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    Sozialismus am Arbeitsplatz  5906  0 Kommentare Gleich, aber nicht gerecht - Ist der Traum vom Einheitslohn bald ausgeträumt?

    Gleiches Gehalt für alle. Dieser Traum wurde für Mitarbeiter von Gravity wahr. Doch inzwischen wenden sich immer mehr vom Sozialismus am Arbeitsplatz ab. Denn gleich bedeutet nicht unbedingt gerecht.

    Eigentlich ging es ihm gar nicht ums große Ganze und eigentlich wollte er auch nicht zum Vorreiter einer neuen sozialeren Unternehmenskultur werden. Und doch ist er genau das geworden: Dan Price, jener Chef von Gravity Payments, der einen Mindestlohn für alle Mitarbeiter eingeführt hat, inklusive sich selbst. Statt einer Million wollte Price künftig genauso viel verdienen wie alle anderen: 70.000 US-Dollar pro Jahr. Das Medienecho war riesig, auch wallstreet:online berichtete über den neuen Sozialismus am Arbeitsplatz (siehe: Juhu, ein Gehalt für alle! Sozialismus am Arbeitsplatz oder Weg in die Knechtschaft?). Plötzlich war Price ein gefragter Interviewpartner und zierte ein Cover nach dem anderen: Dan Price, der gefeierte Held, der gegen die soziale Ungleichheit kämpft.

    Doch mittlerweile hat sich die Welle der Begeisterung etwas gelegt und erste Zweifel am Erfolg des Einheitslohns werden laut. Denn die ersten vier Monate zeigen: Gleich bedeutet nicht unbedingt gerecht.

    Mitarbeiter haben Nase voll vom Einheitslohn

    Wie die „New York Times“ berichtet, haben zwei der wichtigsten Mitarbeiter wegen des neuen Lohnmodells inzwischen gekündigt und Gravity den Rücken gekehrt. Darunter ausgerechnet eine Finanzmanagerin, die selbst an der Umsetzung des Einheitslohns beteiligt war. Zu Beginn habe sie sich von der allgemeinen Begeisterung anstecken lassen, erzählt Maisey McMaster. Sie zückte ihren Taschenrechner und arbeitete gemeinsam mit anderen an einem Plan, wie Gravity das neue Gehaltsmodell realisieren könnte. Doch je mehr sie darüber nachdachte, desto größer wurden die Zweifel – bis sie schließlich ganz das Handtuch warf.

    Der Einheitslohn ist in ihren Augen nicht fair, weil er neue und weniger ausgebildete Mitarbeiter mit langjährigen und erfahrenen Kollegen finanziell auf eine Stufe stellt. So habe Price Leuten, die geringer qualifiziert und weniger geeignet für den Job seien, eine Gehaltserhöhung gegeben, während andere keine nennenswerte Lohnsteigerung bekommen hätten, kritisiert McMaster. Doch als sie mit dem Gravity-Chef über ihre Bedenken sprechen wollte, seien ihr im Gegenzug Egoismus und Eigeninteresse vorgeworfen worden. Die Finanzmanagerin zog daraufhin die Konsequenzen und reichte ihre Kündigung ein.

    Auch Grant Moran, bis vor kurzem Web-Designer bei Gravity, hat die Nase voll vom Sozialismus am Arbeitsplatz. Und das, obwohl sein Gehalt von 41.000 auf 50.000 US-Dollar aufgestockt wurde. Nichtsdestotrotz hält Moran den Ansatz eines einheitlichen Lohns für falsch. „Jetzt verdienen Leute, die nur nach der Stechuhr arbeiten, plötzlich genauso viel wie ich“, klagt er. Das Einheitsgehalt fessle leistungsstarke Mitarbeiter wie ihn an weniger motivierte Teammitglieder. Außerdem fehlten ihm die finanziellen Anreize, mehr in seine Arbeit zu investieren und seine Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Bei Gravity sah er daher keine Perspektive mehr für sich und kündigte.

    Ist der Traum bald ausgeträumt?

    Aber nicht nur Mitarbeiter kehren Price inzwischen den Rücken. Auch Kunden schreckte die Nachricht über den einheitlichen Lohn ab. In dem Bericht ist von besorgten Kunden die Rede, die eine schleichende Sozialisierung befürchten. Doch das, was die einen abschreckt, lockt andere erst recht an. So freut sich Gravity gleichzeitig über eine Vielzahl an neuen interessierten Kunden, die teilhaben wollen am sozialistischen Märchen. Vor der medialen Aufmerksamkeit konnte Gravity monatlich rund 200 Kunden dazugewinnen. Im Juni waren es plötzlich 350. Allerdings werden sich diese neuen Accounts erst in 12 bis 18 Monaten bezahlt machen, erklärt Price. Zeit, die Gravity vielleicht nicht mehr hat.

    Denn nur zwei Wochen nach der Mindestlohn-Ankündigung ereilte das Unternehmen eine Hiobsbotschaft, die das Ende von Gravity bedeuten könnte. Ausgerechnet Price' eigener Bruder und Mitbegründer von Gravity, Lucas Price, reichte Klage gegen das Unternehmen ein. Dieser hat sich zwar längst aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen,  aber ihm gehören noch immer 30 Prozent am Unternehmen. Nun fordert er seinen Bruder auf, ihn für eine nicht genannte Summe abzufinden.

    Familienstreit bringt Gravity in finanzielle Notlage

    „Dan hat Millionen US-Dollar mit der Firma gescheffelt, während er mir den Gewinn aus meiner Eigentümerschaft verwehrte, und hat seine eigenen Interessen als Mehrheitseigner über die meinen gestellt“, so Lucas Price gegenüber der „New York Times“. Sein jüngerer Bruder bestreitet die Vorwürfe. Lucas habe 2012 einem Gehalt von 1,1 Millionen US-Dollar plus Bonuszahlungen zugestimmt, sagt Dan. Ein Prozesstermin wurde für nächstes Jahr Mai angesetzt.

    Der Rechtsstreit bringt Gravity in eine brenzlige Situation. Denn womit soll das Unternehmen den Bruder abfinden, wenn sämtliche Gewinne in das neue Gehaltsmodell geflossen sind? Ganz zu schweigen von den Anwaltskosten, die Gravity nun zusätzlich zu den gestiegenen Lohnkosten stemmen muss. Aktuell wendet Price dafür sein eigenes Gehalt sowie die 2.2 Millionen US-Dollar Gewinn aus dem vergangenen Jahr auf. Doch dieser Geldberg schmilzt.

    Das Märchen vom Sozialismus am Arbeitsplatz könnte also bald ein jähes Ende finden. Sei es, weil sich das Unternehmen finanziell übernommen hat. Oder weil Mitarbeiter und Kunden den Traum vom gleichen Gehalt für alle nicht länger mittragen wollen.




    wallstreetONLINE Redaktion
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