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    Dr. Daniel Stelter  2009  0 Kommentare Das Gespenst der Inflation

    Schon seit langem ist die Entwicklung der Anleihenmärkte und damit der Zinsen dazu geeignet, die „Experten“ zu blamieren. Jahrelang haben sie steigende Zinsen erwartet, doch die Zinsen kannten nur eine Richtung: nach unten. Und kaum überschreitet jetzt die zehnjährige Bundesanleihe die Null-Linie, macht das Schlagwort von der „Zinswende“ die Runde. Wohl gemerkt: bei einer aktuellen Rendite von gerade einmal einem Viertelprozent.

    Richtig ist: Im Moment treibt der Ölpreis die Inflation. In den letzten Jahren war dieser rückläufig, jetzt hat er sich stabilisiert und steigt leicht. Ein großer Teil der Preissteigerung ist auf diesen soge­nannten Basiseffekt zurückzuführen. In den USA sind die Inflationserwartungen seit der Wahl von Donald Trump tatsächlich gestiegen. Er hat Steuersenkungen angekündigt und große Investitionen in die Infrastruktur – also ein Konjunkturprogramm. Das kann zu höherem Wachstum führen und damit auch zu steigenden Preisen.

    Daraus aber abzuleiten, dass wir vor einer riesigen Inflationswelle stehen, ist zu früh. Die grund­legenden Bedingungen der Weltwirtschaft haben sich nicht geändert, es gibt immer noch erhebliche Überkapazitäten in der Welt. Das Angebot ist groß, die Preise bleiben daher insgesamt niedrig. Auch in den USA bleibt die Frage, ob es Trump überhaupt gelingen wird, mehr als ein Strohfeuer zu erzeugen. Auch die US-Wirtschaft leidet unter geringen Zuwächsen der Produktivität und hoher privater und staatlicher Verschuldung. Ein starkes Wirtschaftswachstum kann in diesem Umfeld nicht erwartet werden. Das dürfte im Laufe des Jahres zu einiger Ernüchterung führen.

    Denn das Wirtschaftswachstum hängt im Grunde von zwei Faktoren ab: von der Anzahl der Menschen, die arbeiten, und von der Produktivität pro Kopf. In den USA ist die Erwerbsbevölkerung in den letzten Jahren deutlich gesunken. Wenn Trump diese Menschen wieder in Arbeit bekommt, wäre ein höheres Wachstum möglich. Zum anderen braucht man für mehr Produktivität vor allem Innovationen. Die gibt es zwar in der gesamten westlichen Welt, aber sie schlagen sich bisher nicht in höherer Produktivität nieder.

    Schlimmer noch: Die Gegenbewegung steht schon vor der Tür. Der jetzige wirtschaftliche Auf­schwung in den USA hält schon länger an. Die meisten Aufschwünge sterben dann, wenn die Zinsen steigen. Und die steigen schon seit einigen Monaten in den USA und liegen jetzt für die maßgeb­lichen zehnjährigen US-Staatsanleihen bei circa 2,4 Prozent. Die Unternehmen in den USA sind hoch verschuldet, da können Zinssteigerungen negativ wirken. Der Anstieg der Zinsen könnte einen Trump-Aufschwung so im Keim ersticken.

    Das gilt für Europa noch viel mehr als für die USA, liegt doch die Verschuldung von Staaten und Privaten deutlich über dem Niveau der USA. Die Zinsen in Europa steigen, weil sie in den USA steigen, und Europa sich nicht von dieser Entwicklung abkoppeln kann. Da kann die Europäische Zentralbank nur begrenzt gegensteuern. Steigen die Zinsen, wird sich sehr schnell zeigen, dass die Eurozone noch lange nicht gerettet ist. Das ungelöste Problem der hohen Verschuldung von Staaten und Privaten und des maroden Bankensystems wird offen zutage treten und die strukturellen Ungereimtheiten der Eurozone werden wieder aufbrechen. Wir haben eine Währungsunion, die nicht funktioniert. Man muss diese Union entweder voll integrieren, also auch mit einem massiven Finanzausgleich zwischen den Ländern. Oder man hält sie durch Schmerzmittel zusammen, wie es gerade die Europäische Zentralbank tut – ohne dabei die eigentlichen Probleme zu lösen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es zu einem Unfall kommt. Währungsunionen zerbrechen, wenn eines der starken Länder austritt. Können wir das angesichts der Wahlen in den Niederlanden und in Frankreich wirklich ausschließen?






    Daniel Stelter
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    Dr. Daniel Stelter ist Makroökonom und Gründer des Diskussionsforums „Beyond the Obvious“. Von 1990 bis 2013 war Stelter Unternehmensberater bei der Boston Consulting Group (BCG), wo er von 2003 bis 2011 weltweit das Geschäft der BCG Praxisgruppe Corporate Development (Strategie und Corporate Finance) verantwortete.

    Er ist Autor mehrerer Bücher. Sein aktuelles Buch „Das Märchen vom reichen Land - Wie die Politik uns ruiniert“ war auf der SPIEGEL Bestsellerliste. Twitter: @thinkBTO
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    Verfasst von Daniel Stelter
    Dr. Daniel Stelter Das Gespenst der Inflation Schon seit langem ist die Entwicklung der Anleihenmärkte und damit der Zinsen dazu geeignet, die „Experten“ zu blamieren. Jahrelang haben sie steigende Zinsen erwartet, doch die Zinsen kannten nur eine Richtung: nach unten. Und kaum …

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