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    Analystenprognosen  2510  0 Kommentare Interessant, aber meistens wenig hilfreich

    Die Menschheit sucht seit jeher nach Orientierung und Sicherheit, daher ist es verständlich sich an Prognosen klammern zu wollen. Fachzeitschriften und Tageszeitungen bieten dem Investor dafür ein breites Spektrum an Kapitalmarkt- und Wertpapierprognosen, die Analysten, Volkswirte und andere Experten regelmäßig publizieren. Doch wie sinnvoll ist es eigentlich, diese Prognosen sowie Studien zu lesen und in seine Anlageentscheidung einzubeziehen?

    Als ehemaliger Analyst einer Kapitalanlagegesellschaft habe ich mir häufig diese Frage gestellt. Analystenprognosen übernehmen grundsätzlich eine wertvolle Aufgabe, in dem sie Informationen verdichten und in einen geordneten Zusammenhang bringen. Somit können diese für den Leser effizient sein, da er in kurzer Zeit einen komprimierten Überblick über Markt, Aktie oder Anleihe erhält. Die Inhalte sollten allerdings vom Leser mit einem kritischen Blick durchleuchtet werden. Meistens sind die Herausgeber solcher Prognosen nämlich Banken und Kapitalanlagegesellschaften, die mit der Analyse an sich häufig keinen Ertrag erzielen. Daher muss sich der Leser fragen, warum die Autoren ihr Wissen gratis an Dritte weitergeben und von welcher Qualität die Inhalte sowie Aussagen sind.

    Eine zwölfjährige Starmine-Studie aus dem Jahre 2013 förderte eine aufschlussreiche Erkenntnis zutage – nur drei Prozent der Analysten sind langfristig erfolgreich und tauchen regelmäßig auf den vorderen Plätzen auf. Folglich muss der Investor die Nadel im berühmten Heuhaufen suchen und wird daher eher selten fündig. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine jährliche Auswertung in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Die größten Banken und Fondsgesellschaften versuchen, zu Jahresbeginn die DAX-Endstände zu prognostizieren.

    Im Schnitt liegt der Prognosefehler, also die Abweichung vom tatsächlichen Ergebnis, mindestens im zweistelligen Prozentbereich. Ein Qualitätsnachweis für die hochbezahlten Analysten sieht freilich anders aus. Ein weiteres Indiz für die Prognosequalität sind die Ergebnisse von aktiv gemanagten Fonds. Über 80 Prozent der Fondsmanager, die meistens auf Basis von hauseigenen Analystenprognosen agieren, können ihre Benchmark mittel- bis langfristig nicht schlagen. Die Finanzbranche hat dies offensichtlich ebenfalls erkannt und so haben in den vergangenen drei Jahren zehn Wertpapierhäuser in Deutschland ihr Aktienresearch massiv reduziert oder komplett abgeschafft.

    Die Ursache sind aber nicht die Analysten selber, sondern das System, in dem sie agieren. Zahlreiche Interessenkonflikte geben den Prognosen häufig den falschen Drall. Zwei Beispiele gefällig? Haben Sie schon einmal eine Verkaufsempfehlung für ein Unternehmen gelesen, während die Investmentsparte einen neuen Bond des gleichen Unternehmens emittiert? Die „chinese walls“ in einigen Unternehmen gleichen wohl eher dem Format eines Schweizer Käse. Außerdem tendieren Analysten und deren Unternehmen eher dazu, über „glamour stocks“ zu schreiben, die medial großes Interesse erzeugen.

    Diese Zielunternehmen sind aber eher teuer und häufig dem Growth-Stil zuzuordnen. Value-Investoren à la Warren Buffet beweisen aber, dass es gerade substanzstarke, etablierte Unternehmen sind, die medial nicht gehypt werden, dafür aber langfristig Überrenditen erwirtschaften.
Sollte der Investor also keine Analysen mehr lesen? Mitnichten. Wenn er folgende Tipps befolgt, dann können Prognosen durchaus einen Mehrwert bieten:

    1.     Lesen Sie zuerst das Ende einer Analyse – dort stehen die Interessenkonflikte. Wenn es keine gibt, dann können Sie sicher sein, dass der Autor und Sie auf der gleichen Seite stehen.

    2.     Suchen Sie nach Unternehmen, die nur sehr wenige Analysten beobachten.
Der potentielle Mehrwert von guten Analysten ist dort nämlich am größten, da die geringe Aufmerksamkeit für die größten Fehlbewertungen sorgen kann. 





    Guido vom Schemm
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    Guido vom Schemm ist geschäftsführender Gesellschafter der GVS Financial Solutions GmbH. Der studierte Betriebswirt blickt auf eine langjährige Berufserfahrung (seit 2000) in der Finanzindustrie zurück. Unter anderem als Aktienanalyst bei der Cominvest / Cominvest Asia und als Vorstandassistent sowie mehrere Jahre als leitender Direktor einer großen Wertpapierspezialisteneinheit der Commerzbank AG. Weitere Informationen unter www.gvs-fs.de
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    Verfasst von Guido vom Schemm
    Analystenprognosen Interessant, aber meistens wenig hilfreich Die Menschheit sucht seit jeher nach Orientierung und Sicherheit, daher ist es verständlich sich an Prognosen klammern zu wollen. Fachzeitschriften und Tageszeitungen bieten dem Investor dafür ein breites Spektrum an Kapitalmarkt- und Wertpapierprognosen, die Analysten, Volkswirte und andere Experten regelmäßig publizieren. Doch wie sinnvoll ist es eigentlich, diese Prognosen sowie Studien zu lesen und in seine Anlageentscheidung einzubeziehen?