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    Schuldenquote der EU, Staatsverschuldung, Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Geldpolitik der EZB, Wirtschaftswachstum, Konsolidierungsmaßnahmen, Schuldenkrise  8252  0 Kommentare
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    Die Geldpolitik der EZB und ihr Einfluss auf die Schuldenquote der EU

    Um der Staatsverschuldung seit der Finanzkrise Herr zu werden, versucht die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihrer Niedrigzinspolitik den Banken genügend Geld zur Verfügung zu stellen. Seit dem 10.03.2016 liegt der Leitzins, zu dem sich die Kreditinstitute bei der Zentralbank Geld leihen können, bei 0,0 %. Vor der Krise betrug dieser Wert 4,25%. Die expansive Geldpolitik allein ist aber keine Garantie für die wirtschaftliche Stabilität der Euro-Zone. Für den Weg aus der Krise reicht dies allein nicht aus.

    Gebäude der EZB hinter Europaflaggen

    Bild: Die EZB mit Sitz in Frankfurt versucht mit ihrer Zinspolitik die Staatsverschuldung zu dämpfen. Bildquelle: Ewais – 319185521 / Shutterstock.com

    Im Jahr 2015 sank die Schuldenquote (90,7 %) in der Eurozone erstmals seit 2007 im Vergleich zum Vorjahr (92 %). Das ist natürlich indirekt auch auf den niedrigen Leitzins zurückzuführen. Ein Ende der Krise ist damit aber noch nicht erreicht, da selbstverständlich weitere Faktoren die Wirtschaft beeinflussen. Der Rückgang der Schuldenquote bietet aber Möglichkeiten zum Ansetzen.

    „Die Dynamik der Schuldenquote eines Staates wird durch die Zinsen, das nominale Wachstum und die Primärbilanz (Differenz zwischen Ausgaben exklusive Zinsen und Einnahmen) bestimmt“, so der Kapitalmarktspezialist Stefan Reininger von l-p-a.com. Das heißt, dass – neben der Entlastung des Staatshaushaltes durch niedrigere Zinsen – das Wirtschaftswachstum nicht außer Acht gelassen werden darf. Jedoch ist durch die Sparprogramme der Regierungen, ob aufgezwungen oder „freiwillig“, eine Schwächung der Konjunktur nicht auszuschließen.

    Maßnahmen der EZB sollen Wirtschaft stärken

    Um konjunkturellen Schwächen entgegenzuwirken und die Inflation zu kontrollieren, bedient sich die EZB hauptsächlich dreier Instrumente, die die Marktgeschehnisse beeinflussen. Dazu zählen:

    • Der Hauptrefinanzierungssatz: Dieser Satz reguliert, zu welchen Zinsen sich die Geschäftsbanken mit frischem Geld versorgen können und ist gemeinhin als „Leitzins“ bekannt. Der aktuelle Zinssatz liegt bei 0,0 %.
    • Damit soll erreicht werden, dass Unternehmen und Privatleute günstige Kredite erhalten, da die Banken die Kostenvorteile zu weiten Teilen an die Kunden weitergeben. Günstige Kredite sorgen für mehr Investitionen und Konsum.
    • Der Einlagezinssatz: Dieser Satz bestimmt, zu welchen Zinsen die Banken ihre Liquiditätsüberschüsse bei der EZB kurzfristig anlegen können. Der aktuelle Einlagezinssatz liegt bei minus 0,4 %.
    • Durch den Strafzins, den Banken, die ihre Überschüsse bei der EZB anlegen, zahlen müssen, soll ein größerer Anreiz geschaffen werden, Geld an Unternehmen und Privatpersonen zu verleihen. Andererseits sind Liquiditätspolster bei Banken unabdingbar, um mit Krisen und Schocks umgehen zu können.
    • Der Spitzenrefinanzierungssatz: Dieser Satz regelt die Zinshöhe, zu denen sich Banken bei der EZB kurzfristig Geld leihen können. Es handelt sich hierbei um sogenannte Übernachtkredite, die am nächsten Tag wieder fällig werden. Der aktuelle Zinssatz liegt bei 0,25 %.
    • Durch den Spitzenrefinanzierungssatz wird die Zinspolitik des Marktgeschehens beeinflusst, vor allem der Interbankenmarkt. Damit Banken sich bei anderen Kreditinstituten kurzfristig Geld leihen, muss der Zinssatz niedriger sein als der Spitzenrefinanzierungssatz. Ansonsten würde sich das Kreditgeschäft zwischen den Banken nicht lohnen.

     

    Im Zuge der Finanzkrise hat die EZB die Zinsen immer weiter gesenkt, um Banken anzuspornen, günstige Kredite auszugeben. Durch mehr Investitionen soll so ein Wirtschaftswachstum erreicht werden. Durch die geringen Zinsen wird zudem die Zinslast der Staaten gesenkt – der entstehende finanzpolitische Spielraum soll staatliche Investitionen ankurbeln.

    Deutschland senkt Schuldenquote

    In Deutschland hat dieser Vorgang zu einer deutlichen Reduzierung der Schuldenquote geführt. Innerhalb der letzten fünf Jahre konnte die Staatsschuldenquote von 81 % auf 71,2 % des Bruttoinlandproduktes (BIP) im Jahr 2015 verringert werden. Bis 2020 soll die Verschuldung soweit abgebaut werden, dass sie die Maastricht-Kriterien von weniger als 60% des BIPs erfüllen kann.

    Infografik Schuldenquote

    Bild: Die Schuldenkrise hat Europa immer noch im Griff, der Ausweg ist nicht einfach und die Ziele kollidieren mitunter. Bildquelle: boersenpoint.de

    Für die anderen Länder in der EU sieht es allerdings nicht so rosig aus wie für Deutschland. Betrachtet man die Euro-Zone im Ganzen, lag 2015 die Schuldenquote bei 90,7 %. Das war zwar eine Verbesserung im Vergleich zum Vorjahr (2014: 92 %), aber besonders die Schwäche der großen Volkswirtschaften in Frankreich (2015: 96,72 %), Italien (132,6 %) und Spanien (98,95 %) bietet Anlass zur Sorge.

    Auch für Deutschland darf man diese Gemengelage nicht außer Acht lassen: Als Exportland ist die deutsche Wirtschaft stark vom Absatz auf den internationalen und vor allem europäischen Märkten abhängig. Eurokritiker sehen hier einen entscheidenden Punkt für die Spaltung Europas, da andere Länder der Euro-Zone ihre Währung nicht abwerten können und Deutschland durch die einheitliche Währung Vorteile erzielt. Das Wirtschaftswachstum, die Zunahme von Jobs und der Abbau der Staatsschulden in Deutschland geschieht also auch auf Kosten der anderen Mitgliedsstaaten.

    Wachstum als Weg aus der Krise

    Daher erachtet auch der Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften Josef E. Stieglitz sieben Reformen als notwendig, damit der Euro funktioniert. „Die Krise hat Defizite und Schulden hervorgerufen – und nicht anders herum.“ Zwei Kernpunkte seiner Analyse sind

    1. zum einen die Fokussierung der EZB auf die Inflation, während andere wichtige Aspekte wie Arbeitslosigkeit, Wachstum und Stabilität vernachlässigt würden,
    2. und zum anderen die strenge Sparpolitik, die durch eine Wachstumsstrategie ersetzt werden sollte.

     

    Wenngleich die starken Konsolidierungsmaßnahmen zu einer Verbesserung des Wirtschaftsklimas in der EU beigetragen haben, müssen diese Anstrengungen über Jahre hinweg weiterhin verfolgt werden. In vielen Ländern der Eurozone haben diese Maßnahmen wenigstens zu einer Stabilisierung der Schuldenquote geführt.

    Wachstum allein kann nicht für den Weg aus der Schuldenkrise ausreichen, die Sanierung der Staatsfinanzen muss mit nationalen und europäischen Reformen fortgesetzt werden. Allerdings dürfen diese nicht Wirtschaftswachstum und Beschäftigung entgegenwirken. Daher müssen Strukturreformen Einzug halten, die die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaften erhöhen können. Auch aufgrund des demographischen Wandels sind Reformen unabdingbar. Dazu gehört beispielsweise eine Erhöhung des Renteneintrittsalters, wodurch Staatsausgaben in Form von Renten gesenkt und -einnahmen durch Steuern und mehr Produktivität erhöht werden.

    Kürzungen in Bereichen wie der Bildung oder Infrastruktur können indes dafür sorgen, das langfristige Wachstumspotential zu schmälern, auch wenn dadurch kurzfristig Erfolge mit Blick auf die Schuldenquote erzielt werden. Das größte Problem hierbei ist, dass die langfristigen Auswirkungen nicht ad hoc sichtbar sind, sondern sich erst im Laufe der Jahre bemerkbar machen. Ausgabensteigerungen in den Bereichen Bildung und Infrastruktur kommen erst nach mehr als zehn Jahren zum Tragen, die Staatsverschuldung aber ist in Echtzeit zu verfolgen.




    Martin Brosy
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    Martin Brosy ist Tradingcoach und Mitbegründer der Trading Ausbildung www.trademy.de. Großen Einfluss auf sein ökonomisches Weltbild haben die Publikationen von Karl-Heinz Paqué und Joseph Schumpeter. Als Börsianer inspirieren ihn die Ansätze von Buffett, Burry, Livermore und Lynch.
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    Verfasst von Martin Brosy
    Schuldenquote der EU, Staatsverschuldung, Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Geldpolitik der EZB, Wirtschaftswachstum, Konsolidierungsmaßnahmen, Schuldenkrise Die Geldpolitik der EZB und ihr Einfluss auf die Schuldenquote der EU Um der Staatsverschuldung seit der Finanzkrise Herr zu werden, versucht die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihrer Niedrigzinspolitik den Banken genügend Geld zur Verfügung zu stellen. Seit dem 10.03.2016 liegt der Leitzins, zu dem sich die Kreditinstitute bei der Zentralbank Geld leihen können, bei 0,0 %. Vor der Krise betrug dieser Wert 4,25%. Die expansive Geldpolitik allein ist aber keine Garantie für die wirtschaftliche Stabilität der Euro-Zone. Für den Weg aus der Krise reicht dies allein nicht aus.