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    ROUNDUP/'Flashcrash' beim Pfund  1181  0 Kommentare Britische Währung stürzt kurzzeitig ab

    FRANKFURT (dpa-AFX) - Verunsicherung über den Brexit und den künftigen politischen Kurs Großbritanniens sorgt an den Finanzmärkten offenbar zunehmend für Nervosität. Beim britischen Pfund gab es in der Nacht zum Freitag einen blitzartigen Kurseinbruch - einen sogenannten "Flashcrash". Kurz nach ein Uhr nachts stürzte die Währung binnen Minuten im Verhältnis zum US-Dollar um gut sechs Prozent auf ein neues 31-Jahres-Tief ab. Es war der stärkste Einbruch seit dem Brexit-Votum.

    Zum Euro sackte die Währung um fast drei Prozent ab. Als konkreter Auslöser kommen laut Händlern fehlerhafte Transaktionen sowie eine Überreaktion aufgrund vorab programmierter Computer-Algorithmen in Frage. Der Fall zeige aber auch, wie stark die Ungewissheit über die Zukunft Großbritanniens für Verunsicherung an den Finanzmärkten sorge, sagten Experten.

    HÄNDLER: TIPPFEHLER KÖNNTE AUSLÖSER GEWESEN SEIN

    Zwischenzeitlich kostete das Pfund im Handel in Tokio nur noch 1,1841 Dollar. Genauso schnell wie die Währung gefallen war, erholte sie sich nach dem Absturz aber wieder. Finanzmarkt-Experten sprechen in solchen Fällen von einem "Flashcrash". Allerdings erholte sich das Pfund bisher nicht vollständig. Am Freitagvormittag lag die Währung immer noch gut ein Prozent unter dem Niveau vor dem Absturz.

    Der Kurseinbruch könnte durch eine fälschlich in Auftrag gegebene Transaktion ausgelöst worden sein, sagte Toshihiko Sakai, Devisenmarktexperte beim japanischen Finanzdienstleister Mitsubishi UFJ Trust & Banking. Zumindest eine elektronische Handelsplattform habe eine Transaktion bei 1,1378 US-Dollar für das Pfund gemeldet, sagte ein Händler, der nicht namentlich genannt werden wollte. Dieser Kurs liegt noch weit unter dem Kurs, bis auf den das Pfund abstürzte. Dies könnte ein Hinweis auf ein Versehen sein, beispielsweise aufgrund eines Tippfehlers. Händler sprechen in solchen Fällen von einem "Fat-Finger-Trade", also einer versehentlich ausgelösten Transaktion aufgrund eines ungeschickten Anschlags eines Händlers auf der Tastatur.

    ÜBERREAKTION DURCH COMPUTER-HANDEL MÖGLICH - GERINGE LIQUIDITÄT

    Der Absturz könne außerdem durch Computer-Algorithmen verursacht oder zumindest verstärkt worden sein, sagten Händler. An den Finanzmärkten werden Transaktionen teilweise durch Computer nach vorab festgelegten Regeln automatisch ausgelöst, wenn beispielsweise ein bestimmter Kurs unterschritten ist. Das kann eine Kursschwankung binnen Sekunden oder sogar Bruchteilen von Sekunden deutlich verstärken und sich dabei hochschaukeln. Für einen technischen Fehler spreche auch die schnelle Erholung nach dem Absturz, meint Lutz Karpowitz, Devisenexperte bei der Commerzbank.

    Daneben kursieren auch Spekulationen, wonach chinesische Anleger angesichts der derzeitigen Schwäche des Pfunds die Währung abgestoßen und dafür Dollar gekauft hätten. Was auch immer der konkrete Auslöser war: Ein "Flashcrash" kann besonders leicht in einem Markt mit geringem Handelsvolumen entstehen, also bei geringer Liquidität. Denn wenn wenig gehandelt wird, dann können schon vergleichsweise kleine Transaktionen zu großen Kursreaktionen führen. Der Flashcrash stimme nachdenklich bezüglich der Liquidität am Devisenmarkt, sagt Karl Schamotta, Experte beim kanadischen Finanzdienstleister Cambridge Global Payments.

    SPEKULATIONEN UM 'HARTEN' BREXIT

    Seit Wochenanfang steht das britische Pfund wegen Spekulationen über einen "harten" Brexit mit Abstrichen beim Zugang Großbritanniens zum Binnenmarkt der EU-Länder unter Verkaufsdruck. Diese Spekulationen wurden durch eine Rede der britischen Premierministerin Theresa May ausgelöst. Die Brexit-Verhandlungen sollen demnach spätestens im März 2017 beginnen. Mit einem sogenannten Great Repeal Bill (Großes Abschaffungsgesetz) solle zudem die "Herrschaft des EU-Rechts über Großbritannien ein Ende nehmen", sagte May. Und: "Wir verlassen die EU nicht, um noch einmal die Kontrolle über die Einwanderung abzugeben."

    Seitens der EU wurde aber immer wieder betont, dass ein Zugang Großbritanniens zum Binnenmarkt bei gleichzeitiger Abschottung des Königreichs gegenüber Einwanderern aus EU-Ländern nicht zu haben sei.

    EXPERTEN: VERUNSICHERUNG UM POLITISCHEN KURS IN GROSSBRITANNIEN

    Die Turbulenzen beim Pfund zeigten, dass der Brexit die Märkte weiterhin gehörig in Unordnung bringen könne, meinte Experte Karpowitz. Analysten der Bank Unicredit sahen dabei nicht mehr "nur" die Frage nach dem künftigen Zugang Großbritanniens zum EU-Binnenmarkt im Fokus. Es gebe daneben Verunsicherung um den grundsätzlichen wirtschaftspolitischen Kurs des Königreichs.

    "Die Investoren sind verwirrt über die Vorstellungen in dem Land zur Einwanderung, zur Offenheit und zu einem wirtschaftsfreundlichen Umfeld." All dies sei schädlich für den Status des Pfund als eine der wichtigsten Währungen der Welt. Die britische Währung werde unter Druck bleiben./tos/bgf/stb




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