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     3671  0 Kommentare Der Wahnsinn regiert weiter

    Manche Sachen sind so, dass man den Augen eigentlich nicht richtig traut. Man liest etwas, was irgendwie so gar nicht in die Landschaft passt – und dann drückt man es wieder weg. Das muss man natürlich auch, denn ansonsten könnte man weder an der Börse noch im Leben bestehen.

    Wer jeden Tag seine eigene Sterblichkeit zum Hauptthema machen würde, könnte in seinem Leben nichts mehr auf die Reihe bekommen. Genauso an der Börse: Wer jeden Tag daran denken würde, dass das alles unmöglich gut gehen kann, traut sich nichts mehr und kann nicht gewinnen. Und dennoch wird jeder von uns sterben. Und das mit dem Markt wird niemals gut gehen.

    Nach den US-Bilanzierungsregeln müssen Unternehmen nicht die augenblicklichen Gewinne und Verluste ihrer Pensionsfonds in den Bilanzen ansetzen, sondern die zukünftig durchschnittlich erwarteten. Das ist in etwa so, als ob wir alle nicht das, was auf unserem Lohnzettel sehen, auf unserem Konto wiederfinden, sondern das, was wir uns wünschen.

    Nach „Bloomberg“ haben dadurch neun der größten US-Konzerne im letzten Jahr tatsächliche Verluste in Höhe von 30 Mrd. $ in Gewinne von 8 Mrd. $ verwandelt. Und nach einer Studie der CSFB wäre der Gesamtgewinn des S&P 500-Index im Jahr 2001 um 69 Prozent niedriger ausgefallen, wenn man die Pensionsverluste realistisch bewertet hätte.

    Der US-Amerikaner zeigen damit einmal mehr, wie lebenstauglich sie und ihr Modell tatsächlich sind. Denn wer leben will, darf nicht an den Tod und die Scheiß-Pensionen denken. „Mensch, lasst uns fröhlich in die Zukunft sehen“, denken die Amis nämlich: „Das Ende kommt schon früh genug.“ Selten ist sicherlich Wahreres ausgesprochen worden.


    berndniquet@t-online.de

    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
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