Steuern auf Kapitaleinkünfte
Abgeltungssteuer - Vom „verfassungswidrigen Privileg“ zu "massiver Steuererhöhung"?
In der Großen Koalition wächst die Bereitschaft, die pauschal erhobene Abgeltungssteuer von 25 Prozent auf Kapitalerträge zu streichen. Stattdessen sollen Erträge aus zum Beispiel Zinsen auf Sparbücher, Dividenden oder Gewinne bei Veräußerung von Wertpapieren über den persönlichen Einkommensteuersatz abgegolten werden. Kippt das Steuerprivileg für die Bezieher hoher Zinseinkünfte, würde das für die Betroffenen in den meisten Fällen eine steuerliche Mehrbelastung bedeuten.
Die Abgeltungssteuer wurde im Jahr 2009 von Schäubles Vorgänger, dem SPD-Politiker Peer Steinbrück, eingeführt. Die Argumentation damals: Privatpersonen und Unternehmen könnten Gelder am Fiskus vorbei ins Ausland transferieren. Doch durch den automatischen Informationsaustausch über Kapitaleinkünfte, der 2017 in Kraft tritt, entfällt diese Voraussetzung.
Steuererhöhungen noch in dieser Legislaturperiode?
Doch so schnell mahlen die Mühlen nicht. So erklärte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU): Er wolle "in der nächsten Legislaturperiode darüber nachdenken, ob wir die Steinbrücksche Steuerreform bei der Kapitalertragsteuer, die ja mit der Unvollkommenheit der Erfassung von Kapitaleinkünften begründet war, zur Disposition stellen", zitiert ihn die „Süddeutsche Zeitung“. Die Worte sind sorgsam gewählt, ist doch die aktuelle Bundesregierung angetreten, die Steuern nicht zu erhöhen. Also erst im Jahr 2017.
Das geht dem Koalitionspartner SPD nicht schnell genug: “Ab Anfang 2017 gilt der automatische Informationsaustausch, deshalb brauchen wir dann die Abgeltungssteuer nicht mehr", sagte SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider kürzlich dem Nachrichtenmagazin "Focus". Der SPD-Finanzexperte fordert, die pauschale Abgabe von 25 Prozent auf Kapitalerträge noch in dieser Legislaturperiode abzuschaffen und Einkünfte aus Zinsen oder Dividenden dem persönlichen Steuersatz zu unterwerfen.
Abgeltungssteuer - Ein verfassungswidriges Privileg?
Für die Grünen ist das eh eine verschenkte Debatte. Nach ihrer rechtlichen Einschätzung verstößt die Abgeltungssteuer gegen den Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz und sollte durch den Bundestag abgeschafft werden. In einem Rechtsgutachten, aus dem die „Berliner Zeitung“ zitiert, spricht der Jurist Joachim Englisch bei der Abgeltungssteuer von einem „verfassungswidrigen Privileg für Besitzer hoher Kapitaleinkünfte.“
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Abschaffung der Abgeltungssteuer bedeutet massive Steuererhöhung
Kritik an den Plänen des Bundesfinanzministeriums zur Abschaffung der Abgeltungssteuer kommt aus der Ecke der FDP: "Allen Rekordsteuereinnahmen zum Trotz bereitet Wolfgang Schäuble eine massive Steuererhöhung vor. Die Abschaffung der Abgeltungssteuer ist eine Schlechterstellung für alle Sparerinnen und Sparer, deren Einkommensteuersatz über 25 Prozent liegt", so FDP-Präsidiumsmitglieds Volker Wissing. "Sie geht damit voll zulasten niedriger und mittlerer Einkommen."
In das gleiche Horn tönt der liberale Finanzexperte Hermann Otto Solms: "Obwohl die Koalition Steuererhöhungen ausgeschlossen hat, bereitet sie die nächste Mehrbelastung vor“, so Solms gegenüber dem „Fokus“ und ergänzt: "Kapitalerträge in einer Zeit zu besteuern, in der sie ohnehin durch die Niedrigzinspolitik der EZB belastet sind, wäre ein Zeichen von Rücksichtslosigkeit und politischer Arroganz.“