Umstrittenes OMT-Programm
Verfassungsgericht - EZB-Staatsanleihekäufe auch mit deutschen Mitteln rechtens
Heute verkündete das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung in der grundlegenden Frage: Darf der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, den Euro mit allen Mitteln retten oder nicht? Hat er im Jahr 2012 mit seinem Ausspruch: „Whatever it takes.“ die Grenzen der Handlungsraumes der Euro-Notenbank überschritten, indem sie ankündigte, auch unbegrenzt Staatsanleihen von kriselnden Eurostaaten zu kaufen?
Hat er nicht, so die obersten Bundesrichter, die entschieden, die EZB darf im Ernstfall mit deutscher Beteiligung Euro-Krisenstaaten durch Staatsanleihenkäufe stützen - mit einigen Auflagen, die der EuGH festgelegt hatte (zum Urteil hier lang). Erstens, die Anleihekäufe dürfen vorher nicht öffentlich angekündigt werden. Zweitens, muss das im EZB-Rat beschlossene Volumen begründet drittens die Haltrefrist transparent sein.
Damit wies das Bundesverfassungsgericht mehrere Klagen gegen das sogenannte OMT-Programm ab ("Outright Monetary Transactions"). Mit ihrem Urteil schlossen sich die Karlsruher Richter in den wesentlichen Punkten einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von 2015 an (mehr zum EuGH-Urteil hier und die Reaktionen darauf hier und hier).
Das Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts (Auszug):
OMT-Programm:
Die Kläger betonten, die EZB sei eigenmächtig Risiken für den Steuerzahler eingegangen, habe in die nationale Haushalte eingegriffen und damit ihre Kompetenzen weit überschritten. Auch die Finanzmärkte zeigten sich nach dem Ausspruch Draghis beunruhigt. Der Grund: Der Kauf von Staatsanleihen würde ein Land zahlungsfähig halten, weil dessen Zinslast gedrückt würde. Dreh- und Angelpunkt der Argumentationen ist die Frage der Geldpolitik vs. Wirtschaftspolitik. Der Handlungsspielraum der EZB liegt mit dem Ziel der Geldstabilität im Rahmen der Geldpolitik. Kritiker betonten, mit dem OMT-Programm vollfahre die EZB eine indirekte Staatsfinanzierung und greift somit in die Staats- bzw. Wirtschaftspolitik ein. Ein Feld, das ihr ursprüngliches Mandat überschreite.
Die Karlsruher Richter hatten im Februar 2014 entschieden, die EZB habe mit ihrem OMT-Programm ihre Kompetenzen überschritten, da sie laut EU-Vertrag keine eigenständige Wirtschaftspolitik betreiben dürfe. Zudem verstoße der OMT-Beschluss gegen das Verbot der Mitfinanzierung von Staatshaushalten. Ob das Programm mit dem Grundgesetz vereinbar ist, wollten die Richter dagegen noch nicht abschließend beurteilen. Stattdessen gaben sie das Thema zur Klärung an den EuGH (wallstreet:online berichtete). Die Luxemburger Richter konnten in ihrer Entscheidung vor genau einem Jahr keinen Verstoß gegen geltendes EU-Recht erkennen.