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    Marktkommentar  2144  0 Kommentare Wallrich: Europa fällt politisch weiter auseinander. Was bedeutet das für den Euro?

    In vielen europäischen Ländern sind rechtspopulistische Parteien auf dem Vormarsch. Im Süden gewinnen die Linken dagegen zunehmend an Macht. Für die Stabilität des Euros ist das Auseinanderdriften der Parteienlandschaft alles andere als förderlich.

    Am Ende hat es zum Glück doch nicht ganz gereicht. Nachdem der Front National (FN) in der ersten Runde der französischen Regionalwahlen noch in sechs von 13 Regionen vorne gelegen hatte, konnten die Rechtsextremen unter der Führung von Marine Le Pen eine Woche später keinen einzigen Wahlkreis gewinnen. Sowohl dem konservativ-bürgerlichen Lager, wie auch dem Bündnis der regierenden Sozialisten war es im entscheidenden zweiten Wahlgang etwas besser gelungen, ihre Wählerschaft zu mobilisieren. Der Partei von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy kam zudem zugute, dass einige aussichtslose Kandidaten der Sozialisten nicht angetreten waren, um den Front National mit landesweit 27,4% der Stimmen den Durchmarsch an die Spitze zu verbauen. Das ist dank des französischen Mehrheitswahlrechts zwar gelungen, zu einer Verdreifachung der FN-Sitze in den Regionalparlamenten kam es dennoch. Auch wenn sich die Partei bei den 2017 anstehenden Präsidentschaftswahlen in einem zweiten Wahlgang wohl kaum gegen dann nur noch einen Gegner wird durchzusetzen können, wird ihre politische Ausrichtung inzwischen doch von einem sehr signifikanten Teil der Bevölkerung mitgetragen.

    Dabei zeigt der Blick über die französischen Grenzen hinaus, dass Ähnliches auch für viele andere Länder des alten Kontinents gilt. Rechtspopulistische und europaskeptische Parteien gewinnen fast überall an Bedeutung: In Österreich käme die asylkritische Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) bei Nationalratswahlen laut entsprechender Umfragen derzeit auf 33%. Geert Wilders würde mit seiner islamkritischen Partei für die Freiheit (PVV) in den Niederlanden aktuell 23,5% erreichen, Die Wahren Finnen schafften mit ihrer europakritischen Haltung bei den Parlamentswahlen im Frühjahr 18%, die Dänische Volkspartei konnte im Juni 21,1% (+8,8 Prozentpunkte) auf sich vereinen, und hierzulande bringt es die Alternative für Deutschland (AfD) bei der sogenannten Sonntagsfrage inzwischen auf Werte um die zehn Prozent, usw., usf.

    Im Fokus der Rechtspopulisten Europas steht derzeit eindeutig die Asylpolitik. Aber auch bezüglich der Europäischen Union, sowie des Euros, ist ihre Haltung alles andere als integrativ. So setzen sich fast alle Parteien der besagten Couleur für eine deutliche Verringerung des Einflusses aus Brüssel ein. Marine Le Pen wirbt mit einem Austritt aus dem Euro (und im "Optimalfall" auch aus der EU) und der Rückkehr zu einer eigenen Währung. Nur so sei die nationale Souveränität und damit verbunden der ehemalige Wohlstand Frankreichs wieder herzustellen. Der finnische Außenminister Timo Soini (Wahre Finnen) gilt als überaus euroskeptisch und forderte im Sommer vehement den Grexit. Ebenfalls äußerst kritisch wird der Euro von Teilen der FPÖ gesehen, auch wenn klare Aussagen bezüglich eines Austritts vermieden werden. Ganz anders bei der AfD. Zwar ist das Thema seit dem Parteiaustritt Bernd Luckes in den Hintergrund getreten, eine "geordnete Auflösung des Euro-Währungsgebietes" gehört aber nach wie vor zur Programmatik der Alternative für Deutschland. Gefordert wird "die Wiedereinführung nationaler Währungen oder die Schaffung kleinerer und stabilerer Währungsverbünde." Dabei dürfe die Wiedereinführung der DM kein Tabu sein. Rechtspopulistische und auch rechtskonservative Parteien und Politiker außerhalb des Euroraums, wie etwa der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán oder die polnische PiS mit ihrem Parteichef Jaroslaw Kaczynski, lehnen einen Beitritt zur Gemeinschaftswährung in aller Regel uneingeschränkt ab.

    In beiden Fällen ist zudem auf die Einschränkung demokratischer Grundrechte zu verweisen, unter der der Zusammenhalt und die "Funktionsfähigkeit" Europas deutlich stärker leiden werden als unter der Ablehnung des Euros. So hat die polnische Ministerpräsidentin Beata Szydlo seit dem Gewinn der absoluten Mehrheit der Parlamentssitze Ende Oktober 2015 mit ihrer PiS gerade einmal zwei Monate benötigt, um kritische Medien und das Verfassungsgericht unter ihre Kontrolle zu bringen.

    In den südlichen Ländern Europas gewinnen dagegen die Linksparteien immer mehr Macht. Diese haben Alexis Tsipras und seine Syriza dazu genutzt, das Land wirtschaftlich gegen die Wand zu fahren. Portugal wird neuerdings von einer gemäßigt sozialistischen Minderheitsregierung regiert, die zur Sicherung der Parlamentsmehrheit allerdings mit jeder der drei radikaleren Linksparteien separate Abkommen abschließen musste. Und in Spanien hat es die neue linkspopulistische Podemos ("Wir können") Mitte Dezember auf über 20% der Stimmen gebracht. Die Regierungsbildung dürfte sich überaus schwierig gestalten.

    Am Euro lassen sich die Folgen des politischen Auseinanderdriftens Europas bereits jetzt ablesen. Notierte die Gemeinschaftswährung im Mai 2011 noch bei annähernd 1,50 US-Dollar, sind es derzeit weniger als 1,10 USD je Euro. Natürlich werden Wechselkurse zu einem Großteil vom Wirtschaftswachstum innerhalb der jeweiligen Währungsräume sowie der Höhe der Zinsen und ihrer Entwicklung beeinflusst. Parallel zum Verfall des Euros hat aber auch dessen Bedeutung im internationalen Zahlungsverkehr abgenommen. Lag sein Anteil laut Swift (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication) Anfang 2012 noch bei 44%, waren es zwei Jahre später nur noch 33,5%. Inzwischen ist der Anteil der Gemeinschaftswährung sogar auf 28,6% zusammengeschmolzen. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, dass die Aufnahme des Yuan in den Währungskorb des Internationalen Währungsfonds zum Oktober 2016 insbesondere zu Lasten der europäischen Währung gehen wird. Während der US-Dollar-Anteil praktisch unverändert bleibt, wird sich das Gewicht des Euros von 37,4 auf 30,9% verringern.

    Grundsätzlich ist ein Auseinanderbrechend der Eurozone oder eine Aufspaltung in zwei oder drei Währungsräume auch auf längere Sicht extrem unwahrscheinlich. Die Verwerfungen an den Kapitalmärkten sowie die sonstige Konsequenzen wären zu gravierend, als dass dieses Risiko eingegangen werden könnte. Auf der anderen Seite des Spektrums steht das Wiedererstarken der politischen Mitte Europas. Die Kompetenzverlagerung nach Brüssel würde weitergehen, die Integration vorangetrieben werden. Grexit oder Brexit (spätestens 2017 sollen die Briten über einen Austritt aus der Europäischen Union abstimmen) wären kein Thema mehr. Hierfür scheint momentan allerdings der Mut, der Wille und die Einigkeit zu fehlen.

    Bliebe als letztes der mit Abstand wahrscheinlichste Fall, das "Durchwurschteln" wie bisher. Agiert, reagiert und regiert wird von einer Krise zur nächsten mit unterschiedlichen europäischen Koalitionen. Dabei sehen sich die "etablierten" Parteien einem wachsenden Druck von rechts und links ausgesetzt, was sie immer stärker dazu verleitet, auf kurzfristige Stimmungen und Opportunitäten ihrer Wählerschaft einzugehen. Der Euro wird schleichend an Bedeutung verlieren. Noch stärker als im Frühjahr dieses Jahres könnte es bei gegebenem Anlass zudem dazu kommen, dass ein Austritt einzelner oder sogar mehrerer schwacher Länder aus der Eurozone vom Kapitalmarkt wieder für denkbar gehalten wird. Die Folgen für die Kreditwürdigkeit und damit verbunden die Zinskosten sowie die politische und wirtschaftliche Stabilität der betroffenen Staaten wären gravierend.




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    Marktkommentar Wallrich: Europa fällt politisch weiter auseinander. Was bedeutet das für den Euro? In vielen europäischen Ländern sind rechtspopulistische Parteien auf dem Vormarsch. Im Süden gewinnen die Linken dagegen zunehmend an Macht. Für die Stabilität des Euros ist das Auseinanderdriften der Parteienlandschaft alles andere als förderlich.