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     3898  2 Kommentare Gänzlich neue Zeiten vor uns?

    Wie oft habe ich es schon erlebt – und Sie sicherlich auch – dass eine bestimmte wirtschaftliche Tatsache alles beherrschte, doch irgendwann plötzlich dann einfach wieder verschwunden ist, als habe es sie nie gegeben.

     

    Kann sich noch jemand an die „Twin Deficts“ in den USA erinnern? Oder die Angst vor der Inflation? Dass zu viel Geld Inflation bedeutet? Oder die Kennzahlen für Staatsdefizite, wann es kritisch wird? Und was ist mit der vermeintlich verheerenden Wirkung hoher Zinsen? Jetzt sind die Zinsen null und irgendwie immer noch verheerend, oder jetzt erst recht?

     

    Und nehmen wir noch das gute alte Modell der Aktienbewertung per „Discounted Cash Flow“, nach dem sich der Aktienkurs aus der Höhe der diskontierten Zukunftsgewinne berechnet. Das hat – im Rahmen einer selbsterfüllenden Prophezeiung (?) – wunderbar funktioniert, als die Zinsen hoch waren.

     

    Doch jetzt wird damit nicht mehr argumentiert. Kein Wunder, denn bei Zinsen von (nahezu) null müssten die Kurse (nahezu) unendlich hoch stehen.

     

    Ich kenne jemanden, der einen Indikator für den Aktienmarkt mit wenigen Einflussgrößen entwickelt hat, der vor kurzer Zeit eines seiner wenigen Verkaufssignale geliefert hat, die bisher allesamt richtig waren.

     

    Ich habe den Indikator lange verfolgt und großen Respekt davor. Für das jetzige Verkaufssignal sind wohl steigende Rohstoffpreise verantwortlich, und ich weiß, dass nach Ansicht des Erfinders steigende Rohstoffpreise und/oder steigende Zinsen den Grund für jeden (!) bisherigen Kursverfalls am Aktienmarkt abgegeben haben.

     

    Daraufhin habe ich dem Mann geschrieben, dass mir im Rahmen meiner eigenen wirtschaftlichen Logik eigentlich wohler wäre, wenn die Rohstoffpreise und die Zinsen etwas höher lägen, also beide steigen würden.

     

    Was er antwortet, ist interessant: Ja, sagt er, so ginge es ihm auch. Und er wäre sehr neugierig, ob sein Indikator auch in einer Phase von Nullzinsen funktioniere, die es vorher ja noch niemals gegeben hat.

     

    Wir sind also in ein komplett neues Zeitalter eingetreten. Und ich bin ebenso gespannt, wie das werden wird.

     

    Ich glaube zwar nicht, dass die Bäume jetzt bald den Himmel erreichen, doch ich glaube umgekehrt auch nicht, dass sie von nun an wie die Kartoffeln in den Boden hinein wachsen werden.

     

     

     


    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
    Gänzlich neue Zeiten vor uns? Aktien im Zeitalter der Nullzinsen