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    Marktkommentar  903  0 Kommentare Steve Donzé (Pictet): Zwingt Trump die Fed zu einer gemäßigteren Zinspolitik?

    Schon seit Längerem beginnt die Unabhängigkeit der Fed zu schwinden. Mit Trump könnte sich dieser Prozess beschleunigen, meint Steve Donzé.

    Donald Trump hat die Möglichkeit, den Gouverneursrat der Fed komplett umzukrempeln. Eine Entscheidung zugunsten einer entgegenkommenden Zentralbank könnte seinen politischen Zielen am zuträglichsten sein.

    Die Anleger gehen ganz selbstverständlich davon aus, dass die Federal Reserve eine restriktivere Geldpolitik verfolgen wird, sobald die US-Wirtschaft an Fahrt gewinnt – vor allem, wenn die von Präsident Trump vorgeschlagenen Massnahmen einen Boom auslösen.

    Dabei bedenken sie nicht, dass Trump die Macht besitzt, für den Fed-Gouverneursrat Kandidaten auszuwählen, die im Sinne seiner Ziele handeln. Eine Fed mit von Trump ausgewählten Zentralbankern könnte einen sehr viel entspannteren Ansatz in Bezug auf Inflation verfolgen, als dies seit den 1970er Jahren der Fall ist.

    Nach dem Rücktritt von Daniel Tarullo am 5. April kann Trump drei der sieben Positionen im Gouverneursrat neu besetzen. Und da sowohl die Amtszeit der Fed-Präsidentin als auch des Vizepräsidenten nächstes Jahr enden, könnte diese Zahl bis Mitte 2018 auf fünf steigen. Donald Trump war noch nie ein Fan der aktuellen Fed-Chefin Janet Yellen, und sie und ihr Verbündeter Vize Stanley Fischer dürften die Zentralbank verlassen, falls sie ihre leitenden Positionen verlieren.

    Das ist von Bedeutung. Der Offenmarktausschuss (FOMC), der die Geldpolitik festlegt, setzt sich aus den sieben Gouverneuren des Fed-Gouverneursrats, dem Präsidenten der New-York-Fed sowie vier der 11 anderen regionalen Notenbankpräsidenten, die über rotierende Stimmrechte verfügen, zusammen. Das Trump-Lager würde damit streng genommen eine Minderheit im FOMC darstellen, aber die federführende Rolle des Fed-Präsidenten/der Fed-Präsidentin bei der Geldpolitik darf auf keinen Fall unterschätzt werden. Es ist schon ungewöhnlich, wenn ein Fed-Mitglied anderer Meinung ist als die Präsidentin – man kann sich also vorstellen, wie schockierend es wäre, wenn sie überstimmt würde.

    Was für eine Fed schwebt Trump also vor? Er hat bereits seine Ablehnung gegenüber den unorthodoxen geldpolitischen Massnahmen der Fed geäussert, mit denen die Zinsen in den letzten zehn Jahren weitgehend nahe null gehalten wurden. Und er wurde oft mit restriktiv eingestellten Geldpolitikern wie dem Ökonomen John Taylor in Verbindung gebracht, einem entschiedenen Gegner der quantitativen Lockerungsmassnahmen. Man darf jedoch nicht vergessen, dass Trumps höchste politische Priorität ein starkes Wirtschaftswachstum ist. Dies will er erreichen, indem er den inländischen Firmen den Wettbewerb mit ausländischen Konkurrenten erleichtert, US-Steuern senkt, Exporteure unterstützt und staatliche Infrastrukturausgaben erhöht. Geldpolitischen Gegenwind wird er da nicht gebrauchen können. Zudem wäre ihm ein schwächerer Dollar – eine wahrscheinliche Konsequenz einer weniger restriktiven Geldpolitik – dabei behilflich, die Inlandsnachfrage von Importen auf lokale Produzenten zu verschieben, und dies ohne seine umstrittene Grenzsteuer, mit der Importe besteuert werden sollen.

    Auch für das ökonomische Establishment wäre eine steigende Inflation nicht wirklich unakzeptabel. Wirtschaftswissenschaftler der Fed und Mitglieder der Denkfabrik Brookings Institution argumentierten jüngst, dass geldpolitische Entscheidungsträger die Inflation ruhig über ihr 2%-Ziel steigen lassen könnten.1

    Insbesondere der Präsident der Minneapolis-Fed, Neel Kashkari, sprach sich gegen die Zinsanhebung im März aus. Die Straffung der Geldpolitik bei einer Kerninflation, die weiter unter dem Zielwert liegt, deute darauf hin, dass „die 2% eher als Obergrenze denn als Ziel behandelt werden ... Ich bin dagegen, dass wir erklären ein Ziel zu haben, uns dann aber so verhalten, als wäre es eine Obergrenze“.2

    Anstatt das Inflationsziel anzuheben, könnte die Fed auch einfach argumentieren, dass sie weiter 2% anstrebt, jedoch über den ganzen Konjunkturzyklus. Die Inflation könnte dann mal einige Jahre unter dem Ziel bleiben und dafür eine bestimmte Zeit darüber liegen. Alternativ könnte die Fed auch einen neuen Ansatz mit flexiblem Inflationsziel („flexible inflation targeting“) verfolgen, der den Vorteil hätte, den Bereich der akzeptablen Inflationsraten auszuweiten, ohne dabei die Verpflichtung der Bank zur langfristigen Erreichung des Ziels aufzugeben.

    Es würde zweifellos Empörung auslösen, wenn der Eindruck einer Politisierung der Fed entstünde, weil diese tut, was der Präsident wünscht. Die Notwendigkeit der Unabhängigkeit der Zentralbank ist eine der grundlegenden makroökonomischen Lehrmeinungen, auch wenn Zentralbanker zugeben, dass es dafür keine Garantie gibt.

    Beim Monetary Policy Forum in New York Anfang März sagte Stanley Fischer, dass die Fed unabhängig bleiben werde, „bis wir eine wirklich schlechte wirtschaftliche Entscheidung treffen.“

    Aber unsere Analyse deutet darauf hin, dass die Unabhängigkeit der Fed bereits schwindet.

    In den letzten 50 Jahren hat die Zeit, die benötigt wurde, um freie Stellen für Fed-Gouverneure zu besetzen, beständig zugenommen. In den 1970er Jahren betrug die durchschnittliche Anzahl der Tage mit unbesetzten Posten 88. Nach dem Jahr 2000 war sie auf 463 gestiegen. Und ab 2010 lag sie noch höher. Länger nicht besetzte Posten lassen auf stärkeres politisches Ringen um ihre Besetzung schliessen.

    Quelle: Pictet Asset Management, Federal Reserve. Daten per 22.3.2017

    Auch die Dauer von Amtszeiten bei der Fed ist zurückgegangen, was auf eine Erosion der Unabhängigkeit hindeutet. In den 1960er Jahren traten die Gouverneure durchschnittlich 3275 Tage an. Diejenigen, die nach dem Jahr 2000 begannen, blieben durchschnittlich weniger als 1900 Tage und ab 2010 noch kürzer (unter der Annahme, dass Yellen und Fischer nach Ende der jetzigen Amtszeit zurücktreten, und ohne die derzeitigen zwei Mitglieder Lael Brainard und Jerome Powell).3

    Die schwierige politische Situation der Fed wurde Anfang April mit dem Rücktritt des Präsidenten der regionalen Notenbank von Richmond Jeffrey Lacker – er hatte im Jahr 2012 vertrauliche Informationen zu bevorstehenden geldpolitischen Massnahmen der Fed an einen Markt-Beratungsdienst weitergegeben – noch komplizierter.

    Zu bedenken ist auch, dass die Fed nicht immun gegen Modeerscheinungen in der Geldpolitik ist. Was in den 1970er Jahren noch akzeptabel war, war in den 1990er Jahren bereits unvorstellbar. So waren die Zentralbanken früher nervös, wenn ihre Bilanzen zu schnell stiegen. Nach der weltweiten Finanzkrise sind massive Ankäufe von Vermögenswerten zu einem ganz normalen geldpolitischen Instrument geworden.

    Inflation könnte wieder in Mode kommen, insbesondere wenn sie politische Unterstützung erhält. In diesem Fall wäre es an der Zeit, nominale Anleihepositionen zu reduzieren und sich mit Gold, inflationsgebundenen Anleihen und Sachwerten gegen steigende Preise abzusichern.


    [1] https://www.wsj.com/articles/f...

    [2] https://www.minneapolisfed.org...
    [3] Federal Reserve, Daten analysiert von Pictet Asset Management, per 22.3.2017



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