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     896  0 Kommentare Bundesregierung einig gegenüber Türkei - Rüstungsgeschäfte auf Eis?

    BERLIN (dpa-AFX) - Unbeeindruckt von Protesten der Türkei demonstriert die Bundesregierung Einigkeit in ihrem neuen scharfen Kurs gegenüber Ankara. Die von Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) verkündeten Maßnahmen seien "absolut notwendig", sagte Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) der "Bild am Sonntag". Das Verhalten der Türkei sei inakzeptabel. "Wir haben eine Schutzpflicht für unsere Bürger und Unternehmen", sagte Altmaier mit Blick auf die von Gabriel verkündete Neuausrichtung der Türkei-Politik. Ankara müsse erkennen, dass die Bundesregierung "einig und geschlossen" sei.

    Als Reaktion auf die Verhaftung des Menschenrechtlers Peter Steudtner und anderer Deutscher hat das Auswärtige Amt am Donnerstag die Reisehinweise für die Türkei verschärft. Zusätzlich kündigte Außenminister Gabriel an, dass die staatliche Absicherung von Türkei-Geschäften der deutschen Wirtschaft durch sogenannte Hermes-Bürgschaften auf den Prüfstand gestellt wird.

    Laut "Bild"-Zeitung (Freitag) hat die Bundesregierung auch geplante und bereits bestehende Rüstungsprojekte mit der Türkei vorläufig auf Eis gelegt. Nähere Einzelheiten wurden nicht genannt. Bisher galt die Lieferung von Rüstungsgütern im Rahmen der Nato-Mitgliedschaft der Türkei als weitgehend unproblematisch.

    Die türkische Regierung warf der Bundesregierung "Erpressung" vor. Als Hauptgrund für die "ernsthafte Vertrauenskrise" nannte das Außenministerium in Ankara die "Doppelmoral" der Bundesregierung im Umgang mit der Türkei. Während die Bundesregierung Terroristen der Gülen-Bewegung und der kurdischen Untergrundorganisation PKK gewähren lasse, fordere sie die Freilassung von Terrorverdächtigen in der Türkei.

    Der Sprecher von Präsident Recep Tayyip Erdogan, Ibrahim Kalin, warf der Bundesregierung im Fall des inhaftierten deutschen Menschenrechtlers Peter Steudtner versuchte Einflussnahme auf die türkische Justiz vor.

    Angesichts der Inhaftierungen von Menschenrechtlern und Journalisten in der Türkei zog Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) einen Vergleich mit der DDR. "Die Türkei verhaftet inzwischen willkürlich und hält konsularische Mindeststandards nicht ein. Das erinnert mich daran, wie es früher in der DDR war", sagte Schäuble der "Bild"-Zeitung (Freitag). "Wer dort gereist ist, dem war klar: Wenn Dir jetzt etwas passiert, kann Dir keiner helfen." Justizminister Heiko Maas (SPD) sagte der Zeitung: "Klar ist: Wer in die Türkei reist, verbringt seinen Urlaub leider nicht in einem Rechtsstaat."

    Auch nach Einschätzung des Deutschen Richterbundes können die in der Türkei inhaftierten Deutschen kaum auf rechtsstaatliche Verfahren und eine unabhängige Prüfung der gegen sie erhobenen Vorwürfe hoffen. "In der türkischen Justiz herrscht ein Klima der Angst", sagte der Geschäftsführer des Richterbundes, Sven Rebhahn, der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Freitag).

    Richter und Staatsanwälte seien zu Tausenden wegen vermeintlicher Nähe zur Gülen-Bewegung entlassen und inhaftiert worden. Die Stellen seien im Schnellverfahren nach einer Schmalspurausbildung durch regierungsnahe Juristen nachbesetzt worden. Anwälte, die Inhaftierte verteidigten, müssten selbst mit dem Vorwurf der Terrorhilfe rechnen und stünden mit einem Bein im Gefängnis.

    Erdogan macht den im US-Exil lebenden Prediger Fethullah Gülen für den Putschversuch von Teilen des türkischen Militärs vor einem Jahr verantwortlich. Unter dem von Erdogan ausgerufenen Ausnahmezustand wurden seither Zehntausende angebliche Gülen-Anhänger in Untersuchungshaft gesperrt, zahlreiche Medien geschlossen und mehr als 100 000 Staatsbedienstete entlassen oder suspendiert.

    SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz warf der türkischen Regierung vor, "rote Linien" überschritten zu haben. Er glaube, "dass wir dieser Willkür, die in der Türkei herrscht, nicht mehr tatenlos zusehen können", sagte er am Donnerstagabend am Rande eines Besuchs beim französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Paris. Schulz forderte dazu auf, die Verhandlungen zur Ausweitung der Zollunion mit der Türkei zu unterbrechen und europäische Finanzhilfen in Frage zu stellen. "Wenn die Türkei zu Europa gehören will, muss sie europäische Standards respektieren."/bi/DP/stk




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