Marktkommentar
Edgar Walk (Metzler): Italien, quo vadis?
Ohne Reformen ist Italien im Euroraum nicht überlebensfähig, ist Edgar Walk überzeugt. In seinem Wochenausblick zeigt er auf, warum.
Am Sonntag wird in Italien über eine Verfassungsreform abgestimmt, die unter anderem den Einfluss des Senats zugunsten der Abgeordnetenkammer beschneidet. Es soll dadurch die Effizienz im Gesetzgebungsverfahren gesteigert und der Reformprozess vorangetrieben werden. Die Entwicklung des durchschnittlichen Einkommens pro Kopf in Italien zeigt, wie dringend notwendig ein umfassender Reformansatz in Italien ist. So lag das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen in Italien 2003 nur etwa 5 % unterhalb des deutschen; seitdem fiel es kontinuierlich und 2015 sogar mehr als 25 % darunter lag
Die Einkommen in Frankreich und Italien entwickeln sich bedenklich divergent zu denjenigen in Deutschland
Differenz des Einkommens pro Kopf zu Deutschland in %
Ohne Reformen würde Italien aufgrund der fehlenden Wettbewerbsfähigkeit immer weiter den Anschluss an die anderen EU-Länder verlieren und langsam aber sicher zum Armenhaus Europas werden. Trotz der Wichtigkeit der Reformen zeigten die Umfragen im Vorfeld des Referendums, dass eine Mehrheit der Wähler das Referendum ablehnen möchte.
Im schlimmsten Fall würde eine Ablehnung der Reformen schnelle Neuwahlen zur Folge haben, die die europakritische Fünf-Sterne-Bewegung gewinnen könnten. Die Fünf-Sterne-Bewegung könnte trotz aller legislativen Hürden versuchen, wieder eine eigene Währung einzuführen, um die Wettbewerbsfähigkeit Italiens ohne Reformen wiederherzustellen. Die Angst vor diesem Szenario ist sicherlich auch der Grund dafür, dass sich die Target2-Salden in Italien in den vergangenen Monaten merklich verschlechterten und Kapital das Land in einem erheblichen Umfang verließ.
Kapitalflucht aus Italien und Spanien
Target2-Bilanzen in Mrd. EUR
Quellen: Thomson Reuters Datastream, Metzler
Es sind jedoch noch andere Szenarien nach einer Ablehnung der Reformen denkbar, die im Einklang mit einem anhaltenden Reformprozess stehen – mit oder ohne Premierminister Renzi. Es hängt maßgeblich davon ab, ob es gelingt, schnell eine neue Regierung zu bilden. Daher müssen wahrscheinlich erst die politischen Entwicklungen in den kommenden Wochen abgewartet werden, bevor der Daumen über Italien gesenkt oder gehoben werden kann.
EZB: QE geht voraussichtlich in die nächste Runde
Die EZB (Do) dürfte auf ihrer Sitzung eine Verlängerung des QE-Programms bis September 2017 beschließen. Als Grund dafür dürfte sie die niedrige Kerninflation von nur 0,8 % im November angeben. Natürlich hilft eine Verlängerung des QE-Programms auch den Rentenmärkten in der europäischen Peripherie. Darüber hinaus dürfte die EZB am Montag bereitstehen, falls es zu größeren Turbulenzen am europäischen Rentenmarkt nach einer möglichen Ablehnung der Reformen in Italien kommt. Die schnellen und umfangreichen Maßnahmen der Bank von England nach dem überraschenden Ausgangs des Brexit-Referendums verhinderten einen größeren wirtschaftlichen Schaden in Großbritannien.
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Idealerweise stimmen die Italiener für die Reformen, die Finanzmärkte in Europa beruhigen sich und die EZB beschließt schon ab April 2017, das Wertpapierkaufprogramm jeden Monat um 10 Mrd. EUR zu reduzieren, sodass das QE-Programm schon in diesem Jahr beendet werden kann. Die wirtschaftlichen Rahmendaten wie steigende Auftragseingänge in Deutschland (Dienstag) sowie steigende Industrieproduktionen in Deutschland (Mittwoch) und Frankreich (Freitag) würden es der EZB durchaus erlauben, den Fuß etwas vom geldpolitischen Gas zu nehmen.
Blick auf die globale Fiskalpolitik 2017
In den vergangenen Monaten setzte sich immer stärker die Erkenntnis bei den wirtschaftspolitisch Verantwortlichen durch, dass die Geldpolitik weitestgehend ausgereizt ist. Eine weitere Lockerung der Geldpolitik wäre eher kontraproduktiv, da der Schaden für den Finanzsektor deutlich größer wäre als der mögliche Nutzen für die Realwirtschaft. Dementsprechend blieb nur noch die Fiskalpolitik als wirtschaftspolitisches Instrument übrig.
Vorreiter hierfür ist Japan, das ein umfangreiches Konjunkturpaket über die Sommermonate auf den Weg brachte. Die OECD schätzt, dass sich dadurch ein positiver Wachstumsbeitrag der Fiskalpolitik von etwa 0,4 %-Punkten des BIP im Jahr 2017 ergeben wird. Noch im Frühjahr 2016 prognostizierte die OECD für 2017 einen negativen Wachstumsbeitrag in Japan von etwa -0,5 %-Punkten des BIP, was eindrücklich belegt, wie substanziell die Fiskalpolitik in Japan im kommenden Jahr gelockert werden wird.
Expansiv ausgerichtete Fiskalpolitik in den entwickelten Volkswirtschaften*
Wachstumsbeitrag der Fiskalpolitik in %-Punkten des BIP
Quelle: Thomson Reuters Datastream
* Alle OECD-Länder, BIP gewichtet; Stand 30.11.02016
Insgesamt erwartet die OECD für 2017 nunmehr einen positiven Wachstumsbeitrag der Fiskalpolitik in den entwickelten Volkswirtschaften von etwa 0,2 %-Punkten des BIP. Dabei dürften etwaige Steuersenkungen und Mehrausgaben für Infrastruktur in den USA sowie in einigen europäischen Staaten noch nicht berücksichtigt sein. Vor diesem Hintergrund bestehen gute Chancen für eine merkliche Wachstumsbelebung der Weltwirtschaft im Jahr 2017. Interessanterweise hat die Fiskalpolitik seit 2011 einen großen Einfluss auf Wachstumsdynamik in den entwickelten Volkswirtschaften, was die Beschleunigung des Wachstums seit 2014 im Einklang mit nachlassenden Sparanstrengungen belegt.
USA: steigende Unternehmensgewinne sind positives Konjunktursignal
Die Unternehmensgewinne stiegen im dritten Quartal um knapp 3 % zum Vorjahr und sind damit erstmalig seit März 2015 wieder im positiven Bereich. Die Erholung der Unternehmensgewinne ist äußerst wichtig, da die Unternehmen bei anhaltend schrumpfenden Gewinnen früher oder später Entlassungen in einem erheblichen Umfang durchgeführt hätten – mit negativen Folgen für den Arbeitsmarkt und die Konjunktur.
Die Unternehmensgewinne werden daher auch oft als Rezessionsfrühindikatoren benutzt. Die Gewinnerholung ist eine wichtige Grundlage für ein baldiges Anspringen der Investitionsausgaben und damit für ein höheres Wachstumstempo.
USA: Unternehmensgewinne wieder im positiven Bereich
in % ggü. Vorjahr
Vor diesem Hintergrund bestehen gute Chancen, dass sich PMI- und ISM-Dienstleistungen (Montag) bei etwa 55 einpendeln werden.
China: Ende des Deflationsexports
Die chinesischen Erzeugerpreise (Freitag) dürften im November um 2,2 % gegenüber dem Vorjahresmonat gestiegen sein und damit die dramatische Trendwende seit Jahresanfang fortsetzen, als die Erzeugerpreise noch um 5,9 % fielen.
Die Abwertung der chinesischen Währung seit Jahresanfang konterkariert den inflationären Effekt steigender Erzeugerpreise weitestgehend, sodass Chinas Einfluss auf die globale Inflation neutral ist.
Zuvor hatte China oft einen deflationären Einfluss auf die Weltwirtschaft. Die Abwertung der chinesischen Währung ist eine Folge der anhaltenden Kapitalabflüsse, die sich unter anderem in fallenden Devisenreserven (Mittwoch) ausdrückt. China hat jedoch ausreichend Devisenreserven, um die Währung auch in den kommenden zwölf Monaten weiterhin kontrolliert abwerten zu lassen.
Lesen Sie hier den Wochenausblick von Edgar Walk für KW 49 im Original.