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     5026  0 Kommentare Dow Jones 10.000

    Jetzt beginnt wieder die Mützen-Zeit. Aber nicht nur, weil es draußen langsam richtig weihnachtlich kalt wird. Sondern weil der Dow Jones Index sich wieder einmal anschickt, über die 10.000 Punkte zu springen. Und weil Fernsehkommentatoren zur Feier dieses Anlasses dann gerne Mützen aufsetzen. Das muss man nicht verstehen. Das ist vielmehr eines der vielen ungelösten Börsenrätsel, die wir Erwachsene niemals verstehen können. Dazu muss man vielmehr Kind und täglich von Bade-Enten umgeben sein ...

    "Nullen sind aktuell auch an der Börse gefragt", schreibt denn auch die "Welt" heute, allerdings nicht, ohne anschließend sofort einzuschränken: "Zumindest wenn sie Bestandteil von runden Zahlen sind." Man muss schließlich den Anstand wahren und darf das Kind nicht mit dem Bade ausschütten.

    Gestern hat der Dow Jones zum ersten Mal seit langen Baissejahren die 10.000er Marke wieder kurzzeitig übersprungen. Baisse? Welche Baisse? mag man sofort fragen. Und der Befund ist schon einigermaßen erstaunlich: Da fällt der Dollar gegenwärtig und fällt und fällt und alle reden von der ganzen Schwierigkeiten der US-Volkswirtschaft, doch plötzlich ist der Dow Jones wieder bei 10.000 Punkten und damit nur gut 10 Prozent unter seinem Alltime-High.

    Unsere europäischen Börsen und ganz besonders die deutschen Börse sehen dagegen völlig anders aus. Selbst wenn wir von der heutigen Basis aus um 100 Prozent steigen würden, hätten wir noch nicht unsere alten Hochs aus dem März 2000 erreicht. Dafür rennen uns, so schreiben täglich die Zeitungen, die Investoren regelrecht die Bude ein und kaufen den Euro wie verrückt, um hier in Euroland investieren zu können.

    Irgend etwas stimmt hier also nicht. Irgend jemand spielt verrückt oder begreift irgend etwas völlig falsch. Aber wer sagt denn auch, dass die Börsen ein Ort der rationalen Entscheidungen und des effizienten Handelns ist? Außer ein paar verschrobenen Wissenschaftlern natürlich. Nein, die Börsen sind eher ein großer Kindergarten, wo auch das eine Kind rote Schuhe anziehen muss, wenn die anderen Kinder bereits ebenfalls rote Schuhe anhaben. Und sind dann bald wieder grüne Schuhe Mode, dann müssen plötzlich also alle grüne Schuhe anziehen.

    Es gibt allerdings einen einzigen Unterschied: Die Börsen sind der einzige Kindergarten dieser Erde, der tatsächlich die Welt regiert.

    berndniquet@t-online.de

    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
    Dow Jones 10.000 Jetzt beginnt wieder die Mützen-Zeit. Aber nicht nur, weil es draußen langsam richtig weihnachtlich kalt wird. Sondern weil der Dow Jones Index sich wieder einmal anschickt, über die 10.000 Punkte zu springen. Und weil Fernsehkommentatoren zur …