Von Markt- und Planwirtschaft
Controller an der Macht. Was, wenn Sie versagen? Chaos droht...
»Planwirtschaft«, obwohl als Ausdruck salonfähig, ist unter Ökonomen ein hartes Schimpfwort. Alles, was in der Wirtschaft nicht aus Eigeninitiative entspringt und über das danach nicht der eisige Wind von Angebot und Nachfrage weht, ist von Übel. Das erste Wort, das aufrechte Marktwirtschaftler morgens in den Spiegel sprechen, heißt »Wettbewerb«. Das Gegenteil von uneingeschränktem Wettbewerb wäre – Planung.
Wäre. Wenn nicht auch jeder Unternehmer ein wenig planen müsste, bevor er etwas auf den Markt bringt. Ergo gibt es in der Marktwirtschaft auch gute Planwirtschaft. Wenn sie sich den großen Fragen widmet, heißt sie »Unternehmensstrategie«. In ihrer Öffentlichkeitsarbeit können Kapitalisten bisweilen sogar tiefsinnig werden – sie haben dann eine »Vision« oder eine »Unternehmensphilosophie«.
Den Mühen der Ebene widmet sich dagegen die Disziplin der Budgetplanung, neudeutsch »Controlling« genannt. Das klingt nach Fahrscheinkontrolle. Aber anders als in der Buchhaltung wird hier nicht geschaut, ob es für jeden Zahlungsvorgang einen ordentlichen Beleg gibt (und ob dessen Einreicher die fragliche Summe auch wirklich ausgeben durfte). Controller legen fest, wann ein Unternehmen mit welchen Dingen wie viel Geld einnehmen soll – und wer zuvor wie viel Geld für was ausgeben darf. Anders gesagt: Controller verwandeln ein Stockwerk tiefer die großen Strategien und Visionen der Chefetage in penible Zahlenwerke. In gigantische Excel-Tabellen aus Einkaufsbudgets bis hinunter zu den Bleistiften. Aus Absatzzahlen und Endpreisen für jedes einzelne Produkt. Und aus Gehaltslisten vom CEO bis zum Hausmeister. Buchhaltung ist Vergangenheitsbewältigung. Controlling berechnet Zukunft in Kleingeld.
Man könnte das an sich sinnvolle Tun dieser Stabsabteilung allerdings auch ganz böse beschreiben. Nennen wir das Topmanagement spaßeshalber mal »Zentralkomitee«. Was war das noch? Ach ja, das weise Gremium, das genau wusste, was »die Arbeiterklasse« so alles braucht. Jetzt ersetzen wir »Arbeiterklasse« wieder durch »Markt« oder »Kundenwünsche«. Im Prinzip machen Plankommission und Controlling nun das gleiche: Beide legen en détail die Zukunft fest. Und sie verpetzen jeden beim ZK, der seine Planvorgaben verfehlt.
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Diese Art des Wirtschaftens kann auch in der Marktwirtschaft lustige Blüten treiben. Unser Verleger hört jetzt mal kurz weg: Auch Buchverlage legen ein Jahr im Voraus fest, wie viel Umsatz und wie viel Gewinn sie machen wollen. Verständlich. Wie alle Unternehmen können auch Verlage nicht wissen, ob die Kunden ihre tollen Bücher kaufen werden. Logisch. Doch oft gibt es sogar Bücher, von denen sie vor einem Jahr noch gar nicht wussten, dass sie deren Autoren unter Vertrag nehmen werden. In der Planung sind das die sogenannten »N. N.-Titel« (von lat. nomen nescio = »Name unbekannt«). Autor, Titel, Inhalt, Umfang und Ausstattung des Buches, all das ist noch unbekannt. Zwei Dinge weiß das Controlling allerdings schon ganz genau: Was das Buch kosten wird; und wie viele Exemplare man im kommenden Jahr verkauft. Klasse, oder?
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