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    Cum-Ex-Geschäfte  6144  1 Kommentar Finanzbehörden blasen zur "Hetzjagd" - Geht's den Steuertricksern jetzt an den Kragen?

    Jahrelang sah der Fiskus tatenlos zu, wie sich Steuertrickser mit sogenannten Cum-Ex-Geschäften Milliarden an Steuerrückzahlungen erschlichen. Umso härter sollen die Steuersünder nun zur Rechenschaft gezogen werden. Die Behörden blasen zur "Hetzjagd".

    Sie zählen zu den größten Steuerskandalen in der Geschichte der Bundesrepublik. Bei sogenannten Cum-Ex-Geschäften, auch „Dividenstripping“ genannt, nutzen Banken und Investoren eine rechtliche Lücke rund um den Dividendenauszahlungstag von Aktien. Und das ging so:

    Aktien werden kurz vor Dividendenausschüttung leer verkauft und kurz nach Dividendentermin wieder gekauft. Das Besondere an den Cum-Ex-Geschäften: Bei Verkauf der Aktie notiert diese noch „cum Dividende“, bei Rückkauf „ex Dividende“. Der Kurs bei Rückkauf ist also niedriger als beim Verkauf kurz zuvor. Der Sinn liegt in der Steuerersparnis. Die auf Dividenden fällige Kapitalertragssteuer wird bei Ausschüttung der Dividende einbehalten, der Aktionär bekommt eine Steuerbescheinigung. Mit dieser wiederum kann er im Fall von Verlusten Steuergutschriften geltend machen. Das Geschäftsmodell beruht also darauf, dass das Finanzamt mit der Geschwindigkeit und Fülle an Transaktionen nicht Schritt halten kann und dadurch am Ende zwei Steuergutschriften ausgestellt werden, obwohl de facto nur ein Mal Steuern gezahlt wurden.

    Schaden noch höher als bisher angenommen

    Die Politik reagierte spät, erst 2012 gebot sie den Cum-Ex-Geschäft Einhalt. Doch der bis dahin angerichtete Schaden war verheerend: Ein Betrag in zweistelliger Milliardenhöhe soll dem deutschen Fiskus auf diese Weise durch die Lappen gegangen sein, berichtete wallstreet:online im Juli dieses Jahres. (Lesen Sie hierzu: Dividendenstripping - Wer trägt die Verantwortung für den Steuerskandal?)

    Allerdings dürfte die Summe in Wahrheit noch viel höher sein, berichtet die „Welt“. Demnach gehe es allein bei Fällen aus Nordrhein-Westfalen um zwei Milliarden Euro. Hinzu kämen 350 Millionen Euro aus Bayern sowie 979 Millionen Euro aus Hessen, die sich Investoren durch Cum-Ex-Deals erschlichen haben sollen.

    Juristisches Nachspiel im vollen Gange

    Inzwischen hat die Politik die entsprechende Gesetzeslücke geschlossen, das juristische Nachspiel der Cum-Ex-Geschäfte ist im vollen Gange. Finanzbehörden und Staatsanwaltschaften wollen sich das Geld zurückholen und hätten ihren Kampf in den vergangenen Monaten laut „Welt“ nochmals intensiviert.

    Dem Bericht zufolge laufen allein in Hessen insgesamt 30 Verfahren, auch an den Finanzgerichten in Kassel, Siegen und Köln wird derzeit verhandelt. In Nordrhein-Westfalen seien die Behörden an 300 bis 400 Ermittlungen beteiligt. Damit scheint die Jagd auf die Steuersünder endgültig eröffnet.

    Unmoralisch, ja. Aber auch illegal?

    Die Anwälte der Beklagten kritisieren das harte Vorgehen der Finanzbehörden und sprechen von einer „Hetzjagd“. Fakt ist: Die Frage, ob es sich bei den Cum-Ex-Deals tatsächlich um eine illegale Geschäftspraxis handelte oder ob gewiefte Investoren lediglich eine Gesetzeslücke ausgenutzt haben, ist bis heute nicht endgültig geklärt – ein Grundsatzurteil dazu gibt es nicht.

    Die Tatsache, dass der Staat den Cum-Ex-Geschäften jahrelang keinen Einhalt gebot, hätte die Geschäfte indirekt legalisiert, argumentieren die Anwälte der Investoren. Der Fiskus hält dagegen: Cum-Ex sei nach Auffassung der Finanzverwaltung bei Kenntnis des Modells der mehrfachen Erstattung nur einmal gezahlter Kapitalertragssteuer Steuerhinterziehung. Das sei Strafrecht und damit Sache der Staatsanwaltschaft und der Strafgerichtsbarkeit, zitiert die „Welt“ einen Mitarbeiter aus dem Bundesfinanzministerium.

    Auch Promis nutzten Cum-Ex-Deals

    An solchen Cum-Ex-Geschäften waren auch Promi-Anleger beteiligt. Sie hatten zum Teil hohe Summen in einen Fonds der Bank Sarasin investiert. Zu den Prominenten gehören Fußballtrainer Mirko Slomka, Schalke-Aufsichtsratschef Clemens Tönnies, Schauspielerin Veronica Ferres sowie der frühere Finanzmanager Carsten Maschmeyer. Letzterer hatte die Sarasin-Bank im Zuge der Cum-Ex-Affäre sogar verklagt (Lesen Sie hierzu: Das Ende einer Freundschaft - Maschmeyer klagt Schweizer Bank Sarasin an). Auch von Seiten anderer aufgebrachter Anleger droht dem Schweizer Bankenhaus eine Klagewelle (wallstreet:online berichtete).

    Übrigens: Die Banken haben sich längst einen neuen "Service" ausgedacht, mit dem sie ihren Kunden bei der Steuertrickserei helfen können. Frei nach dem Motto: Dividenstripping war gestern, Dividendenarbitrage ist heute. (Mehr dazu: Von wegen Cum-Ex-Geschäfte - So ertricksen sich Banken und Hedgefonds heute Milliarden)





    wallstreetONLINE Redaktion
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    Cum-Ex-Geschäfte Finanzbehörden blasen zur "Hetzjagd" - Geht's den Steuertricksern jetzt an den Kragen? Jahrelang sah der Fiskus tatenlos zu, wie sich Steuertrickser mit sogenannten Cum-Ex-Geschäften Milliarden an Steuerrückzahlungen erschlichen. Umso härter sollen die Steuersünder nun zur Rechenschaft gezogen werden. Eine „Hetzjagd“ der Behörden?