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     2389  0 Kommentare Wie 1913?

    Manches ist unendlich kompliziert und doch total einfach. Auf jeden Fall jedoch furchteinflößend.

     

    Ein Bericht der Nachrichtenagentur AFP titelt:„Experten sehen Ende der Globalisierung“. Darin heißt es dann: „Freihandelsabkommen wie TTIP und Ceta drohen zu scheitern, neue Handelsschranken werden aufgebaut, die Staaten der Welt sind wegen der internationalen Finanzkrise wirtschaftlich nicht mehr so eng verbunden wie noch vor zehn Jahren. Das sind gewichtige Anzeichen dafür, warum führende Ökonomen bereits das Ende der Globalisierung kommen sehen.“

     

    Und es wird noch heftiger: „Manche Experten machen gar eine ähnliche Situation wie 1913 aus, kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Als Grund nennen sie kompliziertere politische Verhältnisse in der Welt und einen neuen Protektionismus, mit dem Staaten die heimische Wirtschaft bevorteilen: Offene und verdeckte Subventionen, Exportzölle sowie Regeln, die hoch qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland fernhalten. Seit der Finanzkrise, sei kaum ein Tag vergangen, ohne dass ein Land eine Maßnahme erließ, um heimische Unternehmen zu schützen und ausländischen die Geschäfte zu erschweren.“

     

    Oh weh!

     

    Doch ich denke: Ein bisschen tiefer hängen! Letztlich war es doch immer schon so: Jeden Tag wird von dem Ende von irgendetwas geredet. Und dann auch noch 1913? Soll das heißen, wir sollten jetzt alle auf ein neues Sarajevo warten?

     

    Ich glaube, man kann die Geschichte auch umdrehen. Bemerkenswerterweise waren die besten Jahre, die der Westen jemals erlebt hat, gerade diejenigen Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, in denen es keine Globalisierung, keinen Freihandel und vor allem auch keine vollkommen liberalisierten Finanzmärkte gab.

     

    Den seit Anfang der 80er Jahre losgelassenen Zauberbesen jetzt ein bisschen abzubremsen, sollte daher keine große Krise auslösen. Ganz im Gegenteil. Wenn wir der Wirtschaft und den Finanzen jetzt auch noch die letzten Fesseln ablegen, droht wahrscheinlich eher größeres Ungemach als bei ein bisschen Protektionismus.

     

    Eigentlich bräuchten wir ja wieder so etwas wie Zahlungsverkehrskontrollen, um zu gesunden. Doch so etwas wird es sicherlich nichts geben. Da jagt sich das System lieber selbst in die Luft.

     

    Doch auch 1913 stand die Katastrophe ja noch längst nicht fest. Ich denke, wir sind heute klüger. Vielleicht nicht viel, aber doch in entscheidendem Maße.

     

     

     


    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
    Wie 1913? Geschichte kann man auch umdrehen