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    Widerrufsjoker wird abgeschafft  6344  3 Kommentare Skandalöser "Kniefall vor der Bankenlobby" - Finanzindustrie diktiert neues Widerrufsgesetz

    Die Bundesregierung will den Widerrufsjoker bei Immobilienkrediten abschaffen – und zwar rückwirkend. Damit fällt Justizminister Heiko Maas nicht nur vielen Wohnungskäufern in den Rücken. Er fällt vor allem vor der Bankenlobby auf die Knie. Verbraucherschützer schäumen vor Wut.

    Seit dem 2. November 2002 sind Baugeld-Anbieter gesetzlich dazu verpflichtet, im Vertrag über das Widerrufsrecht von 14 Tagen zu informieren. Tun sie das nicht oder nicht hinreichend, können Kreditnehmer jederzeit den Vertrag widerrufen ohne eine Vorfälligkeitsentschädigung zu zahlen, auch nach etlichen Jahren noch. Die Rede ist vom „Widerrufsjoker“. Tatsächlich sollen Verbraucherschützern zufolge bis zu 90 Prozent aller Widerrufsbelehrungen fehlerhaft sein. Laut Stiftung Wartentest geht es um ein Kreditvolumen von bis zu 1,6 Billionen Euro. Weil die Zinsen aktuell viel niedriger und die Vertragskonditionen damit wesentlich besser sind als damals, könnten sich Widerruf und Wechsel zu einem anderen Anbieter durchaus bezahlt machen. Zumal Kreditnehmer dann auch die Möglichkeit haben, vorzeitig zu tilgen.  Das Einsparungspotenzial sei also riesig, konstatierte wallstreet:online Anfang des Jahres und riet: Jetzt den Widerrufsjoker ziehen!

    Bundesregierung will Widerrufsjoker abschaffen

    Heute, knapp zehn Monate später müsste es heißen: Jetzt schnell noch den Widerrufsjoker ziehen! Die Bundesregierung will den Widerrufsjoker bei Immobilienkrediten nämlich im kommenden Jahr abschaffen. Im März 2016 soll das neue Gesetz in Kraft treten. Verbraucher hätten dann noch bis zum Juni Zeit, den Widerrufsjoker zu ziehen, anschließend wäre er für immer Geschichte. Verbraucherschützer schäumen vor Wut, weil das Widerrufsrecht auch rückwirkend bei älteren Verträgen kassiert werden soll. Das entsprechende Gesetz befindet sich bereits in den parlamentarischen Entscheidungsmühlen. Dort sorgt es für mächtig Zündstoff.

    Zunächst einmal stören sich viele an der Tatsache, dass Justizminister Heiko Maas (SPD) überhaupt Handlungsbedarf sieht. Es gehe darum, eine „fortdauernde Verunsicherung für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Unternehmen“ zu beseitigen, „ob ein ‘ewiges‘ Widerrufsrecht bestehe“, erklärt ein Sprecher des Justizministeriums gegenüber dem „manager-magazin“. Aha, der Widerrufsjoker verunsichere also die Verbraucher. Warum? Weil er ihnen die Chance eröffnet, richtig viel Geld zu sparen? Das klingt, mit Verlaub, etwas absurd.

    Bankenlobby hatte ihre Finger im Spiel

    Weit weniger absurd klingt dagegen der Vorwurf, den Verbraucherschützer nun erheben. Für sie ist klar: Hinter diesem Gesetz steckt einzig und allein die Bankenlobby. Und die macht keinen Hehl daraus, dass sie tatsächlich ihre Finger im Spiel hatte.

    Dem Pressesprecher des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), Stefan Marotzke, zufolge habe die Politik den Widerrufsjoker überhaupt erst geschaffen, indem sie eine falsche Muster-Widerrufsbelehrung in Umlauf brachte. Daher sei sie nun „in der Pflicht, auch für Altverträge Rechtssicherheit zu schaffen“, so Marotzke gegenüber dem „manager-magazin“. Die Bankenvertreter hätten Maas lediglich freundlich an diese Pflicht erinnert. „Auf diese Rechtsproblematik haben wir die am Gesetzgebungsprozess Beteiligten aktiv hingewiesen und den aus unserer Sicht bestehenden konkreten Handlungsbedarf näher aufgezeigt.“ Mit anderen Worten: Die Lobbyisten haben so lange Druck ausgeübt, bis die Politik eingeknickt ist.

    Experten sind empört über Maaß‘ „Kniefall“

    Dafür spricht auch, dass diese Regelung, wonach der Widerrufsjoker auch für Altverträge abgeschafft werden soll, ursprünglich gar nicht vorgesehen war. Im ersten Gesetzesentwurf des Justizministeriums fehlt der besagte Passus. Er wurde erst später durch den „Ausschuss für Städtebau, Wohnungswesen und Raumordnung“ hinzugefügt. Das „manager-magazin“ ist empört über diesen Vorgang: Selten konnte die Öffentlichkeit so unverstellt beobachten, wie eine Lobbygruppe in der Gesetzgebung knallhart ihre Interessen durchsetzt.

    Es sei „ein ziemlicher Hammer“, kommentiert Dorothea Mohn von der Verbraucherzentrale Berlin. Noch deutlich wird Matthias Corzelius, Bankrechtler bei Göddecke in Siegburg. „Dieses Gesetzesvorhaben ist ein einziger Kniefall vor der Bankenlobby“, schimpft er im „Handelsblatt“. „Das ist eine ganz bewusste Schädigung der Verbraucherinteressen“, wettert der Düsseldorfer Anwalt Julius Reiter. Gerhard Schlick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, kritisiert bei wallstreet:online: Die Koalition mache der Kreditwirtschaft hier offenbar „auf Zuruf ein Geschenk zulasten von tausenden Verbrauchern.“ (Lesen Sie hier den vollständigen Kommentar des Oppositionspolitikers und lesen Sie hier, was Sie als Verbraucher jetzt tun sollten)




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