der Börsenwelt. Dabei zahlen selbst normale Nutzer laut „Freitag“ im Jahr um die 500 Millionen US-Dollar für den so genannten Standard-SIP-Feed, der sie mit Echtzeit-Kursdaten versorgen soll. Allerdings kommen die Informationen im Vergleich zu den Leitungen der Hochgeschwindigkeitshändlern um bis zu 1.500 Millisekunden zeitverzögert an – Zeit genug, um den Wissensvorsprung in Gewinn umzumünzen.

    Ein Mann sagt den Maschinen den Kampf an

    Bisherigen Verlautbarungen der Aufsichtsbehörden, den Hochgeschwindigkeitshandel eindämmen zu wollen, ließen die Kontrolleure bislang kaum Taten folgen. Und so ist es nun der Anwalt Michael Lewis, der mit seiner Sammelklage den Hochgeschwindigkeitsmaschinen den Kampf ansagt. Zunächst wollte er gegen die Hochgeschwindigkeitshändler selbst vorgehen, mit einer Klage wegen Marktmanipulation und Insiderhandel. Aber weil das System inzwischen derart kompliziert und unübersichtlich geworden ist, musste Lewis einsehen, dass eine solche Klage wohl wenig Aussicht auf Erfolg hätte. Also blieb ihm nur ein minimaler Luftschacht, um den Todesstern zu zerstören. Ein Luftschaft in Form einer Bevorzugung der Hochgeschwindigkeitshändler seitens der 13 amerikanischen Börsen und ihrer Filialen. Die nun eingereichte Sammelklage sei daher ein mögliches Vorspiel zu einem der größten Gerichtsdramen, die das Jahrhundert bisher gesehen hat, schreibt der „Freitag“. Nur gut, dass Michael Lewis bereits Erfahrung mit solchen Mammutprozessen hat. Er war es nämlich, der in den 90er Jahren den Tabakriesen Big Tobacco mit einer Sammelklage in die Knie zwang. Ob er es wieder schaffen wird?

     


    Michael Lewis ist auch Autor verschiedener Bücher, die die Welt der Finanzen kritisch beleuchten. So zum Beispiel:
    - Flash Boys (A Wall Street Revolt), 2014
    - The Big Short: Inside the Doomsday Machine, 2011
    - Wall Street Poker, 2010




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