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    IW-Chef Michael Hüther  4671  6 Kommentare "Ein kleines Konjunkturprogramm" - So retten Flüchtlinge unsere Wirtschaft

    Bisher werden die Flüchtlinge in der öffentlichen Debatte oft als Belastung dargestellt. Ein Fehler, findet Michael Hüther. In Wahrheit seien sie nämlich wie „ein kleines Konjunkturprogramm“ für Deutschland.

    Die Beliebtheit von Angela Merkel schwindet, der Ton von Parteikollegen wird rauer, dennoch hält die Bundeskanzlerin unbeirrt an ihrem Kurs fest. Bei Anne Will machte sie am Mittwochabend deutlich, dass sie keinen Grund für einen Richtungswechsel in der Flüchtlingsfrage. Sie werde sich nicht beteiligen an einem „Wettbewerb, wer ist am unfreundlichsten zu Flüchtlingen, und dann werden sie schon nicht kommen“, so Merkel. Ein klarer Fingerzeig, auch in Richtung CSU-Chef Horst Seehofer.

    Unter den Ökonomen regt sich ebenfalls Widerstand. Bislang dominieren Experten wie ifo-Präsident Hans-Werner Sinn die öffentliche Debatte. Dieser forderte erst eine Abschaffung des Mindestlohns und nun die Anhebung des Rentenalters, „um die Flüchtlinge zu ernähren“, wie er sagt (siehe: ifo-Präsident Sinn fordert radikale Sozialreformen und schärfere Asylpolitik). Doch nun melden sich auch andere Ökonomen zu Wort, die in den Flüchtlingen eben nicht nur eine Belastung, sondern in erster Linie eine Chance sehen. Michael Hüther, Direktor des Instituts für Deutsche Wirtschaft (IW), sieht in ihnen gar ein Segen für die Wirtschaft.

    Flüchtlinge als „Konjunkturprogramm“

    Der Flüchtlingszug wirke „wie ein kleines Konjunkturprogramm“, sagte Hüther gegenüber der „Rheinischen Post“. „Denn der Staat pumpt jetzt viele Milliarden für die Versorgung der Flüchtlinge in die Wirtschaft.“ Diese Ausgaben, so der IW-Chef, versickerten nicht im Ausland, sondern würden im Inland neues Geschäft und neue Arbeitsplätze schaffen.“ Unterstützung bekommt Hüther von Ferdinand Fitchner vom Deutschen Institut für Wirtschaft (DIW). Die Flüchtlinge würden den Großteil an Asylleistungen oder später Hartz IV in den Konsum stecken. Das könnte für die Wirtschaftsleistung einen positiven Effekt von einem Viertelprozentpunkt haben, so der DIW-Experte (siehe hier).

    Flüchtlinge als Konjunkturmotor? Ja, meint auch die Weltbank. „Wenn man es politisch richtig macht, kann diese Ära des demografischen Wandels ein Motor des wirtschaftlichen Wachstums sein“, sagte der Präsident der Weltbank-Gruppe, Jim Yong Kim, am Mittwoch laut dpa-AFX in Lima. Nach Ansicht der Weltbank werde die Wanderungsbewegung von Menschen aus Afrika und dem Nahen Osten in wohlhabendere Weltregionen in den nächsten Jahrzehnten nicht abreißen. Sollte es Ländern mit alternder Bevölkerung gelänge, Flüchtlinge und Migranten in die Volkswirtschaft zu integrieren, könnten alle profitieren. „Die meisten Hinweise belegen, dass Migranten hart arbeiten und über Steuern mehr leisten, als sie über Sozialsysteme konsumieren“, so Jim Yong Kim.

    „Flüchtling ist nicht gleich Fachkraft“

    Andere wiederum dämpfen die Euphorie. „Ob die mit der Flüchtlingsmigration verbundenen Chancen für die Wirtschaft genutzt werden, hängt von wirtschaftspolitischen Weichenstellungen ab, die nicht auf die lange Bank geschoben werden dürfen", mahnen die führenden deutschen Wirtschaftsinstitute in ihrem am Donnerstag vorgestellten Herbstgutachten und stellen klar: Dies sei kein Ersatz für eine „vernünftige Zuwanderungspolitik" (Details zum Herbstgutachten finden Sie hier). Stefan Schreiber, Hauptgeschäftsführer der Dortmunder IHK, warnt ebenfalls vor einer falschen Erwartungshaltung: „Flüchtling ist nicht gleich Fachkraft“, betont er in der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“. In einer Umfrage der Zeitung sehen Verbandvertreter wie Schreiber erhebliche Probleme bei der Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt. So erklärte der Hauptgeschäftsführer der Unternehmerverbandsgruppe in Duisburg, Wolfgang Schmitz: „Kurzfristig werden die allermeisten Flüchtlinge nicht jene Fachkräfte werden, die die deutsche Wirtschaft benötigt.“ Es fehlten vor allem Sprachkenntnisse aber auch weitergehende Qualifikationen. „Deswegen kommt es jetzt darauf an, Flüchtlinge zu qualifizieren, dann werden sie mittel- und langfristig auch zu echten Fachkräften.“

    Konjunkturprogramm, Wachstumsmotor, Arbeitsmarktimpuls, Belastung für die Sozialsysteme … In der Debatte dreht sich alles um den wirtschaftlichen Nutzen der Flüchtlinge. Das ist insofern richtig, als es die Aufgabe der Ökonomen ist, die Dinge aus der wirtschaftlichen Perspektive heraus zu betrachten. Trotzdem sollten wir am Ende des Tages nicht vergessen, dass es hier um Menschen geht. Menschen, zu bunt und zu vielfältig, als dass wir sie allein in die wirtschaftliche „Fluch oder Segen“-Schublade packen sollten.





    wallstreetONLINE Redaktion
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