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     2938  1 Kommentar Manchmal darf nur der Hofnarr die Wahrheit sagen

    Zehn Jahre lang habe ich an der Universität im Bereich der Volkswirtschaftslehre studiert und als Assistent gearbeitet. In dieser Zeit habe ich nahezu alle wichtigen Wirtschaftstheorien kennengelernt.

     

    Was ich jedoch am letzten Sonntag auf 3sat im Kabarettprogramm von Christoph Sieber erfahren habe, schlägt alle diese Theorien bei Weitem.

     

    Für mich ist das die beste Erklärung der Funktionsweise unseres gegenwärtigen Wirtschaftsmodells, die ich kenne. Die Form ist allerdings etwas gewöhnungsbedürftig, denn Sieber bedient sich der antiken Form des Gleichnisses.

     

    Ich habe die entscheidenden Passagen davon mitgeschrieben. Hier sind sie:

     

    Jemand kauft bei einem befreundeten Gebrauchtwagenhändler für 1.000 Euro einen Gebrauchtwagen. Und weil er den Gebrauchtwagenhändler kennt, überweist er die 1.000 Euro schon im Voraus. Dafür will der Gebrauchtwagenhändler ihm das Auto dann auch persönlich vorbeibringen.

     

    Dabei geht jedoch das Auto kaputt. Der Gebrauchtwagenhändler ruft mit schlechtem Gewissen an und erzählt davon, woraufhin der Käufer sagt: Kein Problem, dann solle er halt das Geld zurücküberweisen.

     

    Der Gebrauchtwagenhändler hat damit jedoch bereits Schulden zurückgezahlt. Das Geld ist also weg. Darauf entgegnet der Käufer: Kein Problem, er würde das Auto verlosen.

     

    Zwei Wochen später treffen sich die beiden in einer Kneipe wieder. Mit unvermindert schlechtem Gewissen fragt der Gebrauchtwagenhändler, wie denn die Verlosung gelaufen sei, woraufhin der Käufer sagt:

     

    „Super, ich habe 500 Lose zu 5 Euro verkauft. Ich habe 2.500 Euro gemacht. Minus der 1.000 Euro, die ich bei dir versenkt habe, habe ich immer noch 1.500 Euro Gewinn.“

     

    Daraufhin entgegnet der Gebrauchtwagenhändler: „Aber das Auto war doch kaputt, hat sich da keiner beschwert?“

     

    „Doch, der eine, der es gewonnen hat. Dem habe ich das Geld zurückgegeben.“

     

    Lassen Sie das jetzt einmal in Ruhe auf sich wirken!

     

    Dann lösen sich nämlich bald alle vermeintlichen Unstimmigkeiten, die sich beim ersten Lesen ergeben, komplett auf. Und Sie sehen klar, wer wer ist und was abläuft.

     

    Das Bild, das sich dabei ergibt, sieht allerdings nicht schön aus. Aber so isses eben.

     


    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
    Manchmal darf nur der Hofnarr die Wahrheit sagen Wie die Wirtschaft in Wirklichkeit funktioniert