Rohstoff Zucker
Hurra, die Welt versinkt im Zucker - Doch was steckt hinter dem Zuckerschock?
Süße Nachricht für alle Süßigkeiten-Fans: Der Preis für Zucker befindet sich seit Wochen im freien Fall. Was bedeutet das für alle Süßmäuler? Werden Plunderteilchen und Schokoriegel jetzt auch günstiger? Und was steckt hinter dem Zuckerschock?
Wer mag ihn nicht, den Zucker. Ob im Kaffee, im Schokoriegel oder als schneller Energielieferant beim Sport, der süße Rohstoff ist allgegenwärtig. Verschwörungsfanatiker mutmaßen schon seit Jahren, dass die Staaten uns mit Zucker gefügig machen wollen. Zucker statt Opium fürs Volk sozusagen. Andere wiederum halten das dann doch für etwas übertrieben und genießen weiterhin ihre Cola – ganz ohne politische Hintergedanken. Ob Verschwörung, Abhängigkeit oder einfach nur Genuss, Fakt ist, Zucker gehört längst zu einem der wichtigsten Nahrungsrohstoffe. Entsprechend spannend ist es zu beobachten, was sich derzeit auf den Zuckermärkten abspielt.
Zuckerpreis auf Talfahrt, was steckt dahinter?
Der Preis für Zucker befindet sich seit Wochen auf Talfahrt. Inzwischen kostet ein Pfund Zucker gerade mal 0,1249 US-Dollar. Im 3-Monatschart ist dies deutlich zu erkennen:
Wie erklärt sich dieser Zuckerschock? Auf den ersten Blick scheint die Preisentwicklung dem altbekannten Gesetz von Angebot und Nachfrage zu folgen. Doch dahinter steckt mehr.
Die Welt sei noch nie mit so viel Zucker überflutet worden wie im Moment, konstatiert die „Welt“ und verweist auf den Branchenverband International Sugar Organization, demzufolge das weltweite Zuckerangebot die Nachfrage das fünfte Jahr in Folge übersteigen werde. Wenn mehr Zucker produziert als nachgefragt wird – klar, dann fallen die Preise.
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Ein Zuckerkrieg?
Diese Erfahrung müssen derzeit auch die Ölproduzenten machen. Der Ölpreis scheint sich inzwischen auf einem Niveau eingependelt zu haben, bei dem viele Unternehmen um ihre Existenz bangen müssen (wallstreet:online berichtete). Trotzdem will keiner der Akteure die Produktion drosseln, um die Ölpreise wieder steigen zu lassen. Im Gegenteil, der Ölpreiskrieg ist noch immer in vollem Gange (siehe hier).
Bedeutet das also übertragen auf die Situation am Zuckermarkt, dass wir es auch hier mit einem Preiskampf zu tun haben, dem Zuckerkrieg sozusagen? Die Antwort lautet Nein. Die Tatsache, dass mit Indien, Thailand und Brasilien drei der weltweit größten Zuckerproduzenten trotz Preisverfall allesamt ihre Produktion weiter erhöhen, hat nicht zwangsläufig etwas mit einem Verdrängungswettbewerb zu tun, wie das beim Öl der Fall ist. Hinter dem Zuckerschock stecken keine taktischen Gründe, sondern rein unternehmerische.
Beispiel Brasilien: Profit durch Währungsschwäche
Am besten ist das am Beispiel Brasilien zu beobachten. Kein Land produziert mehr Zucker, Brasilien stellt rund 20 Prozent des weltweiten Zuckerangebots. Gemessen an seiner Dominanz ist es nicht überraschend, dass die „Welt“ die brasilianischen Erzeuger als Treiber des Preisverfalls ausmachen. Um zu verstehen, wieso sie ihre Produktion trotz sinkender Preise erhöhen, bedarf es eines Blickes auf den Devisenmarkt. Schaut man nämlich auf die Entwicklung des Wechselkurses von brasilianischem Real und US-Dollar, so ähnelt die Kurve doch sehr dem Zuckerpreis.
Der Wechselkurs BRL/USD im 3-Monatschart
Kaum eine Währung hat in den vergangen Monaten oder gar Jahren mehr an Wert gegenüber der amerikanischen Leitwährung verloren als der brasilianische Real. Doch was für das Land an sich dramatisch ist, freut die exportstarken Unternehmen Brasiliens umso mehr. Ihre Produkte werden nämlich dank der Schwäche der eigenen Währung im internationalen Vergleich günstiger. Das verspricht mehr Abnehmer und damit steigende Gewinnmargen. Kein Wunder also, dass die brasilianischen Zuckerunternehmen die Gunst der Stunde nutzen und ihre Produktion hochfahren.
Beispiel Indien: Exporte zur Schuldentilgung
Auch in Indien geht es um mehr als das einfache Angebot/Nachfrage-Gesetz. Wie die „Welt“ berichtet, befeuert die indische Regierung massiv die heimische Zuckerproduktion. Gerade erst soll sie Subventionen für Zuckerexporte von bis zu 1,4 Millionen Tonnen bewilligt haben. Doch dabei geht es nicht, wie man vielleicht zunächst vermuten könnte, um protektionistische Maßnahmen, um die indischen Zuckerproduzenten im internationalen Wettbewerb zu stützen. Vielmehr will die Regierung den Unternehmen die Möglichkeit zu geben, mithilfe des Exportüberschusses ihre Schulden bei den Bauern abzubezahlen. Aufgrund der sinkenden Preise können sie das aber nur, wenn sie umso mehr verkaufen. Allerdings treibt genau das die Preise nur noch weiter in den Keller.
Insofern ist ein Ende der Preisspirale nicht abzusehen. Ebenso wenig wie ein Ende der Produktionssteigerung. Es bleibt also spannend auf dem Zuckermarkt. Die Süßigkeiten-Fans jedenfalls wird es wenig kümmern, dass die Konstellation von steigender Produktion und sinkenden Preise nicht von Dauer sein kann. Sie freuen sich viel lieber auf günstigere Plunderteilchen. Nur leider ist der Zucker inzwischen so billig, dass er für den Endpreis ohnehin kaum eine Rolle spielt. Aber was soll’s…, sprach es und griff zum Schokoriegel.