Zweifel am revolutionären Testverfahren
Elizabeth Holmes und der Bluttropfen-Test: Mehr Schein als Sein?
Mit ihrer Idee, Bluttests auf Basis weniger Bluttropfen zu entwickeln, zog Elizabeth Holmes Patienten wie Investoren in ihren Bann. Diese überschütteten Holmes‘ Firma Theranos mit Millionen. Doch nun kommen erste Zweifel an den Tests auf. Der Druck wächst.
Die Geschichte um Elizabeth Holmes klingt wie ein Märchen. Eine junge Teenagerin will die Welt verändern. Genauer gesagt will sie Bluttests revolutionieren. Weil sie Angst vor Spritzen hat, sucht sie nach alternativen Testmöglichkeiten, die nicht nur weniger schmerzhaft, sondern auch billiger sind. Die 19-jährige ist derart überzeugt von ihrer Idee, dass sie kurzerhand ihr Studium an der Uni Standford abbricht, um ihr eigenes Unternehmen zu gründen. Diese Teenagerin heißt Elizabeth Holmes. Zwölf Jahre später beschäftigt ihr Unternehmen Theranos 700 Mitarbeiter und soll rund neun Milliarden US-Dollar wert sein (Lesen Sie hierzu auch: Elizabeth – Die Frau, die auch Ihre Schmerzen lindert).
Zusammen mit der US-Drogeriekette Walgreens eröffnete das Unternehmen 42 sogenannte „Wellness Center“ in Arizona und California. Seit 2013 können Patienten dort ihr Blut testen lassen. Der von Theranos entwickelte Bluttest „Edison“ wird zur Sensation. Doch nun bekommt das perfekte Image Kratzer. Ein Bericht des „Wall Street Journal“ nährt Zweifel an der Exaktheit des Bluttests.
Ergebnisse weichen deutlich vom Durchschnitt ab
Demnach würden die Ergebnisse des Edison-Tests teils deutlich von den Durchschnittwerten anderer Testverfahren abweichen. Die amerikanische Food and Drug Administration (FDA) überprüft die Genauigkeit von Bluttests anhand einer Peergroup. Sprich, die Ergebnisse eines Tests müssen mit den Durchschnittswerten aus anderen Laboren übereinstimmen. Auch Theranos habe laut dem „WSJ“ Anfang 2014 solche „proficiency-tests“ durchgeführt haben: Einmal mit dem Vorzeigetest Edison und einmal auf Basis alter Testverfahren. Allerdings sollen aufgrund von Abweichungen bei den Edison-Ergebnissen nur die anderen tatsächlich an die FDA übermittelt worden sein. Das gehe aus internen E-Mails hervor. Sunny Balwani, Präsident von Theranos, soll die Labormitarbeiter daraufhin angewiesen haben, künftig keine eigenen Edison-Maschinen mehr für die FDA-Kontrolltests zu verwenden, sondern nur noch Maschinen, die auch in anderen Laboren eingesetzt werden.
Theranos-Justiziarin Heather King verteidigte diese Anweisung gegenüber dem „WSJ“. Da es sich bei Edison um eine einzigartige Technologie handele, gäbe es noch keine eigene Peergroup. Vergleiche mit herkömmlichen Testverfahren könnten somit zu Abweichungen führen. Fallbeispiele, die in dem Bericht genannt werden und ebenfalls die These stützen, wonach der Edison-Bluttest ungenau sei, wies King zurück. Es sei irreführend, Schlüsse aus „einer Handvoll Patienten-Anekdoten“ zu ziehen.
Theranos wendet Bluttropfen-Test fast gar nicht an
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Die Genauigkeit des Bluttests ist aber nicht die einzige Ungereimtheit bei Theranos. Wie das Journal weiter berichtet, soll Theranos seinen eigenen revolutionären Bluttest nämlich fast gar nicht anwenden. Stattdessen setzt das Unternehmen offenbar auf herkömmliche Verfahren – obwohl genau mit dem Gegenteil geworben wird.
Ende 2014 soll das Edison-Verfahren bei weniger als 10 Prozent der insgesamt 240 Tests zum Einsatz gekommen sein, behaupten vier ehemalige Mitarbeiter. Statt den versprochenen wenigen Bluttropfen wurde den Patienten ganz normal mit einer Kanüle Blut abgenommen.
Inzwischen hat auch Theranos-Gründerin Elizabeth Holmes eingeräumt, nur noch einen einzigen Bluttropfen-Test durchzuführen. Alle anderen Tests basierten auf herkömmlichen Verfahren, so Holmes bei einer Techkonferenz in Californien. Theranos befinde sich demnach in einer "Pausen-Periode". Sie bestätigte außerdem, dass die FDA im August einen unangekündigten Kontrollbesuch durchgeführt habe. Daraufhin sei die Zahl der Edison-Tests reduziert worden. Diese Entscheidung habe allerdings nichts mit der Genauigkeit oder der Leistung des Tests zu tun, betonte Holmes.
Doch Investoren und Partner scheinen langsam nervös zu werden. Als einer der Ersten hat nun Walgreen auf die Vorwürfe reagiert und den Ausbau neuer Wellness Center erst einmal auf Eis gelegt. Man wolle warten, bis das Start-Up „Fragen zu ihrer Technologie geklärt“ hat, berichtet der "Business Insider".