Rechtswidrig, überflüssig, notwendiges Übel?

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    Das sagen Experten zu möglichen EZB-Staatsanleihekäufen - auch Merkel äußert sich

    Am Donnerstag könnte die Europäische Zentralbank (EZB) ein Programm zum Ankauf von Staatsanleihen verkünden. Aber was heißt hier „könnte“?! Der Konjunktiv ist fast schon überflüssig, immerhin wird das „Quantitative Easing“ sowohl an den Börsen als auch in der Berichterstattung als sichere Nummer präsentiert. Alle scheinen sich sicher: Staatsanleihekäufe werden kommen! Experten laufen sich bereits warm, besser gesagt: Sie laufen Sturm. Denn in Sachen Staatsanleihekäufe scheint unter den Ökonomen ungewöhnliche Einigkeit zu herrschen, sie alle kritisieren in der „WirtschaftsWoche“ eine solche EZB-Maßnahme. Obwohl, einer, der die Staatsanleihekäufe befürwortet, findet sich dann doch noch. Der Überblick:

    • Euro-Kritiker und Allround-Talent Hans-Werner Sinn lehnt das Quantitative Easing der EZB naturgemäß ab. Staatsanleihekäufe würden gegen europäisches Recht verstoßen, so Sinn gegenüber der „WirtschaftsWoche“. Er hält die Maßnahme deshalb für eine „verbotene Monetisierung der Staatsschulden.“

       

  • Der Wirtschaftsweise Volker Wieland hält die Maßnahme zwar nicht unbedingt für rechtswidrig, dafür aber für „überflüssig“. Es sei nicht notwendig, nun auch noch mit breit angelegten Staatsanleihekäufen auf den Ölpreis zu reagieren, so Wieland, der der EZB deshalb empfiehlt, nicht nur auf Deflationsrisiken zu schauen, sondern zu berücksichtigen, dass sie den Regierungen durch das QE zusätzlichen Anreiz gäbe, notwendige Strukturen aufzuschieben.
     
  • Ähnlich sieht das auch der Chefvolkswirt der Allianz Group, Michael Heise. Wie Wieland will auch er das Argument, die Staatsanleihekäufe dienten der Bekämpfung der Deflation, nicht gelten lassen. Denn: „Ich sehe derzeit keine Deflationsgefahren, die Staatsanleihekäufe rechtfertigen könnten“, so Heise.
     
  • Sinn, Wieland, Heise und auch Peter Bofinger sagen also ganz klar „Nein!“ zu einem Quantitative Easing. Der Wirtschaftsweise warnte bereits vor einiger Zeit vor großem Schaden durch eine solche Maßnahme (Lesen Sie hier).
     
  • Vom Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, gibt es in der QE-Frage ein klares „Jein“. Er hält den Ankauf von Staatsanleihen einerseits in letzter Instanz für „ein notwendiges Übel, um ihrem Mandat gerecht zu werden“, gleichzeitig räumt er aber ein: „Die EZB verfehlt ihr Mandat der Preisstabilität.“ Er warnt die EZB im Zuge dessen davor, nun auch ihr wichtigstes Gut zu verspielen, nämlich ihre Glaubwürdigkeit.
     
  • Allein auf weiter Flur scheint dagegen Holger Schmieding. Schon in der Diskussion um die ABS-Käufe der EZB lieferte sich der Chefvolkswirt der Berenberg Bank ein heißes Wortgefecht mit Hans-Werner Sinn (Lesen Sie hierzu: Bad Bank oder Märchen? Ökonomen streiten sich über EZB-Maßnahmen). Auch in Sachen Staatsanleihekäufe ergreift Schmieding Partei für die EZB. Der Preisauftrieb sei auch ohne Öl gefährlich nah an die Deflation gekommen, konstatiert er und fordert deshalb: Die EZB müsse in dieser Lage mit einer Offenmarktpolitik gegenhalten, also mit dem Kauf von Anleihen auf dem offen Markt, der auch Staatsanleihen umfassen sollte.
     
  • Soweit die deutschen Wirtschaftsfachleute. Und die Politik hierzulande? Auch die scheint dem Ankauf von Staatsanleihen kritisch gegenüberzustehen. Das ließ zumindest Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrer Rede auf dem Empfang der Deutschen Börse durchblicken. Geldpolitik ersetze keine Reformen, mahnte Merkel. Wörtlich sagte sie: „Es muss verhindert werden, dass das Handeln der Europäische Zentralbank in irgendeiner Weise so erscheinen könnte, dass das, was im fiskalischen und wettbewerbsmäßigen Bereich gemacht werden muss, in den Hintergrund tritt.“ Dennoch übe sie als Kanzlerin die nötige Zurückhaltung gegenüber der EZB als unabhängiger Institution aus, heißt es in einem Pressestatement auf ihrer Homepage. 





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