checkAd

    Solvency II, Januar 2016, Regeln, Gesetz, EU, Verbraucher, Versicherungsbranche  3354  0 Kommentare
    Anzeige
    Solvency II vor dem Start: So bereitet sich die Versicherungsbranche

    Die Regulierung (Solvency II) bedeutet einen deutlichen Einschnitt für die Branche. Nicht alle Unternehmen werden damit gleichermaßen klarkommen. Lesen Sie hier, was der Versicherungsbranche bevorsteht.

    Am 1. Januar 2016 tritt Solvency II in Deutschland in Kraft. Das EU-Gesetzesvorhaben führt eine neuartige harmonisierte Versicherungsaufsicht ein, es wird in allen 28 Mitgliedsländern der EU umgesetzt. Mit den neuen Richtlinien werden Verbraucher besser geschützt. Die Regeln sollen außerdem zu mehr Stabilität führen. Krisen, die das gesamte Finanzsystem erschüttern könnten, sollen durch die verbesserte Aufsicht verhindert oder zumindest abgemildert werden.

    Das neue Gesetzeswerk Solvency II ist komplex und in seinen Details vor allem für Fachleute der Branche bedeutsam. Dennoch sollte die Auswirkung auf Verbraucher nicht unterschätzt werden. Der CEO der Swiss Life Deutschland, Markus Leibundgut, sieht in den Solvency-II-Vorgaben einen Schutz der Verbraucher. Gegenüber Focus sagt er: „Die weltweite Finanzkrise und die darauf folgende Euro-Krise haben den Verbrauchern dann nochmals vor Augen geführt, dass Finanzstärke und ein professionelles Risikomanagement wichtige Kriterien bei der Auswahl eines Versicherers sein sollten.“ Schließlich wird eine der direkten Folgen von Solvency II eine deutlich höhere Eigenmittelunterlegung der langlaufenden Zinsgarantien sein, was letztlich den Verbrauchern zugutekommt.

    Anzeige 
    Handeln Sie Ihre Einschätzung zu Swiss Life Holding AG!
    Long
    564,40€
    Basispreis
    0,55
    Ask
    × 11,48
    Hebel
    Short
    684,83€
    Basispreis
    0,83
    Ask
    × 7,60
    Hebel
    Präsentiert von

    Den Basisprospekt sowie die Endgültigen Bedingungen und die Basisinformationsblätter erhalten Sie bei Klick auf das Disclaimer Dokument. Beachten Sie auch die weiteren Hinweise zu dieser Werbung.

    Eigenmittelausstattung zum Schutz vor Insolvenz

    Der Begriff „Solvency“ – auf deutsch Solvabilität – beschreibt die Eigenmittelausstattung im Bankwesen und bei Versicherungen. Nur mit ausreichenden Eigenmitteln können Versicherer die Verpflichtungen erfüllen, die sie gegenüber ihren Kunden eingehen. Sollten die Eigenmittel nicht dazu ausreichen, müsste auch ein Versicherer Insolvenz erklären – was neben den direkten Verlusten für die Kunden dieses Unternehmens auch zu einer großen Verunsicherung in der Branche insgesamt führen würde. Solche Szenarien soll das neue Regulierungspaket verhindern.

    Solvency II ist das Ergebnis eines langen Prozesses. Viele Jahre wurde verhandelt, das Inkrafttreten mehrfach verschoben. Im März stimmte auch der deutsche Bundesrat dem Gesetz zu, sodass am 1. Januar 2016 die neuen Regeln tatsächlich in Kraft treten. Es gibt allerdings eine lange Übergangsphase von bis zu 16 Jahren, damit die deutschen Versicherungsunternehmen Zeit haben, sich an die neuen höheren Anforderungen anzupassen.

    Dies sind die Ziele der EU-weiten Vereinheitlichung

    • verbesserter Verbraucherschutz
    • verbesserte Aufsicht über die Branche durch die Aufsichtsbehörden
    • stärkere EU-Integration durch die Harmonisierung der verschiedenen Aufsichtssysteme
    • verbesserte Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Versicherungskonzerne
     

    Wie der Markt die Aussichten der Versicherungskonzerne beurteilt

    Die Versicherungskonzerne reagieren unterschiedlich auf die neuen Anforderungen. Einige, wie die Swiss Life-Gruppe, reagieren gelassen, weil sie bereits in den vergangenen Jahren den schärferen Schweizerischen Vorschriften genügt haben. Die Aktie der Swiss Life AG legt zur zweiten Jahreshälfte deutlich zu, die Anleger zeigen sich optimistisch, was die Umsetzung von Solvency II in diesem Unternehmen angeht. Andere Versicherungsunternehmen, die bereits vorab die neuen – niedrigeren – Quoten veröffentlichen, werden vom Aktienmarkt abgestraft. Das Handelsblatt nennt in diesem Zusammenhang die niederländischen Versicherer Delta Lloyd und Aegon.

    Bild: Chart von der Swiss Life AG. Seit Ende September legte der Kurs des Unternehmens kräftig zu. Bildquelle: Boersenpoint.de

    Die Großen der Branche dürften generell für die Umstellungen besser gerüstet sein. Zur Auswirkung von Solvency II auf Swiss Life Deutschland sagt CEO Markus Leibundgut, das Unternehmen sei dank der Finanzstärke und engen Einbindung in die Swiss-Life-Gruppe und dank des konsequenten Margen- und Risikomanagements in einer guten Position. Die kapitalkräftigsten Versicherungskonzerne hatten im Jahr 2014 Solvabilitätsquoten von durchweg über 200 Prozent. Auch nach den neuen Anforderungen im Jahr 2016 dürften diese Versicherer stabil dastehen.

    So funktionert Solvency II

    Die Berechnung der neuen Quoten ist ein wichtiger Bestandteil von Solvency II, aber bei Weitem nicht der einzige. Das umfassende Regelwerk ruht auf drei Säulen. Die erste Säule sind die höheren Anforderungen an die Kapitalausstattung; im Interesse der Verbraucher und der Finanzmärkte sollen alle Versicherungsunternehmen auch in Krisenzeiten aus eigener Kraft sicher bestehen. Die zweite Säule beschreibt Governance-Systeme, mit denen die Unternehmen ihre Risiken im Blick behalten. Die dritte Säule sind umfangreiche Berichtspflichten der Unternehmen an die Aufsichtsbehörden und die Öffentlichkeit.

    Säule 1: Kennzahlen zur Kapitalausstattung

    Der Kern von Solvency II sind die verschärften Anforderungen an die Kapitalausstattung der Versicherungsunternehmen. Diese Anforderungen werden in Kennzahlen ausgedrückt. In komplizierten mathematischen Modellen werden die Solvenzkapitalanforderung (SCR) und die Mindestkapitalanforderung (MCR) berechnet. Wenn die SCR bei 100 Prozent liegt, sind alle risikobasierten Kapitalanforderungen gedeckt. Dieser Wert sollte im Regelfall erreicht werden, das erwarten die Regulierer der EU und der nationalen Aufsichtsbehörden.

    Während die SCR die wünschenswerte Kapitalausstattung beschreibt, kennzeichnet die MCR die Untergrenze. Sie beschreibt die Eigenmittelquote, die mindestens nötig ist, um die eingegangenen Verpflichtungen aus den versicherungstechnischen Berechnungen zu erfüllen – ohne jeden Puffer für Marktrisiken, die das Anlagevermögen schmälern könnten, für Zinsrisiken oder für sonstige Risiken. Sollte ein Unternehmen die Mindestkapitalanforderung (MCR) unterschreiten, kann die Aufsichtsbehörde im Extremfall die Versicherungslizenz entziehen.

    Bewertungsvorschriften für Risiken und Vermögenswerte

    Im Solvency-II-Verfahren werden Eigenmittel und die eingegangenen Verpflichtungen marktgerecht und risikogerecht bewertet. Und das geht so: Auf der Passivseite stehen die Risiken aus dem Geschäftsmodell. Sachversicherer beispielsweise müssen auch mit sehr seltenen und sehr großen Naturkatastrophen rechnen, die statistisch gesehen nur alle 200 Jahre eintreten. Sie sind verpflichtet, so viel Kapital verfügbar zu halten, dass sie solche Negativereignisse verkraften.

    Auf der Aktivseite (wo das Vermögen etwa in Form von Aktien verbucht wird) müssen nach den neuen Regeln die Vermögenswerte zum aktuellen Marktwert bewertet werden. Lebensversicherungen beispielsweise investieren die Prämien ihrer Kunden, um die Rendite zu erwirtschaften, die sie ihnen in den Lebensversicherungspolicen zugesagt haben. Dabei macht es für die Bewertung der Anlagen einen großen Unterschied, ob (wie bislang) ein Durchschnittszinssatz aus der Vergangenheit oder der aktuelle Marktzins herangezogen wird.

    Diese Anforderungen sind allerdings nicht schlagartig zum 1. Januar 2016 zu erfüllen, was viele Konzerne vor erhebliche Schwierigkeiten stellen würde. Stattdessen gibt es Übergangsregelungen. Beispielsweise können die deutschen Lebensversicherungsunternehmen die neuen Bewertungsvorschriften für ihre Altverträge über 16 Jahre hinweg schrittweise einführen.

    Säule 2: Das Governance-System

    Risiken und Vermögen werden nach mathematischen Grundsätzen bewertet – doch dies allein kann nicht garantieren, dass ein Unternehmen auch in der Krise stabil ist. Daher werden die Solvency-II-Anforderungen um Vorschriften zur sogenannten Governance ergänzt. Governance beschreibt in diesem Zusammenhang den Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung eines Unternehmens.

    Das Kernelement der Governance-Regeln von Solvency II ist das Beurteilungssystem ORSA. Das Kürzel steht für „own risk and solvency assessment“, also die unternehmenseigene Risiko- und Solvabilitätsbeurteilung. Die Idee dahinter: Das Unternehmen selbst überprüft wieder und wieder, ob seine Strukturen für ein gutes Risikomanagement angemessen sind, ob sein Führungspersonal mit Risiken verantwortungsbewusst umgeht und ob die nötigen Sicherungen und Sicherungssysteme zur Vermeidung von Risiken installiert sind. Die Ergebnisse dieser Prüfung werden in einem jährlichen Bericht für die Aufsichtsbehörden zusammengefasst.

    Die richtigen Personen an den richtigen Stellen

    Die Sovency-II-Regulierung schreibt weiterhin vor, dass die Aufgaben der unternehmenseigenen Risiko- und Solvabilitätsbeurteilung mit festen Funktionen im Unternehmen verknüpft werden. Dazu gehören ein Verantwortlicher (oder eine Verantwortliche) für das Risikomanagement sowie ein Verantwortlicher für die versicherungsmathematische Berechnung der Rückstellungen und der nötigen Kapitalausstattung. Zusätzlich ist ein Complicance Officer für das interne Kontrollsystem zuständig, während zuletzt die interne Revision regelmäßig das gesamte Governance-System daraufhin überprüft, ob es angemessen und wirksam ist.

    Die Verantwortlichen im Unternehmen und die Personen mit Schlüsselqualifikation müssen außerdem ausreichend qualifiziert für ihre Aufgabe sein und persönliche Anforderungen erfüllen. Diese Vorgaben sollen sicherstellen, dass in den Unternehmen die richtigen Menschen an der richtigen Position verantwortungsvolle Entscheidungen treffen.

    Säule 3: Berichte an BaFin und Öffentlichkeit

    Um die Vorschriften von Sovency II zu erfüllen, führen die Unternehmen zusätzliche Berichte ein. Diese richten sich zum einen an die Aufsichtsbehörde, in Deutschland an die BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht). Zum anderen richten sich Berichte an Kunden, Investoren und die interessierte Öffentlichkeit. Diese Veröffentlichungsvorschriften werden insgesamt zu größerer Transparenz innerhalb der Versicherungsbranche führen. Außerdem erhebt die BaFin Daten zur Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Lage und Entwicklung der Versicherungsbranche und ihrer Risiken für das Finanzsystem.

    Dies sind die wichtigsten Berichte:

    • Der Bericht zur Solvabilität und Finanzlage (SFCR-Bericht). Er enthält die wesentlichen wirtschaftlichen Ereignisse des vergangenen Jahres und einen Überblick über die aktuelle Solvenz-Situation sowie einen Ausblick auf die künftige Geschäfts- und Risikoentwicklung. Fachleute erwarten ein Mehr an Transparenz, berichtet wird beispielsweise auch über die Kapitalanlagestrategie und die Vergütung der Manager. Dieser Bericht ist öffentlich.
    • Der Bericht an die Aufsichtsbehörde. Er enthält Angaben zum Geschäftsverlauf und Ergebnis, zum Risikomanagement, zu den Bewertungen und weitere Kennzahlen.
    • Ein Bericht über die oben erläuterte ORSA – die unternehmenseigene Risiko- und Solvabilitätsbeurteilung –, der sich ebenfalls an die Aufsichtsbehörde richtet.
    • Die zeitnahe Aufsicht über die Versicherungsbranche wird möglich, weil die Unternehmen neben den jährlichen auch vierteljährliche Datenreports an die BaFin schicken.

     

    Was bedeutet Solvency II für Lebensversicherungsverträge?

    Viele Verbraucher haben zur Altersvorsorge und Risikoabsicherung eine Lebensversicherung abgeschlossen – über viele Jahrzehnte war sie das Lieblingsprodukt der Deutschen. In den letzten Jahren jedoch gerät die Lebensversicherung als Produkt wegen der niedrigen Zinsen zunehmend in die Diskussion. Nun soll der Garantiezins in seiner jetzigen Form abschafft werden. Mit dem Garantiezins legt der Gesetzgeber fest, welche Erträge der Lebensversicherer seinen Kunden höchstens garantieren darf. Aktuell liegt er aufgrund der anhaltend niedrigen Zinsen nur noch bei 1,25 Prozent.

    Weil die geplante Änderung die Verbraucher verunsichern könnte, sind die Lebensversicherungsunternehmen von der geplanten Änderung nicht begeistert. Der Verband der deutschen Versicherer GDV fordert, erst die Veränderungen abzuwarten, die mit Solvency II auf die Branche zukommen, bevor der Garantiezins abgeschafft wird.

    Doch praktisch wird die Abschaffung des Garantiezinses kaum Auswirkungen für die Verbraucher haben. Mit Solvency II garantieren Lebensversicherer, dass sie immer über genug Kapital verfügen, um den Kunden die Erträge auszahlen zu können, die sie zugesagt haben. Ein Garantiezins ist daher nicht mehr nötig. Bestehende Lebensversicherungen sind übrigens nicht von den Änderungen betroffen.




    Martin Brosy
    0 Follower
    Autor folgen
    Mehr anzeigen
    Martin Brosy ist Tradingcoach und Mitbegründer der Trading Ausbildung www.trademy.de. Großen Einfluss auf sein ökonomisches Weltbild haben die Publikationen von Karl-Heinz Paqué und Joseph Schumpeter. Als Börsianer inspirieren ihn die Ansätze von Buffett, Burry, Livermore und Lynch.
    Mehr anzeigen

    Verfasst von Martin Brosy
    Solvency II, Januar 2016, Regeln, Gesetz, EU, Verbraucher, Versicherungsbranche Solvency II vor dem Start: So bereitet sich die Versicherungsbranche Am 1. Januar 2016 tritt Solvency II in Deutschland in Kraft. Das EU-Gesetzesvorhaben führt eine neuartige harmonisierte Versicherungsaufsicht ein, es wird in allen 28 Mitgliedsländern der EU umgesetzt. Mit den neuen Richtlinien werden Verbraucher besser geschützt. Die Regeln sollen außerdem zu mehr Stabilität führen. Krisen, die das gesamte Finanzsystem erschüttern könnten, sollen durch die verbesserte Aufsicht verhindert oder zumindest abgemildert werden.

    Disclaimer