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     2474  0 Kommentare Bullen oder Ochsen?

    Die Börsianer haben schon seit jeher eine große Affinität zu Tieren. Auch hierin sind sie Kleinkindern durchaus ähnlich. Schließlich sind Tiere ja durchaus etwas Wunderbares. Warum daher hochkomplexe Sachverhalte nicht in Tiergestalten verpacken? Wer optimistisch ist, ist ein Bulle, wer verzagt ist, ein Bär. Wer blöd ist, ist eine Kuh, wer ihn nicht hoch bekommt, ein Ochse, und wer ihn nicht mehr herunter bekommt, ein Schwein.

    Auch den Bereich der Wirtschaftsbücher hat diese Tendenz mittlerweile erreicht. Ich habe gerade einmal nachgezählt: In den Top 10 der Wirtschafts-Bestseller taucht nicht weniger als sieben (!) Mal ein Tier im Titel auf. Das ist der Fall bei: "Die Mäuse-Strategie für Manager", "Fish!", "Bärentango", Dilbert und die Stunde des Wiesels", "So zähmen Sie ihren inneren Schweinehund", "Für immer Fish!" und "Die Quandts".

    Dies sind natürlich nur die eifersüchtigen Worte von jemand, der es selbst nicht in die Top 10 schafft. Doch ich sage ihnen: Die Tendenz zum Kleinkind ist die Tendenz der Zukunft. Ich meine das in zweifacher Hinsicht. Erstens ist ein Kleinkind heute durchaus etwas Vorzeigbares. Denn wer will sich heute noch mit einem Pelzmantel zeigen? Nein, das macht man nicht mehr, das ist nicht mehr zeitgemäß. Heute zeigt man sich lieber mit einem Kleinkind. Und seitdem die Politik sich so vehement für Ganztagsschulen einsetzt, macht ein Kleinkind ja auch keine Probleme mehr. Da geht es morgens gleich ganz früh in die Schule und abends sofort ab ins Bett. Und fertig ist die Kiste.

    Und dann natürlich der zweite Aspekt dieser neuen Moderichtung: Man muss nicht nur ein Kleinkind haben, sondern man muss auch selbst eines sein! Und wer noch keines ist, muss eben eines werden. Vielleicht könnte man den alten Besteller von Erich Fromm "Haben oder Sein" in dieser Hinsicht noch einmal umschreiben. Bestimmt sind unsere kreativen Buchverlage mit ihren vielen, vielen wackeren Helfern auch schon längst an der Arbeit.

    Auf jeden Fall: Die Tendenz zum Kleinkind und zur tierhaften Vorstellung einer unverstandenen – und vielleicht auch letztlich unverstehbaren – Welt ist nicht zu durchbrechen. Wer hätte sonst in der letzten Zeit die ganzen Aktien gekauft, wenn nicht die Ochsen?

    berndniquet@t-online.de


    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
    Bullen oder Ochsen? Die Börsianer haben schon seit jeher eine große Affinität zu Tieren. Auch hierin sind sie Kleinkindern durchaus ähnlich. Schließlich sind Tiere ja durchaus etwas Wunderbares. Warum daher hochkomplexe Sachverhalte nicht in Tiergestalten …