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     2042  0 Kommentare Wie dumm ich gewesen bin

    Ich erinnere mich gut, wie ich noch vor einer Weile still und heimlich ein paar Eimer Wasser von dem Außenhahn unseres Grundstücks für meine Pflanzen abgezweigt habe und dabei tatsächlich fast ein schlechtes Gewissen besaß, weil das ja der Hahn der anderen Mieter im Haus war, die die Gartennutzung haben.

     

    Heute hingegen kämpfe ich dagegen, dass der Wasserverbrauch für das Haus und Grundstück per Umlage nach Wohnfläche und Köpfen bestimmt wird.

     

    Bitte was? Das ist äußerst verwirrend. Wie dumm ich gewesen bin! Totale Amnesie. Ich habe es nämlich immer gewusst, aber eigentlich doch nicht gewusst. Im normalen Leben ist es eben genau wie an der Börse.

     

    Gerade schreibe ich über die wunderbaren Jahre am Neuen Markt von 1998 bis März 2000. Da bin ich glücklicherweise nicht so dumm und wirklichkeitsfremd gewesen. Da habe ich genau gewusst, dass keine neue Zeit anbricht, und habe trotzdem mitgespielt.

     

    Doch was ist heute???

     

    Heute habe ich tatsächlich das Gefühl, es gibt einen Strukturbruch. Das Geld wird in vorher ungekannter Weise entknappt, so dass kaum noch jemand Geld halten will. Was also tun?

     

    Wenn man nicht selbst in der Lage ist, ein erfolgreiches Unternehmen hochzuziehen, bleibt zur Aktie wohl keine Alternative. Es wird weiterhin viel Geld verdient, doch nur hier wird man profitieren können. Gold ist auch gut, legt aber keine Eier und ist totes Kapital.

     

    Ich denke, wir erleben den Anfang einer Hyperinflation, allerdings nicht auf den Warenmärkten, sondern auf den Finanzmärkten. 15 % Inflation in zwei Monaten erinnern an längst vergangene Zeiten. Und selbst Italien-Anleihen stehen heute bei 160 für 100. Das sollte zu denken geben. Heute ist wahrscheinlich derjenige dumm, der glaubt, die Zukunft werde wie die Vergangenheit.

     

    Der Betriebskostenabrechnung eines Hauses kann man nicht entfliehen, da hängt man immer mit drinnen. Und wenn die 150-Kilogramm-Kolosse in den anderen Wohnungen den ganzen Tag baden, zahlt man selbst immer mit, Amnesie hin, Amnesie her.

     

    Aus dem Geldsystem jedoch kann man sich verabschieden. Und selbst heute noch in die Aktie gehen.

     

     

     

     

     


    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
    Wie dumm ich gewesen bin Von der Amnesie nicht nur an den Märkten